Nero (3)

Neun Millionen Euro beträgt die Versicherungssumme für die Nero-Statue aus dem Louvre, die den jungen Nero zeigt. Er trägt eine Knabentoga. Die Toga zu tragen war ein Privileg. Die Knabentoga wurde mit 14 gegen die Toga der Erwachsenen getauscht. Nero wurde schon mit 13 für volljährig erklärt. Nero hält eine Schriftrolle in der Hand, als Zeichen von Bildung, und hat um den Hals ein Schutzamulett, Zeichen des Freigeborenen. Für das Amulett gab es eine Schatulle. Davon wird ein Exemplar neben der Skulptur gezeigt. Das Obergewand hat noch Farbreste, Purpur, auch ein Zeichen von Klasse. Nicht nur wegen der Versicherungssumme ist diese Skulptur eins der meistbeachteten Ausstellungsstücke.

Im gleichen Raum der Kopf einer Statue von Agrippina, der Mutter Neros, einer schönen Frau mit kunstvoll geflochtenem Haar und schönen, großen Augen. Man traut ihr die Ungeheuerlichkeiten, die ihr nachgesagt werden, gar nicht zu. Jedenfalls tat sie alles dafür, dass Nero Kaiser wurde. Sie heiratete ihren Onkel Claudius, den Kaiser. Dann sorgte sie dafür, dass Nero mit Octavia verheiratet wurde, der Tochter Claudius‘. Dafür musste die zuerst von einer anderen Familie adoptiert werden, um das Verbot der Geschwisterehe zu umgehen. Außerdem musste eine bereits bestehende Verlobung Octavias aufgehoben worden. Dazu wurde der Verlobte des Inzests beschuldigt. Schließlich sorgte sie dafür, dass Nero Vorzug gegenüber Britannicus bekam, dem Sohn Claudius‘. Das Verhältnis zu Britannicus blieb kompliziert, gespannt. Nero entstammte also einer Patchworkfamilie. Sein Vater, Ahenobarbus, ‚Bronzebart‘, war gestorben, als Nero zwei Jahre alt war.

Die Geburt Neros fiel genau mit dem Sonnenaufgang zusammen. Das wurde merkwürdigerweise als schlechtes Omen angesehen, jedenfalls von den späteren Schriftstellern, die das Urteil über ihn längst gesprochen hatten. Ebenso wurde seine Steißgeburt als schlechtes Omen gewertet. Man komme mit dem Kopf zuerst auf die Welt, befand man. Mit den Füßen zuerst trete man den Weg ins Jenseits an.

Schon früh wurde dafür gesorgt, dass Nero in Position gebracht wurde, was die Thronfolge angeht. Man sieht hier Münzen, auf denen sein Portrait mit dem Titel Princeps Iuventutis erscheint. Das war so etwas wie die Pole-Position für das Kaiseramt. Damit Nero Kaiser werden konnte, musste allerdings erst Claudius von der Bühne abtreten. Dafür sorgte, wie es hieß, eine Pilzvergiftung. Und die kam Agrippina und ihren Plänen so entgegen, dass die Mutmaßungen über einen Giftmord verständlich sind.

Tatsächlich wurde Nero mit 16 Jahren Kaiser! Er war der 5. und letzte Kaiser der julisch-claudischen Dynastie. Danach folgten die Soldatenkaiser. Auf einem Relief sieht man, wie Agrippina, mit dem Füllhorn ausgestattet, Nero krönt. Das war zwar nicht wörtlich wahr, wohl aber im symbolischen Sinn. Sie setzte alles daran, dass er Kaiser werden würde. An den Münzen ist abzulesen, wie sich das Verhältnis zu Agrippina im Laufe der Jahre veränderte: Auf den frühen Münzen erscheinen beide im Portrait, gleichberechtigt, einander ansehen, dann erscheinen beide im Profil, Agrippina halb von Nero verdeckt, und dann erscheint Nero alleine.

Die ersten fünf Jahre von Neros Amtszeit, das Quinquennium Neronis, galten als goldene Zeit. Aus dieser Zeit stammt ein Wandgemälde aus Pompeji, eins der bemerkenswertesten Exponate der Ausstellung. Man sieht den Ausschnitt einer Stadtlandschaft, mit einem hölzernen Kiosk, einem Gebäude mit Zeltdach, Bäumen und dem Amphitheater im Zentrum. Zum Amphitheater führen zwei große Freitreppen hinauf, und zwar direkt auf die höchsten Ränge. Im Amphitheater wird noch gekämpft, aber außerhalb sieht man Hooligans, die sich die Köpfe einschlagen. Genau das war passiert nach einem Spiel zwischen Pompeji und dem Nachbarort Nuceria. Es war zu blutigen Krawallen gekommen. Nero schritt ein und verbot die Spiele für zehn Jahre.

Dann geht es um Neros erste Residenz, den Palast auf dem Palatin, den er hatte ausbauen lassen und der sich bis zum Esquilin hinstreckte. Man sieht ein Stück der bunten Marmorverkleidung des Palastes, mit sehr schönen, geometrischen Figuren, die sich manchmal zu floralen Motiven zusammenfügen.

Dieser Palast, Domus Transitoria, wurde bei dem berühmten Brand von 64 vollständig zerstört. Brände waren in Rom an der Tagesordnung, aber diesmal waren die Windverhältnisse ungünstig, und der Brand war nicht in einem Privathaus, sondern im Circus Maximus ausgebrochen. Und schließlich war Wasser aus der öffentlichen Wasserleitung abgezweigt worden! Von den 14 römischen Stadtbezirken blieben nur 4 verschont, 3 wurden völlig zerstört. Schon seit Augustus gab es eine gut ausgerüstete Feuerwehr, 7000 Mann stark! Dazu sieht man hier wunderbare Exponate: einen Löscheimer aus Bronze, eine Axt aus Eisen, einen hydraulischen Pumpe aus Bronze, die einzige aus der Zeit erhaltene. Dazu gibt es verrußte Keramikteile und ein völlig verzogenes Eisengitter, Teil eines Eisentors. Unglaublich, dass sich so etwas erhalten hat!

Neros Krisenmanagement war vorbildlich. Einige Maßnahmen werden in der  Ausstellung auf Münzen dargestellt: Senkung der Getreidepreise, Verteilung von Geldmitteln, Wiederaufbau des Vesta-Tempels auf eigene Kosten. Vor allem aber traf er Maßnahmen zur Vorbeugung, alles sehr modern: Die erlaubte Häuserhöhe wurde verringert, die Häuser durften keine gemeinsamen Wände mehr haben, der Anteil von Holz bei den Häusern wurde verringert, verbindliche Löschmittel wurden festgelegt. Außerdem wurden die Wasserleitungen verbessert. Man sieht hier ein Wasserrohr aus Blei, auf dem der Name Nero zu sehen ist, und ein Steinquader, auf dem das erneuerte Aquädukt zu sehen ist. Nero traf Vorrichtungen, die verhindern sollten, dass Wasser für Privatzwecke abgezapft werden konnten.

Anstelle der Domus Transitoria errichtete Nero sich die noch prächtigere Domus Aurea, sehr zum Schaden seines Nachruhms. Deren luxuriöser, achteckiger  Festsaal ist hier nachgeahmt. An der Decke bewegliche Elfenbeinplatten, die das Himmelsgewölbe darstellen. Durch Löcher in den Platten konnten Rosenblätter auf den Boden geweht oder angenehme Aromen ausgeschüttet werden.

In der Mitte des Raumes steht ein rätselhafter Globus, wohl der älteste seiner Art. Er ist aus Messing und zeigt 48 Sternbilder. Was der allerdings mit der Domus Aurea zu tun hat und wo in dem Globus die Erde, vermutlich als Scheibe, versteckt ist, wird nicht klar.

Die Auffindung der Fresken in der Domus Aurea am Beginn der Neuzeit gab der Kunstgeschichte ein neues Wort: Die Fresken, die sich in der Kellern, in den „Grotten“ des Hauses befanden, hießen fortan Grotesken. Das hat nichts mit grotesk zu tun.

Im Eingangsbereich der Domus Aurea stand die sagenumwobenen Kolossalstatue Neros, von der das später auf diesem Gelände entstandenen Kolosseum seinen Namen erhielt. Von der Statue ist so gut wie nichts übrig, aber man kennt sie durch Abbildungen auf Gemmen und Kameen. Die Statue war 35 m hoch, aus Bronze, und Nero engagierte den berühmten Bronzegießer Zenodoros für ihre Herstellung. Hier sieht man eine Kopie im Kleinformat, mit dem Gerüst der Bauarbeiter als Maßstab an der Seite. Nachdem Nero in Ungnade gefallen war, entfernte man seine markanten Gesichtszüge und verehrte die Statue als die des Sonnengottes.

Unter dem Titel in Saus und Braus gibt es Exponate zu den Festmählern. Die spielten bei Nero eine große Rolle. Auf einer Wandmalerei aus Pompeji sieht man ein Trinkgelage, das nach einem Gastmahl stattfand. Sklaven bewirten die Gäste, ein Sklave zieht einem gerade eingetroffenen Gast die Schuhe aus, ein anderer hilft einem Betrunkenen auf die Beine!

Dann sieht man ein bauchiges, blaues Glasgefäß, ein Gefäß, in dem der Wein mit Wasser und Gewürzen gemischt wird. Es ist das größte erhaltene seiner Art. Nero selbst war begeisterter Weintrinker. Er bevorzugte Falerner Wein, Wein aus Kampanien.

Als Imitat sieht man Ess- und Trinkgeschirr aus Silber. Daneben ein Tischchen mit drei Füßen, auch aus Silber, das zusammenklappbar ist.

Auf einem Mosaik sieht man einige der beliebtesten Speisen der Zeit: grüner Spargel, Geflügel, Meerestiere, Datteln. Zu den beliebten Vorspeisen gehörten auch Siebenschläfer. Die wurden mit Honig und Mohn gegessen. Ein wirklich ungewöhnliches Ausstellungsstück ist ein großes Keramikgefäß, das zur Aufzucht der Siebenschläfer diente, mit Schalen und Griffen an den Innenwänden.

Nero war passionierter Anhänger von Musik und Theater. Er trat selbst auf der Bühne auf und spielte die Kithara. In dem Raum, der sich diesem Thema widmet, sieht man Theatermasken. Die Originalmasken waren aus Leder, Stoff oder Holz und sind nicht erhalten, wohl aber Nachahmungen aus Gips, die als Dekorationselemente verwendet wurden. Alle Masken sind sehr expressiv. Alle Schauspieler trugen Masken.

Auch originale Musikinstrumente sind zu sehen, Teile einer Wasserorgel, zwei Flöten, eine aus Bronze und Bein, eine aus Silber und Bein, und vor allem eine riesiges, rundes Horn, mit einer großen Schallöffnung am Ende. Auf einem Mosaik sieht man, wie ein Musiker das Horn spielt. Zwei Statuetten zeigen Flötenspieler, einer davon mit einer Doppelflöte.

Am Ende des Raumes in einer gesonderten Vitrine eine Kalksteinsäule mit einer Inschrift, eine Grabstele, die den ältesten komplett erhaltenes profanen Liedtext enthält, mit griechischen Buchstaben. Über dem Text finden sich Symbole, Buchstaben und Striche, die die Melodie wiedergeben.

Nero hatte ein großes Faible für Griechenland. Er reiste 66 mit großem Gefolge dorthin. Dabei machte er den ersten Spatenstich zum Bau des Kanals von Korinth. Dazu ist hier eine etwas verzogene, ursprünglich vergoldete Schaufelhacke zu sehen, mit der dieser erste Spatenstich gemacht worden sein soll. Nach Neros Tod wurde das Projekt wieder aufgegeben.

Nero nahm auch an allen möglichen Spielen teil und gewann eine Unzahl von Preisen. Die Termine der Spiele mussten seinetwegen verlegt werden. Zu den Spielen sieht man hier eine hochinteressante Grabstele, die eines Sportlers, der bei acht verschiedenen Spielen Kränze gewann. Solche Kränze sind auf der Stele abgebildet: ein Lorbeerkranz aus  Delphi, ein Kranz aus Olivenblättern aus Olympia, ein Kranz aus Schilf aus Actium, ein Kranz aus Getreideähren aus Neapel, ein Kranz aus Eichenlaub aus Smyrna usw.

Nero gewährte, als er in Griechenland war, den Griechen die Freiheit, und das beinhaltete auch Steuerfreiheit, eine Maßnahme, die in Rom für viel böses Blut sorgte. Auf einer Kalksteinplatte ist in dicht gesetzten Buchstaben der gesamte Text der schwülstigen Rede wiedergegeben, die Nero anlässlich der Verleihung der Freiheit im Stadion hielt.

Neros Stern ging immer weiter hinunter. Sein Desinteresse an Politik, Fehlentscheidungen, Mangel an Diplomatie, zahlreiche Verfehlungen brachten ihn die Bredouille. Allerdings war das Sündenregister nicht größer als bei anderen Herrschern, aber ihm wurde es stärker angekreidet.

Verlorene oder verlustreiche Kriege, Aufstände und schließlich die Tötung der beliebten Octavia beschleunigten seinen Niedergang. 68 wurde er vom Senat zum Staatsfeind erklärt. Er entzieht sich der für ihn vorgesehenen grausamen Hinrichtung durch Selbstmord. Allerdings hat er nicht den Mut, den Dolch in die Brust zu führen und muss seinen Begleiter Epaphroditos um Hilfe bitten. Er bekommt kein offizielles Begräbnis. Nur seine beiden Ammen und seine Geliebte Acte begleiten den Toten.

Bald setzte die Damnatio memoriae ein. Sein Name wurde aus Inschriften getilgt, wie man hier an einer Steinplatte sehen kann, oder seine Gesichtszüge wurden verändert, wie man hier anhand einer Büste sehen kann, die eigentlich Nero, dann aber Domitian darstellte. Auch auf Münzen sieht man, wie sein Profil mit Hämmern bearbeitet wurde. Auf einer Münze hat man seine Haartracht entfernt. Kaiser mit Glatze.

(Sonderausstellung im Landesmuseum)

 

 

 

 

 

 

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