Das Dommuseum nimmt sich im Rahmen der Ausstellung zum Untergang des Römischen Reichs naheliegenderweise der Rolle des Christentums an. Die grobe interpretatorische Leitlinie: Bis ins 19. Jahrhundert wurde das Christentum eher für den Fall des Römischen Reichs verantwortlich gemacht, heute sieht man in ihm eher ein unterstützendes Element. Leuchtet mir ein. Schließlich war es „nur“ eine neue Ideologie, die Strukturen blieben weitgehend bewahrt und das Christentum machte reichlich Anleihen bei der heidnischen Tradition. Das wird in der Ausstellung immer wieder deutlich.
Eine Skulptur einer römischen Fruchtbarkeitsgöttin wird einer Madonna mit Kind gegenübergestellt. Man würde nicht darauf kommen, dass die beiden Skulpturen Jahrhunderte trennen und sie zwei verschiedenen Glaubenssystemen angehören. Das Christentum übernahm also das Bildrepertoire der Antike, wenn auch anfangs zögerlich. Anfangs vermieden die Christen vollplastische Skulpturen, um sich von der heidnischen Tradition abzusetzen. Erst um 1000 kamen Figuren wie diese Madonna auf.
Auch der gute Hirte hat heidnische Vorbilder. Er galt als Symbol der Philanthropie und des Glücks, und wurde genauso dargestellt wie Jesus hier auf dem Relief, mit einem Schaf um die Schulter und anderen Schafen zu seinen Füßen. Auf diesem Relief erkennt man nur durch die Darstellung der Verführungsszene im Paradies auf der linken Seite, dass Jesus gemeint ist.
Auch bei Titeln und Organisationsformen machten die Christen Anleihen bei der Antike. Der Papst trug den Titel Pontifex Maximus, und die Diözesen waren identisch mit den römischen Provinzen. Auch der Kalender hatte heidnische Grundlagen. Das Fest der Geburt Christi verlegte man, entgegen der historischen Wahrscheinlichkeit, auf den 25. Dezember, den Tag des Sol Invictus. Als unter Konstantin der in regelmäßigen Intervallen stattfindende Ruhetag eingeführt wurde, wählte man den Sonntag, den Tag des Sonnengottes.
Die Abwendung von der heidnischen Tradition wird hier illustriert durch eine absichtlich zerstörte Mars-Statue aus dem Altbachtal, mannshoch, ohne Kopf und ohne Emblem. Man sieht, dass die Statue aus den Teilstücken, in die man sie zerlegt hatte, später wieder zusammengesetzt wurde.
Neu im Christentum waren die Taufe, die Jenseitserwartung (die das Alte Testament nicht kennt) und die Wertschätzung jedes einzelnen Menschen.
Aus Xanten stammt der hier ausgestellte Grabstein, der älteste erhaltene christliche Grabstein nördlich der Alpen (V). Wie auf weiteren Grabsteinen dient hier als Emblem das in einem Kreis eingelassene Kreuz mit A&O und mit dem PX, das sich um das Kreuz windet.
Trier bekam den Untergang des Römischen Reichs durch vier Eroberungen und Zerstörungen in der kurzen Zeitspanne von 410-435 zu spüren. Die hinterließen im Dom eine dicke Schutt- und Staubschicht. Im 6. Jahrhundert wurde der Dom wiederaufgebaut.
Einen wichtigen Teil der Ausstellung nehmen Bestattungen ein. Es gab zwei Bestattungsarten: Bei der einen wurde der Leichnam auf Holzstämme gebettet, bei der anderen handelte es sich um eine Gipsbettung. Davon sieht man hier ein eindrucksvolles Beispiel. Der Tote wurde in Tücher gehüllt und dann mit Gips übergossen. Erinnert an die ägyptischen Mumien.
Die Toten wurden in reichen Gewändern bestattet, aber ohne Schuhe! Eine Ausnahme bilden die Kinder. Die hatten entweder Schuhe an oder ihnen wurden Schuhe mitgegeben, die oben auf dem Sarg platziert wurden. Davon sieht man hier ein bewegendes Beispiel: Auf einem (rekonstruierten) Bleisarg stehen zwei unterschiedliche Kinderschuhe, sandalenartig, einer etwas größer als der andere.
Unter den Bestatteten befinden sich viele junge Frauen. Davon legen zahlreiche Grabinschriften Zeugnis ab. Viele der jungen Frauen starben im Kindbett. Sie wurden in der Regel mit dem Eintritt der Zeugungsfähigkeit, mit 12-13 Jahren, verheiratet.
Unter den zahlreichen Grabsteinen aus Trier befinden sich auch welche mit einer Inschrift in Griechisch und sogar ein paar zweisprachige. Bei einem davon wird auf die Herkunft des Verstorbenen aufmerksam gemacht: Er stammte aus Antiochia Orantes, im heutigen Syrien! Trier muss eine kosmopolitische Stadt gewesen sein!
In der Zeit der Reichskrise wurde von den Bürgern absolute Loyalität gefordert. Die Opferverweigerungen durch die Christen galten als Frevel, als Schwerverbrechen. Das führte zu den Martyrien. Hier werden zwei Tonschalen gegenübergestellt, mit eingeritzten Darstellungen. In einer ist ein gefesselter Christ dargestellt, der den Löwen zum Fraß vorgeworfen wird, auf der anderen ein heidnischer Jäger, der von Löwen angefallen wird. Verblüffend ähnlich die beiden Darstellungen.
Nach Konstantin verbündete sich der Staat mit der Kirche. Das wird hier an einem besonders schönen Ausstellungsstück illustriert, einer Elfenbeintafel, auf der die Überführung von Reliquien in eine neu erbaute Kirche zu sehen ist. Die Priester mit dem Reliquienkästchen sitzen auf einem Wagen, der Kaiser geht, Zeichen der Demut, dem Wagen voran. Vor der Kirche wartet die Kaiserin. Die Prozession ist figurenreich und dicht gedrängt. Oben schauen aus Fenstern und von einer Mauer zahlreiche Figuren dem Geschehen zu, und unten sind ein paar Männer auf das Vordach der Kirche geklettert, um nichts zu verpassen!
Eine eigene Abteilung ist St. Maximin gewidmet, ein besonders Beispiel für die jahrhundertelange Nutzung eines Baus in verschiedener Funktion. Ursprünglich war es eine Grabstätte. Man hat dort 1000 Bestattungen gefunden, meist von Menschen, die der spätrömischen Elite angehörten. Entsprechend sind die Grabbeigaben: Riemenschnallen, Gürtelbeschläge, Fibeln, aus Buntmetall, Silber, Gold, Eisen, alles kunstvoll gestaltet, ebenso wie winzige Bronzeplättchen als Textilapplikationen. Daneben Glasphiolen und Goldfäden.
Am Eingang eine mächtige Statue aus Lindenholz von Maximin, mit Bischofsstab und Mitra (XVIII). An seiner Seite ein Bär. Der Bär soll das Lasttier des Maximin getötet haben, um dann selbst das Gepäck des Bischofs zu tragen!
Maximin war ein Gegner des Arianismus und gewährte Athanasius Asyl in Trier. Er starb auf dem Weg nach Poitiers. Paulinus ließ seine Gebeine nach Trier überführen.
Am Schluss ist das Grabmal des Paulinus selbst Gegenstand der Darstellung. Paulinus starb im Exil, weil er zunächst im Streit um die Natur Christi auf der falschen Seite gestanden hatte. Nach seiner Rehabilitierung wurde er dann nach Trier überführt. In seinem Grab wurden erstaunliche Dinge gefunden, die hier ausgestellt sind, oft nur noch in Fetzen oder in fadenscheinigen Stoffen vorhanden, darunter seidene Bänder, seidene Kordeln, gelblicher Byssus (zum Einwickeln der Leiche) und Purpur als Färbemittel. Diese Materialien zeugen von den wichtigen Handelsbeziehungen, die Trier, auch nach dem Ende des Römischen Reichs, erhielt und die bis in den Nahen Osten und nach China führten.