Der Herr Sänger

Weil die Nachtigall nachts singt, heißt sie Nachtigall. Aber das erklärt nur den ersten Bestandteil des Wortes. Der zweite Teil, der für uns heute undurchsichtig ist, hat vielleicht eine ferne Verwandtschaft mit lat. gallus, ‚Hahn‘. Auf jeden Fall geht es auf die alte germanische Wurzel gal, gel zurück, und das bedeutet ‚tönen‘. Im Althochdeutschen bedeutet galan besonders singen, vor allem Zaubergesänge singen. Die Nachtigall ist also eine ‚Sängerin der Nacht‘. Die lateinische Entsprechung, luscinia, scheint auf luscicinia zurückzugehen, zusammengesetzt aus luscus, ‚dämmernd‘, und canere, ‚singen‘, also fast eine wörtliche Entsprechung des deutschen Wortes. Auf den lateinischen Diminutiv, lusciniola,  gehen die Bezeichnungen in den modernen Sprachen der Romania zurück wie ital. usignolo, in Gallien losseignol Daraus entstand auf dem Wege der Dissimilation von /l/ zu /r/, zur Vermeidung der Doppelung von /l/, das heutige franz. rossignol. Im Spanischen machte die Volksetymologie aus dem Vogel schließlich einen ‚Herrn‘: ruiseñor. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981:284-285)

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