Monduntergang

Bei Vollmond gepflückte Äpfel verrotten schneller als die zu anderen Zeiten gepfückten, bei Vollmond gefälltes Holz ist besser als das zu anderen Zeiten gefällte. Immer wieder hört man diese Behauptungen. Im Fernsehen werden zwei Experimente gezeigt – sehr einfach bei den Äpfeln, aufwändig beim Holz – die beides überzeugend widerlegen. Aber dann kommt eine wissenschaftliche Studie, die belegt, dass man bei Vollmond schlechter schläft. Seit Jahren mache ich mir keine Freunde, wenn ich das als Unsinn bezeichne. Aber jetzt kommen Wissenschaftler und belegen diese These. Und sind selbst überrascht von dem Ergebnis. Sie hätten sich die Daten immer wieder angesehen, aber es gebe kein Vertun: Bei Vollmond waren die Probanden fünf Minuten später eingeschlafen, fünf Minuten eher aufgewacht und hatten um 30% kürzere Tiefschlafphasen gehabt. Doch dann sieht ein anderer Wissenschaftler sich die Ergebnisse an und stellt fest: Bei den Vollmond-Probanden war das Durchschnittalter viel höher als bei den anderen. Und alte Menschen schlafen eher etwas schlechter (meines Erachtens deshalb, weil sie tagsüber, oft ohne es zu merken, schon mal ein Nickerchen machen). Wieder das alte Lied: Es gab eine Korrelation zwischen zwei Faktoren, keinen Kausalzusammenhang! Der kritische Wissenschaftler führte dann ein eigenes Experiment durch, mit 200 Probanden und viel mehr Schlafstunden als bei dem ursprünglichen Experiment. Und einer ähnlichen Altersstruktur bei beiden Gruppen. Ergebnis: kein Unterschied! Der Mythos wird sich trotzdem halten. Was sind schon Fakten gegen die eigenen Erfahrung, gegen die eigene Wahrnehmung, gegen die eigene Überzeugung? Ich werde mir weiterhin keine Freunde machen, wenn die Rede auf das Thema kommt. Es sei denn, ich halte die Klappe.

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