Die lieben Nachbarn

Zur Zufriedenheit benötigt man weniger als man glaubt. Was nicht zur Zufriedenheit beiträgt, ist der Vergleich mit anderen. Nicht umsonst galt ein solcher Vergleich bei den antiken Philosophen als Todsünde. Dass wir uns nicht daran orientieren, zeigt ein modernes Experiment. In einem Gedankenspiel wurden Probanden gefragt, was ihnen lieber sei: Sie bekamen 80.000 €, alle ihre Nachbarn aber 100.000 €. Oder sie bekamen 60.000 €, ihre Nachbarn aber nur 40.000 €. Überraschenderweise entschieden sich die meisten für die zweite Variante. Der relative Wert ist maßgeblicher als der absolute. Der Vergleich mit anderen ist auch der Maßstab für diejenigen, meist Mädchen oder jungen Frauen, die sich auf Facebook oder Instagram im Schaufenster präsentieren, in der Hoffnung, möglichst viele Bewunderer zu bekommen. Die Gefahr, die da lauert, besteht darin, dass man weiß, dass bei der eigenen Inszenierung ein bisschen gemogelt, beschönigt, aufpoliert wurde, während man die Existenzen der anderen für authentisch hält. Bei denen scheint scheinbar immer die Sonne. Und sie sind immer guter Laune. Und ihre Partys sind rauschender als die eigenen. Das führt nicht zu Zufriedenheit. Es führt zu Niedergeschlagenheit. (Wehr, Marko: „Philosophie – so findet man den Weg zum Glück“, in: Aula, SWR 2: 15/08/2021)

This entry was posted in Leben, Philosophie, Psychologie and tagged , , . Bookmark the permalink.