Unerhört

Wapiti sind die größten Hirsche der Erde. Angesichts ihrer Körpermaße sollten sie tiefe, röhrende Töne ausstoßen. Größere Tiere tendieren zu tieferen Tönen, kleinere zu höhern. Das nennt man Allometrie. Das ist aber bei den Wapiti nicht der Fall. Die Wapiti produzieren hohe, pfeifende Töne. Forscher aus Essex wollten der Sache auf den Grund gehen. In Neuseeland gibt es eine Zuchtstation für Wapiti, und da konnten sie die Tiere aus nächster Nähe aufnehmen. Bei der Analyse der Tondaten gab es eine Überraschung: Jedesmal, wenn man ein Wapiti hörte, mit seinen hohen Tönen, hörte man auch einen Rothirsch, mit seinen tiefen Tönen. Nur: Es gab dort gar keine Rothirsche. Die Erklärung: Die Wapiti selbst produzieren sowohl die hohen als auch die tiefen Töne. Jetzt versuchen die Forscher herauszufinden, wie und warum die Wapiti beide Töne ausstoßen. Es gibt aber noch eine andere Frage, die über das Thema hinausgeht: Warum haben andere Studien das Röhren der Wapiti nicht beachtet, sondern immer nur das hohe Tuten behandelt? Beide Töne waren in den Daten präsent, aber die Forscher haben den tiefen Ton nicht bemerkt. Das wirft ein interessantes Licht auf die Wissenschaft: Wir sehen nur das, wonach wir suchen. Wenn man aber einmal weiß, dass es da ist, kann man das Röhren der Wapiti nicht mehr überhören. (Haas, Lucian: “Das Paradoxon der Wapiti. Hirschruf mit Doppel-Effekt”, in:  DLF 21/04/2016) 

 

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