Nero (2)

Nero folgte seinem Adoptivvater Claudius auf den Thron. Er wurde damit der 5. Römische Kaiser. Er beging schon mit 30 Selbstmord. Mit seinem Tod ging eine  friedliche und für die einfachen Menschen gute Kaiserzeit zu Ende.

Die Ausstellung zeigt nicht den „wahren“ Nero, sondern das – oft verzerrte – Bild, das man sich im Laufe der Jahrhunderte von ihm gemacht hat. Nero war für die Nachwelt einerseits ein lächerlicher Möchtegernkünstler, andererseits der Inbegriff des Bösen.

Einer der Schwerpunkte der Ausstellung ist das Nachleben von Nero auf der Bühne und im Film und im Buch. Gleich zu Anfang gibt es eine beeindruckende Menge von Werbeplakaten für Filme, die Nero zum Gegenstand haben, auch wenn er nicht immer im Titel erscheint: Mio figlio Nerone, The History of Mankind, Le calde notte di Popea. Auch einer der ersten Filme überhaupt, ein Film, der nur eine Länge von einer Minute hat, hatte Nero zum Thema. Es gibt sogar ein Brettspiel, das Nero heißt. Und dann gibt es natürlich Quo vadis? Das Buch, für das Sienkiewics den Nobelpreis bekam, gibt es hier in verschiedenen Ausgaben. Und Szenen aus dem Film mit Peter Ustinov. Der Film verbindet die legendäre Begegnung von Jesus und Petrus („Quo vadis, domine?“) mit Motiven der Christenverfolgung. Viele der Filme sind billige Machwerke, aber es gab auch schon in den fünfziger Jahren Filme, die sich kritisch mit dem eigenen Thema auseinandersetzten.

Das negative Image geht schon auf die ersten Biographen zurück. Der Mord an Britannicus, der Selbstmord Senecas, die Hinrichtung der Christen, der Brand Roms standen im Vordergrund. Flavius Josephus machte es sich zur Aufgabe, diese Vorstellung zu relativieren, aber das wirkte nicht nach. Die allererste Beschreibung Neros stammt von Sueton. Demnach war Nero eher schön als fein, hatte einen feisten Nacken und einen Schmerbauch. Die Beschreibung entstand aber erst spät nach Neros Tod.

Mittelalterliche Auslegungen nahmen antike Quellen als Ausgangpunkt und schmückten sie nach Belieben aus. Nero wird vor allem als Lüstling dargestellt. Er soll Sex mit der Mutter und der Schwester gehabt und einen Mann zur Frau gehabt haben.

In einem Tarotspiel sieht man eine Karte, auf der Nero beim Brand von Rom ein Kind in die Flammen wirft. Nero war, als der Brand ausbrach, allerdings gar nicht in Rom. Er hielt sich auf seinem Landsitz in Antium auf. Der Brand vernichtete ein Drittel Roms. Nero kam sofort zu Hilfe, öffnete seine Privatgärten als Notunterkünfte, ließ Lebensmittel herbeischaffen. Und sein eigener Palast wurde zerstört. Allerdings ließ er dann die noch viel größere und prächtigere Domus Aurea errichten (von deren Kolossalstatue das Kolosseum seinen Namen hat), und das brachte ihn in den Verdacht, von dem Brand profitiert zu haben.

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit galt Nero einfach als Ungeheuer. In der Apokalypse des Beato de Liébana erscheint er als apokalyptischer Tyrann. In der Weltchronik des Jans Jansen wird ein Thema aus der Geheimen Offenbarung aufgenommen, in der von der Geburt einer Kröte die Rede ist. Aus der Chronik wird  ein Bild in hellen Farben gezeigt, das Nero liegend darstellt, mit einer kindlich wirkenden Krone auf dem Kopf. Zu seinen Füßen ein Bottich mit der Kröte. Der Legende nach hatte Nero versucht, schwanger zu werden und ein Kind zu gebären, um seine Göttlichkeit unter Beweis zu stellen, denn nur den Göttern war es vergönnt, das Geschlecht zu wechseln. Das sahen die Christen als Sakrileg an, als  Verstoß gegen die gottgewollte Ordnung. Die Legende wurde etymologisch untermauert, indem man unterstellte, das Wort Laterana basiere auf dem Wort für ‚Kröte‘. Die Kröte stand gleich für drei Todsünden: Habsucht, Hochmut, Wollust.

Seinen Durchbruch als Thema schaffte Nero in der frühen Neuzeit. Aus dieser Zeit sind Kupferstiche, Federzeichnungen, Radierungen vertreten. Nero, ziemlich realistisch dargestellt, nach dem Vorbild der Darstellung auf antiken Münzen, mit zusammengebissenen Lippen, vorgeschobenem Kinn, Hakennase, angestrengter Mimik. Auch ein Stuckwerk von der Rathauslinde in Köln zeigt ihn so.

Claudius hatte Neros Mutter Agrippina geheiratet und ihn als Adoptivsohn angenommen. Sein ärgster Konkurrent war Britannicus, der Sohn Claudius‘. Der soll von Nero vergiftet worden sein. Dazu gibt es hier ein wunderbares, großformatiges Ölgemälde von Sylvestre, in dem das Gift an einem Sklaven ausprobiert wird. Der Sklave windet sich unter den Augen Neros und der Giftmischerin Locusta am Boden, im Todeskampf. Locusta, dunkelhäutig, mit Zopf und Ohrringen, an eine Zigeunerin erinnernd, stützt einen Arm vertraulich auf das Bein Neros. Das Gift gegen Britannicus soll bei einem Festessen eingesetzt worden sein. Allerdings ignoriert die Legende, dass es damals noch gar kein so schnell wirkendes und unauffälliges Gift gab!

Nero nahm sich das Leben, indem er sich einen Dolch in die Kehle stieß. Das wird hier auf einem dramatischen Ölgemälde dargestellt. Ein ganzes Bündel von Menschen stürzt sich auf ihn wie Ringer, um ihn vom Selbstmord abzuhalten. Historisch, sagt man, sei er eher zum Selbstmord angestiftet worden.

Ein verwandtes Motiv ist der Selbstmord Senecas. Seneca wurde als Erzieher Neros von Agrippina an den Hof geholt. Verzicht und Askese waren seine Leitmotive. Selbst war er aber einer der reichsten Männer Roms. Seneca soll von Nero zum Selbstmord angestiftet worden sein. Der Selbstmord wird auf einem Ölgemälde von Honthorst (XVII) in dramatischem Chiaroscuro dargestellt. Ein Arzt schlitzt mit einem Messer die Venen Senecas auf, ein anderer reicht ihm den Schierlingsbecher. Aus den Armen läuft Blut. Senecas Füße ruhen in einer Schüssel mit Wasser. Das soll den Prozess beschleunigen. Seneca, mit entblößter Brust und gepflegtem Bart, hat eine würdige Haltung. Das Licht, dessen Quelle nicht sichtbar ist, aber das Teile des Bildes stark erhellt und schwere Schatten wirft, fällt auf ihn.

Dasselbe Motiv erscheint auf einem anderen Ölgemälde. Altomonte, der Maler, verlegt die Szene ins Freie! Hier ist Nero bei dem Selbstmord Senecas präsent, in einer Sänfte sitzend, auf der linken Seite des Gemäldes. Seneca erscheint auf der rechten Seite. Farblich sind die beiden Bildhälften voneinander abgesetzt. Links dominieren Braun und Rot, rechts dominieren Grün und Weiß. Die Gesten der Beteiligten sind manieriert, trotz des dramatischen Ereignisses.

Ein besonders schönes Gemälde hat den Brand von Rom zum Thema. Das Gemälde, von Hubert Robert, dem „Ruinenmaler“, zeigt das nächtliche brennende Rom im Hintergrund, aus der Ferne durch einen erhöhten Arkadengang betrachtet. Die roten Flammen heben sich von dem dunklen Hintergrund ab und haben ihre eigene Schönheit. Bei einem solchen Gemälde erfährt der Betrachter, laut Burke, das „Erhabene“, das „Sublime“, ein wonnevolles Grauen angesichts der Darstellung von Gefahr oder Schmerz.

Eine interessante Geschichte hat eine Gipsfigur von Emilio Gallori (XIX), die Nero in Frauenkleidern darstellt, mit männlichen Gesichtszügen, aber weiblicher Pose. Sie erregte Unmut und wurde von der Wiener Weltausstellung ausgeschlossen, unter dem Vorwand, es handele sich um eine Gipsfigur und es würden nur Marmorfiguren akzeptiert. Bis heute ist schwer zu entscheiden, was die Figur eigentlich darstellt. Ist es Nero auf der Bühne? Man weiß, dass Nero mehrmals auch in Frauenrollen auftrat. Oder ist es eine Anspielung auf seine Hochzeiten? Er vermählte sich zweimal mit freigelassenen Sklaven, Sporus und Pythagoras. In einem Fall übernahm er die Rolle des Bräutigams, in dem anderen die der Braut.

Eine Bronzefigur (der Abguss eines Originals, das ebenfalls aus Gips war) zeigt Nero mit Seneca. Seneca hat eine Schriftrolle auf dem Schoß. Er weist mit einem Finger darauf. Nero sitzt ihm gegenüber, lässig zurückgelehnt, eher gelangweilt. Seneca macht dagegen einen konzentrierten, engagierten Eindruck. Hinter ihm steht eine Trommel, die weitere Schriftrollen enthält.

Im oberen Stockwerk ist das goldbestickte Seidengewand der Kaiserin Kunigunde (Reproduktion) mit Szenen aus der Petrus-Vita zu sehen. Hier sieht man, wie Nero von Wölfen gerissen wird. Der christlichen Legende zufolge hatte er aus Rom flüchten müssen und war in den Wald geraten, nachdem es einen Aufstand gegeben hatte wegen der Hinrichtung von Petrus und Paulus.

Auf einem kleinformatigen Bild wird dargestellt, wie Sporus auf Befehl Neros entmannt wird. Er hatte Sporus in Frauenkleider gesteckt und nach Frauenart geschmückt. Dies gehört zu den historisch nicht nachgewiesenen Grausamkeiten Neros. Historisch verbürgt sind die Ermordungen von Agrippina, seiner Mutter, und von Octavia, seiner ersten Ehefrau. Die soll auf Betreiben seiner damaligen Geliebten Poppea getötet worden sein. Auf einem Gemälde wird dargestellt, wie dem im Halbdunkel auf einer Bank sitzenden Paar das Haupt der getöteten Octavia auf einem Tablett präsentiert wird, eine Szene, die an die Geschichte um Salome erinnert.

Historisch nicht verbürgt ist die Tötung von Poppea, Neros zweiter Ehefrau. Sie ist hier mit einem sehr schönen Portrait vertreten, mit feinen Gesichtszügen und einem hauchdünnen, weißen Schleier, der ihr vom Kopf über die Schulter fällt. Nero soll sie durch einen Fußtritt in den Unterleib während ihrer Schwangerschaft getötet haben. Heute geht man eher von Schwangerschaftskomplikationen als Grund für ihren Tod aus.

In einem Kupferstich (XVI) sieht man Messalina, Neros dritte Frau. Mit ihr reiste er nach Griechenland, zu den Olympischen Spielen. Sie hatte keine so große Nachwirkung wie Poppea, seine zweite Frau.

Aus dem Rahmen fällt ein Gemälde von Smirnow, einem russischen Maler, das den Tod Neros schildert. Nero liegt auf dem gepflasterten Boden, wohl im Freien, vor einer Marmorstufe. Blut läuft aus seinem Kopf. Er ist nicht als Kaiser kenntlich gemacht. Hinter ihm, auf einem Gehweg, sind zwei Frauen mit einer Trage zu sehen, mit verzierten Griffen. Sie sind gekommen, um den Toten zu bestatten. Im Zentrum des Gemäldes steht seine letzte Geliebte, eine befreite Sklavin, die einzige, die ihm die Treue gehalten hat. Sie trägt Ohrringe und einen Schleier und blickt sinnierend auf den toten Nero.

Dieses Gemälde gehört noch in die letzte Phase des Nero-Booms, den es im 19. Jahrhundert gab, parallel zur Historienmalerei der Epoche. Im 18. Jahrhundert war Nero ins Abseits geraten. Davor gab es seit der Renaissance Dramen über Nero, meist mit zeitgenössischem Bezug. Von zentraler Bedeutung was Britannicus von Racine. Die Aufführungspraxis änderte sich im Laufe der Zeit, u.a. durch die Einführung historischer Kostüme statt zeitgenössischer Kostüme, und auch das Bild von Nero änderte sich. Führende französische Schauspieler traten in dem Stück auf, darunter Talma, den man hier als nachdenklichen Nero mit Lorbeerkranz in antikem Kostüm auf einem Gemälde von Delacroix sieht. Die Darstellung erinnert auch an Napoleon, den Talma verehrte.

In der Oper war Nero vor allem in Italien von Bedeutung, in Dramen vor allem in England und Frankreich. Liebesgeschichten und Hofintrigen standen im Vordergrund. Auf einem Ölgemälde sieht man das aufwändige Bühnenbild der Oper Nero von Mascagni, in der es um Nero als Künstler ging. Eine riesige Palastanlage, in der ein römisches Gelage stattfindet, bildet den Vordergrund. Im Hintergrund läuft auf einer erhöhten Bühne eine Szene aus der Oper, vor einer reichen, bunten Kulisse mit klassischen Säulen. Auf der Bühne sind fast so viele Figuren vertreten wie bei dem Gelage. Musikalisch wurde das Thema auch von Händel, Monteverdi und Boito behandelt. Aus Händels Oper sieht man hier einen Teil der Partitur.

Die einzig komische Variante ist Quo vadis?, eine Zarzuela von Chapí, Sie handelt von einem Arbeitslosen, der durch ein magisches Brötchen eine Zeitreise antritt, auf der er Nero, dem Cid und dem Emir von Cordoba begegnet.

Eine ganz exzentrische Behandlung des Themas stammt von vier russischen Künstlern, darunter Malevich. Die Besonderheiten der Oper waren eine unverständliche Handlung, gewolltes Falschsingen, nicht gestimmte Instrumente und dadaistische Texte. Die Oper hieß Sieg über die Sonne. Sie erlebte nur zwei Aufführungen.

Am Schluss der Ausstellung gibt es noch moderne Karikaturen zu Nero. Immer wird das Motiv des leierspielenden Nero vor dem brennenden Rom aufgenommen, eine weltweit bekannte Ikone. Als Nero erscheinen in den Karikaturen heutige Berühmtheiten wie Berlusconi, Bush oder Blatter. (Sonderausstellung im Stadtmuseum Trier)

 

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