Reines Bier?

Nach dem Reinheitsgebot von 1516 durften nur noch Hopfen, Gerste und Wasser verwendet werden beim Brauen. Und das hatte seinen Grund. Bis zum späten Mittelalter gab es Hopfen nur im Norden, im Süden wurde er durch Kräuter ersetzt. Darunter waren Schleihe, Wacholder, Kümmel, aber auch Stechapfel und Bilsenkraut, und die waren giftig. Außerdem bekam das Bier seine Farbe nicht immer durch den Hopfen, sondern auch durch Baumrinde oder Ruß. Das Reinheitsgebot war also dringend notwendig. Es war eine gesundheitspolitische Maßnahme. Aber auch eine wirtschaftliche. Dadurch, dass nur noch Gerste verwendet werden durfte, verhinderte man, dass Weizen zum Einsatz kam. Denn den brauchte man für das Brot.  Auf das Reinheitsgebot schwört jeder deutsche Biertrinker. Hört sich ja auch gut an. Aber das Reinheitsgebot hat seine Tücken. Das alte Reinheitsgebot war eher ein Verbraucherschutzgesetzt oder ein Drogengesetz. Das Problem beim Bier war nämlich, dass es viel Nachfrage und nicht genug Rohstoffe gab. Deshalb wurde gepanscht, und das ging auf Kosten der Gesundheit. Und das Reinheitsgebot kannte immer schon Ausnahmen. Auch wenn gesagt wird, es bestehe schon seit 500 Jahren. Schon bald nach dem Gesetz von 1516 wurden wieder Salbei, Koreander und Lorbeer erlaubt. Und Ausnahmen gab es auch später immer wieder. Und den Begriff Reinheitsgebot gibt es sowieso erst seit dem 19. Jahrhundert. Auch heute gibt es in Deutschland Ausnahmen vom Reinheitsgebot. Auf Antrag kann man historische Biere brauen, die ohne Beachtung des Reinheitsgebots gefertigt werden. Das Reinheitsgebot verstößt vermutlich auch gegen EU-Recht, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die erste Klage dagegen eingereicht wird. Bis dahin kann es aber dazu kommen, dass ausländische Biere in Deutschland prämiert werden, aber nicht vertrieben werden können. Absurd.  (“Nationalmythos Bier”, in: SWR 2 Forum: 21/04/2016)

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