Schwitzen wie ein Schwein

Schweine schwitzen nicht. Das bekommt einer der Protagonisten aus Robert Menasses Hauptstadt, Sohn eines Schweinebauern, von seinem Vater zu hören. Schweine schwitzen nicht, sagt der Vater dem Sohn in belehrendem Ton, also solle er gefälligst nicht diesen unsinnigen Ausdruck verwenden, schwitzen wie ein Schwein. Nur weil andere das sagen, brauche er diesen Unsinn ja nicht nachzuquatschen. Aber: Warum schwitzt man wie ein Schwein? Ist das nur so gedankenlos dahergesagt? Warum hat sich so ein Bild durchgesetzt, wenn es so offensichtlich schief ist? Dafür gibt es einen guten Grund, und der bleibt Menasses Schweinebauern, der seinen Sohn zurechtweist, verborgen: Schweiß bedeutet hier nämlich nicht ‘Schweiß’, sondern ‘Blut’. Man blutet wie ein Schwein. Das ist gemeint. Bei den Hausschlachtungen konnte man beobachten, wie stark die Schweine bluten, und ihr Blut wurde euphemistisch Schweiß genannt. Jäger sprechen noch heute vom Schweiß der gejagten Tiere, wenn sie ihr Blut meinen, und der Hund, der auf ein angeschossenes und blutendes Tier angesetzt wird, heißt Schweißhund. (Menasse, Robert: Die Haupstadt. Berlin: Suhrkamp, 2017: 120)

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