Ein verstörendes Exponat findet sich mitten in der Ausstellung. Es ist eine in Kalkputz geritzte Darstellung der Kreuzigung, eine der ältesten überhaupt. Aber sie stammt nicht von den Christen! Es ist eine Spottzeichnung. Christus wird mit dem Kopf eines Esels dargestellt! Für die „heidnischen“ Römer war der Esel ein verachtenswertes Tier, die Kreuzigung die schändlichste aller Hinrichtungsarten, etwas für Schwerverbrecher und Sklaven.
Den Römern muss das Christentum befremdlich erschienen sein. Das Gebot der Nächstenliebe wirkte wie eine Aufforderung zu sexueller Ausschweifung, die Eucharistie wie Kannibalismus.
Das bringt einen zu Petrus und Paulus. Sie wurden vermutlich unter Nero hingerichtet, aber ob im Zusammenhang mit dem Brand Roms oder nicht, ist unklar. Petrus wurde, auf eigenen Wunsch, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt. Für Paulus kam eine Kreuzigung nicht in Frage. Er war römischer Bürger und hatte „etwas Besseres“ verdient. Er wurde enthauptet.
Ganz zu Beginn der Ausstellung sieht man (in Kopie) ein riesiges Ölgemälde eines polnischen Künstlers. Es zeigt, wie Nero auf einer Sänfte zu einer Hinrichtung getragen wird. Christen, die Brandstifter, werden getötet, sie werden verbrannt! Warum ein polnischer Künstler? Die Polen identifizierten sich nach der Teilung Polens mit den unter Nero hingerichteten Christen!
Ein weiteres ganz besonderes Exponat ist das Mindener Kreuz. Auf der Vorderseite ist im Zentrum eine Kamee mit dem Profil eines Kaisers. Es ist Nero! Wie kommt Nero auf ein christliches Kreuz? Man wusste nicht, dass es Nero war, man glaubte, es wäre Karl der Große, und der war der Gründer des Mindener Doms! Auf der Rückseite, dort, wo auf der Vorderseite Nero ist, befindet sich ein Kreuz. Nero, der vermeintliche Christenverfolger, auf einem christlichen Kreuz! Vermutlich stammt die Kamee von einem Vorgängerkreuz. An der Vorderseite sind an den vier Kreuzesenden die vier Evangelisten zu sehen, auf der Rückseite die vier Kirchenväter.
In einem Kupferstich sieht man Christen als menschliche Flammen. Es kursierte das Gerücht, Nero habe sie zur Beleuchtung Roms aufgestellt. Trotz der Ablehnung der Christen durch die Römer waren solche Gerüchte dazu angetan, Mitleid mit den Christen zu erwecken.
In einem Blatt der Trierer Apokalypse, noch ganz in der antiken Tradition stehend, erscheint die Hure Babylon, voll vom Blut der Märtyrer, in der Gesellschaft von Sieben Königen, Königen, die sich ihr unterworfen haben. Dies ist eine Referenz auf einen Auszug aus der Geheimen Offenbarung. In der christlichen Tradition wurde die Hure oft mit Nero identifiziert, auch das aus dem Meer aufsteigendem Untier und die Zahl 666 wurden mit Nero identifiziert. Nero war der Antichrist.
Im Zentrum der Ausstellung stehen Exponate zur christlichen, zur jüdischen und zur römischen Religion.
Die römische Religion war eine Opferreligion. Auf den Glauben kam es nicht an, auch nicht auf den Lebenswandel. Im Grunde war die römische Religion eine tolerante Religion, die allerdings Blutopfer und Kaiserkult einforderte.
Der Opferaltar stand vor dem Tempel, im Tempel stand das Kultbild der Gottheit. Neben Tieren wurden auch Statuetten, Blumen und Münzen geopfert. Es gab Altäre ohne Tempel, aber keine Tempel ohne Altäre.
Bei Tieropfern wurde das Tier vor dem Opfer mit einem Hammer betäubt. Das sieht man hier auf einem wunderbaren Gemälde, auf dem neben dem Opferstier ein Mann mit erhobenem, langstieligem Hammer steht.
Für die Münzopfer gab es auch besondere Vorrichtungen, wie hier an der Figur einer Tyche zu sehen, die einen Schlitz zwischen den Händen hat, in dem man die Münzen warf. Das war der Vorläufer des christlichen Opferstocks und des kapitalistischen Sparschweins.
Die Toleranz der römischen Religion zeigt sich auch in den verschiedenen Mischformen und im Import fremder Götter. Dazu gehörten Kybele und Isis. Einheimische Götter wurden mit römischen vermischt oder verbreiteten sich unter anderen Vorzeichen. Hier sieht man ein Relief der keltischen Göttin Epona, auf einem Pferd sitzend, mit einer Schale mit Früchten in der Hand. Sie war eine Göttin der Fruchtbarkeit, wurde dann aber im ganzen Reich verehrt, bis nach Afrika, aber als Heeresgöttin!
Ein besonderes interkulturelles Paar bildeten Rosmerta und Merkur. Der wurde in den Provinzen mehr als jeder andere Gott verehrt. Sein typisches Attribut ist der Caduceus, ein Stab mit zwei Flügeln und zwei Schlangen. Oft erscheint er in der Gesellschaft von Rosmerta, hier vertreten mit einem schönen Bronzekopf (auf dem noch Spuren der Vergoldung zu sehen sind), der vermutlich Teil einer lebensgroßen, verlorengegangenen Statue war. Sie sieht traurig aus, nachdenklich, den Kopf leicht gesenkt. Das Haar ist kunstvoll geflochten und hat vorne eine Schleife. Die Statue wurde in einem Merkurgrab gefunden.
Im Zentrum der römischen Religion stand die Kapitolinische Trias, Jupiter zwischen Minerva und Juno, in der Ausstellung durch eine Kalksteinstatue vertreten. Obwohl nicht ganz erhalten, kann man deutlich den Unterschied zwischen den beiden Göttinnen sehen, und es kommt mir so vor, als seien hier zwei Seiten der Weiblichkeit dargestellt.
Neben den offiziellen Göttern gab es private Götter, Laren, Penaten und Genien, Schutzgötter, die oft auf die individuelle Familie zugeschnitten waren oder auf eine Gemeinschaft. Man konnte sie sich sozusagen aussuchen. Auch hier steht das Christentum mit seinen Heiligen, aus denen man sich auch seine Favoriten aussuchen konnte, in der heidnischen Tradition. Auch der Opferaltar einer römischen Familie, der hier nachgebildet ist, lässt schon die christlichen Hausaltäre erahnen.
Unter byzantinischem Einfluss kam später auch die Verehrung des Kaisers als Gott nach Rom. Auf einem Kalkstein befindet sich eine Inschrift, die einen Mann als Priester des Augustus nennt.
Die Juden hatten zunächst eine angesehene Stellung im Römischen Reich. Ihr Einfluss ging bis ins Kaiserhaus. Sie waren von Kaiserkult befreit! Die Christen nicht. Dann gab es die ersten Attacken gegen die stadtrömischen Juden. Es ging ums Geld. Um die Tempelsteuer. Und dann, unter Vespasian, gab es den ersten jüdischen Krieg. Auf einer Kopie sieht man die berühmte Szene auf dem Titus-Bogen, wo Menora und Silberpfeifen aus Jerusalem abtransportiert wurden, mit der brennenden Stadt im Hintergrund.
Juden und Christen waren sich ursprünglich sehr nahe. Dass sie sich dann begannen, voneinander abzusetzen, sieht man hier an Alltagsgegenständen: Eine Öllampe zeigt die Abbildung der Menora.
Die Ähnlichkeit ist auch erkennbar an den Modellen einer Synagoge und einer Kirche, beide aus einer antiken Stadt in Syrien: Beide waren ursprünglich Wohnhäuser und wurden erst später umgewidmet. Beide sehen ähnlich aus. Und sie standen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander.
Die Christen kannten im Gegensatz zu den anderen Religionen keine Blutopfer. Christ wurde man durch die Taufe. Hier ist ein Graffiti ausgestellt, in Liebfrauen gefunden, aus dem alten Dom stammend, das eine Anspielung auf die Taufe enthalten könnte. Aber in den ersten Jahrhunderten gab es noch keine Taufrituale. Das änderte sich dann, und man glaubt, dass die Vorbereitung auf die Taufe bis zu drei Jahre dauern konnte.
Im Gegensatz zum Judentum war im Christentum der Missionsgedanke zentral. Deshalb verbreitete es sich so schnell, von Palästina über Ägypten, Syrien, Kleinasien, Griechenland nach Rom.
Der Missionsgedanke steht auch hinter der (die Chronologie völlig missachtenden) Legende der Aussendung des ersten Trierer Bischofs, Eucharius, durch Petrus. Eucharius und Maternus waren bereits auf dem Rückweg nach Trier, als Maternus unterwegs der Tod ereilte. Eucharius ging zurück nach Rom, bekam von Petrus den Bischofsstab, ging zurück, erweckte Maternus mit dem Bischofsstab wieder zum Leben und ging mit ihm weiter nach Trier. Der Bischofsstab kam nicht nach Rom zurück, und deshalb trägt bis heute der Papst keinen Bischofsstab! Der Stab war ursprünglich vermutlich ein antiker Senatorenstab. Nach einigen Verwicklungen wurde er in drei Teile geteilt, von denen einer in Prag, einer in Köln, einer in Limburg (früher Trier) ist. Der Limburger Stab gehört zur Ausstellung, ist aber jetzt wegen der Einführung des neuen Bischofs von Limburg entfernt worden.
Eine weitere Besonderheit des Christentums war das Märtyrertum. Dazu gibt es hier ein ganz besonderes Ausstellungsstück mit lokalem Bezug. Es ist ein barocker Schrank, ein Schränkchen eher, eine Art Sekretär, der leergeräumt worden ist, um einer Heerschar von Wachsfiguren Platz zu machen, die auf verschiedenen Ebenen drei Szenen darstellen, alle verbunden mit der Thebäischen Legion. Das waren, der Legende zufolge, römische Soldaten aus Nordafrika, die sich zum christlichen Glauben bekannten und in Trier, zusammen mit zahlreichen Trierer Bürgern, den Märtyrertod starben. Ziemlich sicher ist das eine Legende, denn für die Zeit, die Regierungszeit Diokletians, sind keine Christenverfolgungen in Gallien bekannt.
Im oberen Teil, dem Hauptteil, vor der gemalten Stadtansicht von Trier, spielt sich die Szene der Tötungen ab, hochdramatisch ausgestaltet: Ein Soldat erhebt das Schwert, um einen knienden Mann zu enthaupten, ein Soldat schlägt mit einer Axt auf eine liegende Frau im Brokatkleid ein, ein Soldat überrennt mit seinem Pferd eine zu Boden stürzende Frau. Ein Gemetzel. Der genaue Ort des Geschehens ist durch ein Kreuz gekennzeichnet, das noch heute an gleicher Stelle steht, vor St. Paulin.
In der mittleren Ebene wird in merkwürdigem Kontrast dazu die Anbetung des Osterlamms dargestellt, in der unteren Ebene der Abtransport der Leichen. Auf Schubkarren werden Leichen entsorgt; der Boden ist mit Knochen und Körperteilen bestreut.
Unter Nero, und das ist eine der „Lehren“ dieser Ausstellung, gab es, entgegen der landläufigen Vorstellung, keine Christenverfolgung. Die Aktion gegen die Christen wegen des Brands war eine Strafmaßnahme. Die Christen, eine obskure Sekte, von deren Existenz er selbst möglicherweise gar nicht wusste, kamen ihm als Sündenböcke gerade recht. Dabei kamen ihm die allgemeinen Vorurteile gegen die Christen zugute, die sich abgesondert hatten und als Außenseiter oder Staatsfeinde galten. Die wichtigste Quelle für den Brand von Rom ist Tacitus. Er selbst hielt die Christen für eine gefährliche Sekte, aber hielt sie nicht für schuldig an dem Brand.
Die ersten Maßnahmen gegen Christen gab es unter Trajan. Aber es war noch keine systematische Verfolgung. Die Christen blieben unbehelligt, solange sie nicht angeklagt wurden. Nicht der Staat brachte die Anklage vor, sondern einzelne Bürger. So fördert man Denunziantentum. Die Christen brauchten aber, wenn angeklagt, nur das Opferritual vollziehen, dann war alles in Ordnung.
Ein prominentes Opfer der Verfolgung unter Trajan ist der Hl. Ignatius. Er wurde der Legende nach den Löwen vorgeworfen. Auf einer Ikone sieht man ihn, im vollen Bischofsornat und einem Buch in der Hand, von zwei Löwen umgeben, einen zu seinen Füßen, einen auf seiner Schulter. Die Löwen haben merkwürdig menschliche Gesichter.
Die erste systematische, reichsweite Christenverfolgung gab es unter Decius. Sie war politisch bedingt. Die logische Verknüpfung was so: Decius führte Kriege gegen Perser und Germanen. Das verursachte Ebbe in der Staatskasse. Also waren die Götter zornig. Und daran waren die Christen schuld, denn sie opferten den Göttern nicht. Alle mussten vor einer Kommission erscheinen und das Opfer darbringen. Dazu gibt es zwei wundervolle Ausstellungsstücke: Opferbescheinigungen auf Papyrusstreifen. Der Text war vorgefertigt, und es musste nur noch der Name des Christen eingetragen werden. Das klingt alles sehr vertraut, und auf verquere Art modern. Ebenfalls vertraut ist ein anderer Aspekt: Es gab Christen, die sich die Bescheinigung erkauften. Und römische Beamte, die das Spielchen mitmachten.
Ein prominentes Opfer der Verfolgung unter Decius ist die Hl. Agatha. Von ihr gibt es hier eine Terrakotta-Figur, die sich mit entblößter, blutender Brust an einem Marterpfahl darstellt.
Unter Valerius ging es nicht mehr um den Einzelnen, sondern um das Christentum an sich. Es wurde systematisch bekämpft. Zu den Maßnahmen gehörten ein Versammlungsverbot und das Verbot des Betretens christlicher Friedhöfe. Außerdem wurden Christen vom Senatorenamt ausgeschlossen und verloren andere Rechte.
Ein bekannter Märtyrer aus der Zeit des Valerius ist Laurentius. Er ist hier vertreten mit einem Relief aus der Liebfrauenkirche in Trier. Laurentius führt dem Kaiser den geforderten „Schatz der Kirche“ vor. Statt einer Truhe mit Geld bringt er ihm Arme, Kranke und Schwache, den Schatz der Kirche.
Die Verfolgungen endeten mit dem Toleranzedikt von Galerius (311). In Anspielung auf diese Zeit gibt es eine Sandsteinfigur des Eucharius mit einem an einer Kette gefesselten Ungeheuer. Der Symbolcharakter ist nicht zu übersehen.
Und daneben, zum Schluss der Ausstellung, noch mal ein ganz außergewöhnliches Exponat. Dem sieht man seine Bedeutung nicht an. Im Gegenteil, man fragt sich, was das hier zu suchen hat. Es ist das Korso einer ehemals voll ausgebildeten Statue. Die stellte vermutlich Venus dar. Es ist nur noch der abgerundete Rumpf und der irgendwie formlose Unterkörper zu sehen. Man glaubt sich an eine moderne Skulptur erinnert. Wie kam es zu der Beschädigung, die fast eine Form von Zerstörung ist? Es ist eine Form von Ikonoklasmus. Die Statue stand vor St. Matthias in Trier und wurde jahrhundertelang von Pilgern mit Steinen beworfen – als Götzenbild.
(Sonderausstellung im Dommuseum Trier)