5. August (Dienstag)
Über Kaiserslautern, wo es einen Japanischen Garten gibt, nach Rothenburg, ca. 350 Kilometer.
Der Terminus Alleinerziehender ist alles andere als klar, er kann sich auf jemanden beziehen, der wirklich allein ist, der in einer neuen Beziehung lebt oder der sich mit dem getrenntlebenden Ehepartner die Erziehungsaufgaben teilt.
Walters Chef auf den Spuren von Mrs. Malaprop: „Das ist eine richtige Syphilisarbeit“. Das sind die Verwüstungen, die der Zweite Bildungsweg hinterlässt.
Rothenburg: gleich am Eingang in die Stadt, am Röderturm, die Gerlachschmiede, ein geradezu märchenhaft schönes Haus, das auf allen Abbildungen erscheint, niedrig mit hohem, spitz zulaufendem und etwa schrägem Schieferdach mit Mansarden, einer Dreiecksfassade (Fachwerk mit Balken in Braun und Flächen in Beige) über einem hölzernen Portikus. Kaum vorstellbar, dass es wirklich eine Schmiede war (noch bis vor 40 Jahren betrieben!).
Über die schmale Straße vom Rödertor aus Richtung Rathausplatz. Keineswegs die erwarteten Massen von Touristen, die sich mühsam durch die Straßen schieben, wohl aber hoher „Ausländeranteil“, allen voran Japaner, dann Amerikaner, auch Holländer und Franzosen, und Russen!
„Schneeballen“ probiert, ein trockenes, großes, wie Krapfen schmeckendes Hefegebäck, das, mit Puderzucker bestreut, wie ein Schneeball aussieht.
Hafenstraße, aber kein Hafen weit und breit. Benannt nach Ofensetzern, Hafnern, die hier wohnten.
Neben dem Rathaus Käthe Wohlfahrts Weihnachtsdorf, in dem es das ganze Jahr über Weihnachtsartikel gibt. Wird hier als Rothenburger Einzigartigkeit gepriesen, in Bremen wird dasselbe von Bremen erzählt.
Jakobuskirche: Erhöhter Westchor über quer zur Kirche verlaufender Straße gebaut. Grund allerdings nicht leicht ersichtlich. Langhaus endet noch vor der Straße. Innen der Teil, der über die Straße führt, leider nicht zu sehen, abgesperrt.
Patrizierhäuser mit Flaschenzug am oberen Stockwerk: Bürger waren verpflichtet, Nahrungsvorrat für zwei Jahre zu lagern, wegen Belagerungen.
Lange, gut erhaltene Stadtmauer mit Wehrgang mit Holzdach und Türmen, auf dem man entlanglaufen kann. In die Mauer eingelassene Schilder mit Namen und Meterangaben sind Spendentafeln, Reminiszenz an den Wiederaufbau des östlichen Teils der Stadt nach Bombenangriff (1945). Durch Intervention des amerikanischen Staatssekretärs im letzten Moment zweiter Angriff und damit komplette Zerstörung verhindert.
Rathaus Doppelbau aus hinterem, getünchtem gotischem Teil (Giebel zur Seite) und zum Marktplatz ausgerichteten RNS-Teil aus Sandstein. Vor der Fassade barocke Arkaden und aufgesetzter Turm.
Am Stadtrand Kirche der Schäferbruderschaft mit ungewöhnlichem Patrozinium, Wolfgang, (Patron der Schäfer) und ungewöhnlicher Struktur: teils sakraler Bau, teils militärischer Bau mit Kasematten und Wehrgang auf dem Dachboden!
Baumeisterhaus: Patrizierhaus (XVI) am Markt mit Giebel und Sandsteinfiguren in zwei Reihen, stellen abwechselnd Laster und Tugenden dar, u.a. Mann mit Bierbauch für Völlerei.
Zur Kühlung entnimmt ein einziges AKW in Frankreich den Flüssen 500 Millionen Liter Wasser täglich!
Rothenburg hat Kennzeichen des ungeliebten Ansbachs.
6. August (Mittwoch)
Erste Station auf dem Radweg Colmberg (Ortseingangschild „Markt Colmberg“). Dort den kurzen, steilen Aufstieg zur Burg. Kam (XII) an Zollern, die der Kaiser später für ihre Hilfe mit Brandenburg belehnte. Heute in Privatbesitz, von einem örtlichen Gastronomen übernommen.
Weg eher langweilig. Wenig abwechslungsreiche Landschaft ohne jede Besonderheit und etwas eintönige Streckenführung. Am Wegesrand Hinweisschild nach Hürbel am Rangen (?).
Ausländisch klingender Name Rezat (Rezat-Stadion) Name eines Flusses.
Erstes Etappenziel Ansbach. Hotel Bürgerpalais stimmiges Pendant zur benachbarten Residenz, mit geschwungen eingefassten Spiegeln und Lampen, Portraits an den Wänden und langen, verzierten Vorhängen, alles in dezentem Beige und Zartrosa.
Durch das Sumpfgebiet der Rezat keine Ausdehnung jenseits der Stadtbefestigung möglich. Deshalb neue Staudtmauern auf alte gesetzt. Tore und ein kleines Stück erhalten.
Tore barockisiert. An einem, zur Landseite hin, eine Folge von ineinander übergehenden, barocken Bauten von gleicher Geschosshöhe, gelbe Fassaden, so angelegt, als solle demonstriert werden, wie barockes Ensemble aussehen soll. Uz-Straße nach Dichter benannt!
Auf großem Platz vor Residenz umstrittene Pferdeskulptur, später überall in der Stadt Skulpturen desselben Künstlers gesehen, die meisten nicht sonderlich schön, alle schwarz und groß, aber ein schöner, ausdrucksstarker Frauenkopf mit durchdringendem Blick.
Moderne Doppelskulptur Kaspar Hausers, der hier gelebt hat, einmal als Edelmann, einmal als Findling.
Platen-Geburtshaus in verstecktem Winkel der Altstadt, von dort zur Synagoge. Erhalten, da so eng in den Verbund der umstehenden Häuser integriert, dass Brand diesen gefährlich geworden wäre. Sprachproblem: In einer kleinen Reisebroschüre heißt es über Ansbach, es habe „die einzige, öffentlich zugängliche Synagoge Bayerns“. Bedeutungstagendes Komma!
Buch über das Leben Kaspar Hausers gekauft – in Kaspar-Hauser-Buchhandlung! Berühmteste literarische Fassung stammt von Wassermann, einem der wenigen Zeitgenossen, die vor Thomas Mann Gnade fanden.
Überall drei Fische als Symbol von Ansbach, u.a. als Skulptur und auf Kanaldeckeln.
Stadtbild geprägt von schöner Dreiturmfassade von St. Gumbertus, mit einem merkwürdigen barocken Anbau in Grau und Weiß, gleich an die romanische Kirche angebaut. Kirche innen auch barock umgestaltet, mit grauen hölzernen Sitzen und Emporen auf allen Seiten. Ebenfalls graue Kanzel gleich über ebensolchem Altartisch im Zentrum! Dahinter schräg versetzt die völlig andersartige vorreformatorische Schwanenkapelle, mit mittelalterlichen Retabeln und Grabplatten vollgestopft im Gegensatz zur protestantisch-kargen Kirche.
Bayern historisch kein homogenes Gebiet, teils Wittelsbacher, teils Agilolfinger, teils Bistum Eichstätt, teils freie Reichsstädte, teils Zollern (deren Gebiet dann an Brandenburg fiel und preußisch war, bevor es bayerisch wurde!), dann nochmals durch Reformation in zwei Lager geteilt.
Das <y> in bayerisch wurde erst von Ludwig I. aus Griechenland importiert, vorher war es bairisch. Hans Lutz/Roswitha Lang, Altmühltal-Radweg. Bielefeld: BVA, 2002: 10
Wort Mitarbeiter führt auf falsche Fährte: Beispiel für Sprache, die Denken beeinflusst.
Walter schreibt Bärbel am Mittag, als ich schlafe und am Abend, als ich schon wieder schlafe. Sie schreibt: „Grüß ihn von mir, wenn er mal wach ist“.
7. August (Donnerstag)
Am Morgen Residenz und nachher Schlosspark. Darin „Lindendom“, Promenade mit mehreren Reihen parallel zur Orangerie verlaufenden Linden. Denkmal des Dichters Uz und unweit davon Gedenkstein für Kaspar Hauser, an der Stelle, an der der Anschlag auf ihn verübt wurde: „Hic occultus occulto occisus est“ (Hier wurde ein Unbekannter auf unbekannte Weise ermordet).
In Residenz Kachelzimmer mit 2.800 Fayence-Kacheln, alle mit unterschiedlichen Motiven. Monatszimmer mit hochformatigen Gemälden, die Monate darstellen. Auf einer Anrichte ein Brettspiel, das Tricktrack, der alte, aus dem Arabischen kommende Name für das heutige Backgammon. Kann, wenn zugeklappt, für Dame benutzt werden. Spiegelsaal, ein sehr kleiner Raum mit Spiegeln an drei Seiten, die Raumeindruck vergrößern. Unzählige Porzellanfiguren an den Spiegeln, die ursprünglich als Kerzenhalter fungierten. Zur Weihnachtszeit bei geöffneten Vorhängen angezündet. Kleines getäfeltes Zimmer mit Bücherschränken (im wahrsten Sinne) an den Seiten, kleine Bilder aus Porzellan, einzigartig, da mit den Rahmen zusammen gebrannt! Hochformatige Darstellungen der Laster in einem Zimmer, aber nur Platz für sechs, das siebte ist der Spiegel zwischen den Fenstern – die Eitelkeit. Besucher wurden nicht über den Flur geführt, sondern in das jeweilige Zimmer geführt. Deshalb haben alle Besucherzimmer eine „Hintertür“. Stofftapete mit Aufdruck mit Hilfe von Arsen grün gefärbt, daher der Ausdruck giftgrün. Festsaal zweistöckig, heute noch bei Bachwochen für Konzerte genutzt, ursprünglich Musiker nicht im Saal, sondern auf Empore.
Etwas interessantere Strecke, auch mal Waldwege. Zweimal steiler Aufstieg, einmal in einem Ort am Schwimmbad vorbei, einmal zu einer Mühle hoch. Immer wieder Suche nach dem richtigen Weg, dazu Zwischenstopps für Wasserkauf, Photographieren, Pausen, Kurzbesichtigungen.
Walter macht sich einen Spaß daraus, bei Steigungen vorzufahren und oben zu warten und schon mal eine SMS zu schicken oder Photos zu machen – u.a. von dem sich den Berg hochquälenden Nachzügler!
Station in Lichtenau, mit ehemaliger Festung, ebenerdig, aus sehr regelmäßigen Quadern. Im weiten Innenhof nur ein einziges Gebäude, heute Landesarchiv. Schöne, einfache Schmuckformen an den Fenstereinfassungen. Trotz der dicken Mauern nur eingeschränkt wehrhafter Charakter.
Zweite Station in Wolframs Eschenbach, kleiner Ort mit sehr gut restaurierten Häusern, dem Geburtsort des Dichters, das einfach Eschenbach hieß und dann aus Werbegründen (Anfang XX) seinen Namen änderte. Von weitem sichtbarer Kirchturm mit farbigen, glasierten Kacheln, die bunte, unregelmäßige Muster bilden und in der Sonne glänzen. Einfahrt in den Ort entlang der Stadtmauer. In der Kirche Grablege des Dichters, am Marktplatz Brunnen mit Statue des Dichters (XIX) und Zitat zum Thema Wasser aus dem Parzival.
Ornbau kleiner Ort mit vielen kleinen, spitz zulaufenden Türmchen, wohl Teile der noch erhaltenen Stadtmauer, sieht aus der Ferne fast unwirklich, wie aus einem Märchenbuch, aus.
Dann am Altmühlsee entlang nach Gunzenhausen. Autokennzeichen WUB = Weißenburg.
Halt am See: schreiende Babys, keifende Eltern, quengelige Kinder, Geruch nach menschlichen Ausdünstungen und nach gebrauchtem Speiseöl, abgestandenes Bier auf den Tischen in der Sonne, hässliche, unförmige Frauen, die viel Fleisch zeigen, ein überquellender Abfallkorb mit faulen Essenresten, um die sich Schwärme von Insekten schlagen, Gesprächsfetzen, die nur Triviales oder Ordinäres enthielten, Leute, die sich auf den wenigen Schattenplätzen drängen und sich einbilden, dass sie sich vergnügen – wer noch nicht zum Feind der Zivilisation geworden ist, hier kann er es werden.
Unter den Badenden auch Sprecher einer slawischen Sprache. Erst an Polen gedacht, dann an die Tschechoslowakei: näherliegend. Tatsächlich später überall Faltblätter in Tschechisch gesehen und in Kipfenberg eine slowakische Bedienung gehabt.
Am Abend in Biergarten unter Turm mit Storchennest ein hervorragendes rustikales Schnitzel und einen hervorragenden Frankenwein: Bacchus
8. August (Freitag)
Schon vor der Abfahrt ins Schwitzen geraten – beim Frühstück!
Über Aha am Stadion des 1. FC Aha vorbei, nach Graben und dort über Treuchtlingen nach Pappenheim. Weiterhin in der prallen Sonne, an Maisfeldern und abgemähten Kornfeldern vorbei, wenig Abwechslung, kaum Schatten. Ganz kurzer Halt an einer Baumreihe: Schatten, Wasser und ein bisschen Wind durch die Blätter – himmlisch! Am Straßenrand, völlig alleinstehend, ein wunderbarer Baum (Kastanie?), mit mächtigem Stamm, dichtem Blattwerk, ganz gerade gewachsen.
In Graben Halt an einem Tümpel, der vollständig mit Moos bedeckt war und bei unbewegtem Wasser wie eine ganz sauber geschnittene Rasenfläche aussah – Kinder haben das Bedürfnis, Steine hineinzuwerfen, um zu sehen, ob es wirklich Wasser ist.
Von dort kurzer Fußweg durch den Wald zur Wasserscheide, von der aus das Wasser in einer Richtung in die Nordsee, in der anderen ins Schwarze Meer fließt! Auf dem Weg plötzlich ganz allein inmitten hoher Bäume auf einem gewundenen, langsam ansteigenden Torfweg, kleine Lichtflecken der durch die Blätter dringenden Sonne auf dem Boden, kleine Himmelsflecken durch das dichte Laubwerk zu sehen, Stille bis aufs Rascheln im Gebüsch und entfernte Vogelstimmen, kein Mensch weit und breit – und plötzlich rauscht ein IC vorbei, keine 100 Meter weiter.
Pappenheim mit mächtiger, hoch gelegener Burg. „Ich kenne meine Pappenheimer“ ursprünglich positiv gemeint, nicht Schlitzohrigkeit, sondern Treue und Zuverlässigkeit ausdrückend: Wallenstein sagt es zum General der Pappenheimer, die gekommen sind, um sich persönlich zu überzeugen, ob Wallenstein auf die schwedische Seite wechseln will statt den Gerüchten Glauben zu schenken und dem Kaiser blinden Gehorsam zu leisten, der angeordnet hatte, alle sollten sich von Wallenstein lösen.
Bei der Antwort des Lindenwirts in Pappenheim auf die Frage, wo man Mineralwasser kaufen könne, Walters Hilfe als Dolmetscher in Anspruch nehmen müssen – wir müssen wohl in Bayern sein.
Weiter sauge ich Wasser wie ein Schwamm auf: ½ Liter während der Fahrt, 1 Liter bei der Pause in Treuchtlingen, 1½ Liter bei der Mittagspause in Pappenheim.
Straßenbelag Kiesel, Hartsand, Asphalt und gelegentlich auch unbefestigte Waldwege.
In Treuchtlingen zum ersten Mal die Altmühl gesehen, sofort sehr schöner, schattiger Weg am Flussrand, aber bald schon wieder geht es ab in die Pampa.
Sehr schönes Panorama die „12 Apostel“, eine Felsgruppe. Riesige Felsen, die aber nicht zusammenstehen, sondern einzeln in der Landschaft herumstehen, als ob eine Riese mit ihnen gewürfelt hätte.
Bei der Einfahrt ins katholische Eichstätt lässt Bruder Walter, die Arschbacken leicht zur Seite anhebend, einen Furz los – genau auf der Höhe eines Kreuzstocks.
Am Abend in einem Biergarten mit Stofftischdecken und Kerzen, dem genauen Gegenteil des rustikalen Biergartens von gestern, ein erstklassiges Hirschragout mit einem Trollinger.
9. August (Samstag)
Warum sind 60 Kilometer nur so weit, und warum dauert es so lange? Man muss immer wieder stehen bleiben, um nach dem Weg zu suchen – Ortsangaben wechseln, Beschreibungen sind nicht immer eindeutig (Heißt „der Straße nach“ geradeaus oder rechts, wenn die Vorfahrt abbiegt?), Routenbezeichnungen ändern sich, Schilder fehlen – man muss zur Verpflegung in die Orte fahren (am Rand des Weges gibt es selten etwas), man macht auch den einen oder anderen freiwilligen Umweg, man macht kürzere Besichtigungen, man macht Pausen, und wenn man fährt, hat man entweder eine schlechte Fahrbahn oder es geht bergauf oder man hat Gegenwind, oder alles zusammen, und immer ist es heiß, und dazu tut die Hand weh und die Schulter und der Hintern.
Eichstätt: Blick auf die barockisierte Westfassade des Doms von der Spitalbrücke aus, Werk Gabrielis, der hier überall beteiligt war. Dahinter die gotischen Türme der Kirche.
Dom mit reicher Innenausstattung, überall Skulpturen, Altäre, Reliefs, Bildtafeln. Der Westchor allein wie eine voll eingerichtete Kirche, u.a. eine gotische Madonna mit einem mit einer Schriftrolle spielenden Kind. Sogar eine monumentale Kreuzigungsgruppe direkt gegenüber dem Eingang kann man angesichts der Fülle übersehen,
Im nördlichen Seitenschiff eine vielfigurige Kreuzigungsszene mit Stadtansichten von Nürnberg und Venedig im Hintergrund und einer merkwürdigen Gruppe ringender Männer in bewegter Szene im Vordergrund.
Dann zum weiten Residenzplatz mit zwei Brunnen und mit einer Vielzahl barocker Wohnhäuser und dem Südflügel der erweiterten Residenz mit Schilderhäuschen.
Dann durch den Park vorbei an der Uni in der ehemaligen Orangerie und zum Stadtpark an der Altmühl, mit üppiger Vegetation an beiden Ufern, wo die Weiden bis ins Wasser reichen.
Halt an einer Kirche in Walting, an der es einen Karner gibt, d.h. ein Gebeinhaus, mit sorgfältig nebeneinander aufgereihten Schädeln. Die Gräber mussten wegen des knappen Bodens in kurzen Abständen ausgehoben werden, und die Gebeine wurden in den Karner überführt.
Kleine einschiffe Kirche oberhalb von Gungolding mit erstaunlich reicher, stilreiner barocker Ausstattung. Außen romanisch, aber mir barocken Fenstern, Turmgeschosse und Fenstereinfassungen rostbraun vom weißen Grund abgesetzt und die die Joche trennenden Pilaster einfach täuschend echt aufgemalt.
Pause in schönem Gasthof „Zum Limes“ (mit altem Grenzstein am Eingang) in altem ockerfarbigem Fachwerkhaus in Kipfenberg, dem geographischen Mittelpunkt Bayerns. Erstaunlich: Man glaubt, weiter im Osten zu sein.
In Bayern kann man von Walting über Kinding und Essing nach Sinzing fahren, wenn man keinen Abstecher nach Berching machen will oder es einen nach Schwabing zieht.
Pause in Beilngries. Lag am Schnittpunkt mehrerer Handelswege und war gern besuchte Raststation, heute noch überall Gasthäuser. Entlang der Straße viele schöne Giebelhäuser und an der Ecke monumentales Rathaus mit hohem Dach. In der Nähe das älteste Wohnhaus (XVI), mit Giebel voller Blendarkaden, aus grauem Naturstein, leider schlecht erhalten.
In Mühlbach ein Plakat zum Altmühltal mit der handschriftlichen Hinzufügung: „Information bei die Wirtsleut“. Rechtzeitig zur Sportschau in Riedenburg.
Nach der Ankunft in Riederburg Gelegenheit zum Kneippen in dem gleich vor der Pension gelegenen Bach. Eiskaltes Wasser trotz der anhaltenden Hitze. Zu kalt, um angenehm zu sein, aber nachher fühlt man sich wie neugeboren.
Seit heute sogar mit speziellen Fahrradhandschuhen gefahren und damit endgültig den Kampf gegen die Lächerlichkeit aufgegeben.
10. August (Sonntag)
Weiterfahrt Richtung Kehlheim, vorbei an breiter, schön geschwungener moderner Holzbrücke, einer Meisterleistung der Technik, die Altmühltal und Umgehungsstraße überspannt und sich elegant in die Landschaft einfügt.
Altmühl der einzige (größere) Fluss, der nach Südosten fließt. Früher häufige Überschwemmungen, fruchtbar, aber auch schädlich, jetzt kanalisiert.
In Kehlheim erfahren, dass Schifffahrt zum Donaudurchbruch und zum Kloster Weltenburg nicht stattfindet – Niedrigwasser. So verpassen wir auch die am meisten gerühmte Naturschönheit.
Bei der Fahrt durch Kehlheim gut sichtbar oben auf dem Berg liegende runde, gelbe Befreiungshalle, sehr umstritten, aber imposant. Wenn Bau der Befreiungshalle ästhetisch umstritten, politisch geradezu aberwitzig, gerade Bayern hatte sich in siegreichen Tagen auf Napoleons Seite geschlagen und baut dann, als er zum Verlierer wird, ein Denkmal aus Dankbarkeit für seine Niederlage.
Im Ort ein Denkmal für Ludwig I., Erbauer der Befreiungshalle. Starb an einem 29. Februar!
Pause im „Weißen Brauhaus“, einer der ältesten Brauereien Deutschlands. Ortsname Kehlheimwinzer deutet noch auf früheren Weinanbau in der Gegend hin. Grund: Bier gab es nur bis zum Frühsommer, man konnte es nicht lange genug kühl lagern. Dann gab es immer tiefere Keller und bessere Kühlmethoden, und schließlich gab es Bier das ganze Jahr über, und das verdrängte den Wein! S. 146
Regensburg. Noch vor der Fahrt ins Hotel ein Eis auf der Hand auf einem zentralen Platz. Obwohl es 48 Sorten Eis gibt, gelingt es mir, für meine eine Kugel genau das zu bestellen, was es nicht gibt: Mokka!
Unterbringung in Parkhotel Maximilian, einem großzügigen Rokokogebäude mit Schmuckwerk, vor allem an der Seite. Riesiges Erkerzimmer, lange Flurfluchten mit dezenter indirekter Beleuchtung, hohe Gänge, und Zimmernummern in Medaillons mit Rocaillen.
Salzstadel, 1616 erbaut, an der Steinernen Brücke, traditioneller Umschlagplatz für das Salz, das aus Hallein und Reichenhall kam. Über den Inn nach Passau und dann in Treidelzügen nach Regensburg. Gebäude existiert noch und Gasthof hat noch denselben Namen. Konkurrenz zwischen der Freien Rechtsstadt auf dieser Seite des Ufers und dem Staat Bayern auf der anderen. Die Wittelsbacher versuchten sogar, die Donau umzuleiten, um den Salzhandel für Bayern zu sichern!
11. August (Montag)
Regensburg sehr früh besiedelt (Weizenanbau). Stadtgründung (durch Steintafel dokumentiert) unter Marc Aurel mit Errichtung eines großen Römerkastells mit 6.000 Soldaten. Nach Abzug der Römer von Vorfahren der Baiern, Bajuwaren, ursprünglich vermutlich aus Böhmen kommend, besiedelt, Hauptstadt des Herzogtums (500-1200).
1245 Freie Reichsstadt und 1660 Sitz des Immerwährenden Reichstags. Erlangte Freiheit durch Friedrich II., der in Konflikt mit dem Papst und dem Kanzler lag, dem Landesherrn von Regensburg. Besonderheit: Als Stadt protestantisch wurde, blieb Dom katholisch. Erst unter Napoleon zu Bayern! Im Gegensatz zu Nürnberg, Würzburg oder Dresden gab es keine Kriegszerstörungen in der Stadt. Hat heute 140.000 Einwohner und 20.000 Studenten.
Rathaus Komplex aus mehreren Bauten, am Eingang die der Freien Reichsstadt zustehenden stadteigenen Maße für Elle und Fuß (entspricht heutiger Schuhgröße 46 > man „lebte auf großem Fuß“).
Dahinter Haus „Roter Herzfleck“, d.h. Bordell, denn Prostituierte trugen als Berufskennzeichnung einen roten Stoffflecken auf der Brust. Durch städtische Abgeordnete und Reichstagsdelegierte gute Geschäfte.
Stein mit jüdischer Inschrift so in Übergang zwischen Rathausteilen eingebaut, dass man darauf herumläuft, Ausdruck der Verachtung. Juden wurden nach Maximilian Tod ausgewiesen (1519, zu Beginn des Niedergangs Regensburgs!) und bekamen nur fünf Tage Aufschub. Die meisten ließen sich einfach am anderen Ufer, d.h. einem anderen Territorium, nieder, aber auch da wurden sie 40 Jahre später ausgewiesen.
Glanzzeit ab 1245, 30 Patrizier, Multimillionäre der Zeit, Reichtum durch Fernhandel: Pferde und Gold aus Ungarn, Silber aus Böhmen, Pelze und Leder aus Kiew, aus Venedig Luxuswaren (Seide, Damast, und Samt über Seidenstraße aus China), Gewürze, Südfrüchte (Rosinen, Maulbeeren), Weihrauch, Myrrhe. Sichtbares Zeichen des Reichtums Patrizierhäuser wie das der Runtinger, einer der reichsten Handlesfamilien (XIV). Sohn zur Ausbildung in Italien, brachte doppelte Buchführung mit, Bücher erhalten, wichtige Dokumente der Zeit, zeigen aber auch, dass Steuern hinterzogen wurden! Patrizierhäuser so angelegt, dass sie autark waren: eigener Keller, eigener Speicher, eigene Kapelle, eigener Festsaal, eigener Turm, durch Tore zur Stadt hin abgeschlossen.
Nach dem Krieg sehr verarmt, 40.000 Flüchtlinge, Stadtsanierung statt Abriss aus Geldmangel, wie Bamberg und Lübeck: „Armut ist die beste Denkmalpflege“.
Die Weingasse heißt so, weil über sie von der Donau die Weinfässer in die Stadt gerollt wurden. Viele alte Steinhäuser (steinreich), aber auch Fachwerk, das allerdings unter Putz – man wollte was gelten. Zwischen den Häusern enge Gassen, und Schwibbögen als Stütze.
Weiteres Patrizierhaus abseits des Haidplatzes, das Dittmer-Palais. Weiter Innenhof mit dreigeschossigen Renaissancearkaden. An einer Wand schmaler Uhrerker, an dessen Fuß ein Liebespaar ausgemeißelt ist: Ein bärtiger Alter streicht einem jungen Mädchen, vor dem er kniet, zärtlich übers Haar. Hof war bis vor kurzem Hauptsitz der Feuerwehr, die sich von hier durch die engen Straßen quälen musste. Jetzt nach Verkehrsberuhigung verlegt.
Schöne doppelte Verneinung („We don`t need no education“) in der hiesigen Variante des Bayerischen: „Woar ach koane Verkehrsberuhigung nett“.
Haidplatz selbst großer dreieckiger Platz mit Reminiszenzen an Italien, besonders bei so gutem Wetter. Tatsächlich viele italienische Touristen. Großer grauer Wohnturm mit Fensteröffnungen in sieben Stockwerken, Fenster aber nur im ersten und zweiten Stockwerk, alles andere nur Ostentation des Reichtums, reiner Schein, hat lediglich den Zweck, auf andere „herabschauen“ zu können.
Gasthof „Zum Goldenen Kreuz“, schon in früher Neuzeit bester Gasthof der Stadt. Hier logierte Karl V.. Zur Ablenkung von politischen Sorgen und zur Tröstung des Witwers mit Regensburger Bürgermädchen versorgt worden. Ergebnis: Juan de Austria.
Weiter Richtung Dom weiterer Wohnturm, Baumburgerturm, rot, mit stets anderen Fensterformen in jedem der sechs Stockwerke und, im zweiten Stock, Loggia nach italienischem Vorbild, von der aus Waren, u.a. Teppiche, präsentiert wurden, die dann von reichen Bürgern gekauft werden konnten.
Stadteinwärts das zinnenbekrönte Goliathhaus, mit monumentalem Fresko mit Darstellung des Kampfes mit David an der Fassade, in den freien Flächen zwischen den unregelmäßigen Fenstern. Goliath scheint den linken Arm lässig auf einen der Fenstergesimse aufzulehnen.
Porta Praetoria: Teil eines ehemaligen römischen Stadttors. Straßenverlauf im Zentrum z.T. heute noch auf römisches Muster zurückzuführen.
Steinerne Brücke (XII), Wahrzeichen Regensburgs, damals als Wunder bestaunt, einzige steinerne Brücke über die Donau zwischen Ulm und Wien. Verbindet Stadt mit Stadtamhof am Nordufer und war gleichzeitig „Ländergrenze“ zwischen Reichsstadt und Land. Ursprünglich drei Türme, zur Kontrolle und zum Schutz, davon nur Schuldturm auf Stadtseite erhalten, in dem säumige Schuldner inhaftiert wurden. Brücke ruht auf Rundpfeilern, die wiederum auf kleinen Inseln gründen, zum Schutz vor Unterspülung und Eisgang. Das aber verengt den Durchgang und erzeugt heftige Strudel, die gefährlich sein können.
Dom kleiner Bruder des Kölner Doms (85 Meter lang, Kölner Querschiff ist 85 Meter breit), aber zum großen Teil, bis auf Turmhelme und Seitenportale (XIX) und kleinere Teile, im Mittelalter fertiggestellt. Dennoch für Stadt viel zu groß, Einwohner passten dreimal hinein!
Lange Bauzeit, immer wieder unterbrochen, dafür erstaunlich einheitlich. Drei Geschosse mit sehr hohen Arkaden, Wandelgang im Triforium, breite Bündelpfeiler.
Im Westen Reiterstatuen von St. Georg und St. Martin als Beschützer der Kirche zu beiden Seiten des Portals, den Eingang bewachend, aber auch zwei kleinere Figuren, die Teufel und seine Großmutter darstellen sollen. Abschreckende Wirkung: Wenn Teufel reinkommt und sein eigenes Ebenbild sieht, erschrickt er und tritt die Flucht an.
Mittelalterliche Kirchenfenster des Chors, kleinteilig, erhalten, da im Krieg ausgelagert, aber andere, im Seitenschiff, zerstört, aber nicht von Gegnern, sondern als Nazis in Verzweiflungstat 15 Tage vor Kapitulation zwei Pfeiler der Steinernen Brücke sprengten! Durch moderne Fenster ersetzt (XX). Dazu Fenster im Westen (XIX), kein Mosaik aus farbigem Glas, wie im Mittelalter, sondern bemaltes Glas.
Orgel nicht zu sehen, da sie in der von Ludwig I. finanzierten „Reinigung“ der Kirche nicht zum „mittelalterlichen“ Erscheinungsbild passte, daher hinter dem Altar versteckt. Auch erhalten der barocke Altar, da er zum Kirchenschatz gehörte und außerhalb der Reichweite des Königs lag, und barockes Denkmal im Mittelschiff, da Dargestellter ein Vorfahre des Königs.
Im Seitenschiff, erstaunlicherweise, ein Brunnen (mit Relief von Jesus am Jakobsbrunnen). Grund: befand sich ursprünglich außerhalb des damals schmaleren Doms, bleib dann bei Erweiterung stehen.
Außen mit zwei verschiedenen Steinen gebaut, wahllos nebeneinander, grünlicher Sandstein und heller Kalkstein. Sandstein zerbröckelt, alle Steine müssen einer nach dem anderen ersetzt werden!
Im Osten Teil des karolingischen Doms erhalten sowie „Eselsturm“ als Teil des Nachfolgers, angeblich, weil Esel benutzt wurden, um Baumaterial nach oben zu transportieren, tatsächlich volksetymologische Ableitung aus lat. aesulum, ‚Aufzug’!
Dom umzingelt von weiteren Sakralbauten, gleich nebenan barocke Kirche St. Johann, gleich dahinter St. Ulrich, jetzt Museum, im Kreuzgang die Allerheiligenkapelle und die Stephanuskapelle, dahinter die Niedermünsterkirche und die Erhardskapelle, ein bisschen rechts davon das Karmeliterkloster St. Josef und die riesige Alte Kapelle, alles ein paar Schritte vom Dom entfernt.
Gegenüber dem Dom Haus Heuport, heute Gaststätte, dem prächtigsten Bürgerhaus der Stadt. Gotische Fenster des Festsaals an der Ostfront kleines Gegenstück zu gotischen Fenstern der Westfront des Doms. Im Treppenhaus mit gewundener breiter Steintreppe zwei kleine Figuren: die törichte Jungfrau, die sich lächelnd ihrem Freier nähert. Der ist in Wirklichkeit der Satan, aus dessen Rücken Schlangen, Ratten und Kröten hervorquellen.
Rathaus: Zugang zum Reichssaal durch spätgotisches Portal mit den stadtbekannten Figuren „Schutz“ und „Trutz“. Häufige Reichstage, „Christentag“ (1471) schon der 45. in Regensburg abgehaltene, ab 1663 dann Sitz des Immerwährenden Reichstags. Fürsten erschienen seitdem nicht mehr selbst, sondern ließen sich vertreten: Gesandtenkongress.
Beratungszimmer wurden während der Reichstage Kurfürsten überlassen. Erster Saal holzvertäfelt, aber noch mächtige mittelalterliche Fensterbänke (im wörtlichen Sinn). In der Mitte stand runder, grüner Tisch, daher angeblich der Ausdruck „etwas am grünen Tisch entscheiden“ (vorsichtshalber heute eine grüne Tischdecke draufgelegt). Zweiter Saal durch Doppeltüren und dicke Mauern abhörsicher gemacht.
Reichssaal, Saal für die „Vollversammlung“, hier wurden von drei Ständen die unabhängig getroffenen Entscheidungen verkündet: Kaiser vorne auf dem Thron (um vier Stufen erhöht) Kurfürsten daneben (zwei Stufen), Reichsfürsten in den Reihen (eine Stufe) und alle anderen auf Bänken entlang der Wände. Daher angeblich der Ausdruck „etwas auf die lange Bank schieben“. Heftige Wortgefechte zur Zeit der Reformation zwischen Protestanten und Katholiken: Eck machte Melanchthon auf den Ursprung seines Namens aufmerksam, (‚dunkle Erde’), was ja wohl Dreck bedeute, Melanchthon fragte Eck, wie man seinen Namen lese, wenn man den Doktortitel dazunehme.
Im Keller „Fragestube“, d.h. Folterkammer, in der Verdächtige in fensterlosen Räumen von zwei durch Holzgitter verborgenen Richtern „befragt“ wurden. Der „Wahrheitsfindung“ dienten ingeniöse Folterinstrumente: eine Vorrichtung, mit der die Gelenke in die Länge gezerrt wurden („Schlimme Liesel“), ein scharfkantiger Holzscheit, auf den man mit Gewicht an den Beinen gesetzt wurde („Spanischer Reiter“), ein Stuhl mit spitzen Stahlkegeln („Jungfrauensitz“). Vergleichsweise harmlos Schandmasken und Halsgeige, Holzgestell, mit dem zänkische Frauen „aneinadergekettet“ wurden.
Salzwaage: großes, schweres Eisengerüst mit Ketten und Waagschalen, mit dem öffentlich gewogen wurde, erstaunlich präzise, reagiert sogar auf ein Paket Tempotücher! Eisenspitze in der Mitte neigt sich dann zur Seite, das „Zünglein an der Waage“.
Am Abend in Lokal am Fischmarkt, in der Nähe der Statue von Juan de Austria. Dort Roggenbier getrunken, „Vollkornbier“ sozusagen, schmeckt nach Alt und sieht aus wie Köstritzer.
Außerhalb der Innenstadt St. Jakob, die Schottenkirche, die so heißt, weil sie von Iren gegründet wurde (vgl. Lüftlmalerei, Schweinhund, Tintenfisch usw.). Ging paradoxerweise später wirklich auf schottische Benediktinermönche über, als auch das Wort auf die Schottländer überging (XVI)!
Entsteht im Laufe der durch irische Benediktiner eingeleiteten (XI) zweiten Welle von irischen Klostergründungen in Deutschland. Hochromanische dreischiffiger Basilika (XII), schmal, steil und lang, an Hildesheim erinnernd, mit Empore im Westen, erhöhtem Mönchschor und flacher Decke. Besonderheit die reichskulptierten Kapitelle im Langhaus, floral (Trauben, Schoten, Beeren), geometrisch (Kette, Flechtband usw.). figürlich (Adler, Löwe, Krokodil, bärtiger Tiermensch, geschuppter Vogelmensch). Christologische Bedeutung nach Physiologus, Hauptquelle mittelalterlicher Tierdarstellungen:
- Adler: fliegt am höchsten, wagt als einziger, in die Sonne zu schauen, erhebt sich über alle Menschen
- Löwe: hat macht über den Tod, erweckt seine totgeborenen Jungen nach drei Tagen zum Leben, schläft mit offenen Augen
Besonders bedeutend Schottenportal, heute von einem Vorbau aus Glas geschützt. Rätselhafte Darstellungen, von denen nicht einmal klar ist, ob sie positiv oder negativ zu deuten sind: löwenschlingender Drache, eine eine Kugel verschlingende Figur usw. Deutung beschäftigte schon Brentano.
12. August (Dienstag)
Mit dem Zug (dreimal Umsteigen!) von Regensburg nach Rothenburg. Geht schneller als mit dem Fahrrad.
Name Rothenburg geht auf Rodenburg zurück, ob der Tauber heißt über der Tauber. War Freie Reichsstadt und eine der zehn größten Städte im alten Reich (6.000)! Heute gerade 12.000, davon nur ein Drittel in der historischen Altstadt.
Auf „Authentizität“ wird peinlich geachtet. Die Laternen an der Rathausfassade sind keine Laternen, sondern verkappte Lautsprecher! Nur bestimmte Materialien, z.B. Holz oder Gusseisen, dürfen für Ausleger und Schilder verwendet werden. McDonalds verlor einen langwierigen Prozess, weil sie sich das Recht erstreiten wollten, Neonreklame zu benutzen.
Mächtiges Rathaus, das auch der Zurschaustellung des Reichtums diente. Zwei Rathaushälften, hinterer Teil gotisch, vorderer Teil (nach Brand des gotischen Vorhängerbaus) Renaissance mit hinzugefügtem barockem Laubengang. Langgestreckte Fassade zum Rathausplatz, mit Turm, der Horizontale unterbricht und Schieferdach mit drei Reihen Dachgauben teilt. Auch gotischer Teil mit Turm, ohne eigenes Fundament, als Folge davon im Laufe der Jahrhunderte schon beträchtlich gesunken, angeblich um mehrere Meter.
An der anderen Seite des Platzes die Ratstrinkstube, ein Haus mit prächtiger Fassade, in der sich zu bestimmten Zeiten zwei Fenster öffnen, die zwei Figuren freigeben, davon eine mit einem Krug, eine Anspielung auf eine Legende, derzufolge ein Ratsherr die Stadt im
30-jährigen Krieg vor der Zerstörung bewahrte, indem er, von Tilly, dem Feldherrn der Belagerer, herausgefordert, einen Krug mit 13 Schoppen Wein (mehr als drei Liter) in einem Zug leerte.
Zur Seite das ehemalige städtische Festhaus, „Zum Wilden Mann“, so genannt nach den Balken des Fachwerks, die eine solche Figur andeuten. Fachwerk braun, da mit Ochsenblut imprägniert, zum Feuerschutz und zur Konservierung. Tanzsaal im Obergeschoss (die Patrizier tanzten, im Gegensatz zum Volk, nicht in der Öffentlichkeit).
Davor schön verzierter Georgsbrunnen mit Darstellung des volkstümliche Schäfertanzes (jetzt auch wieder aufgeführt). Brunnen, mit acht Metern Tiefe und 100.000 Litern Fassungsvermögen, nicht nur Zierde, sondern für auf einem Hügel liegende Stadt wie Rothenburg lebenswichtig, als Trinkwasser und als Löschwasser. Er gab 40 Brunnen in der Stadt!
Davor früher Pranger, Stock, Schandpfahl und, in den Worten der anachronistisch denkenden Stadtführerin (Zahnmedizinstudentin!) andere mittelalterliche Justizvollstreckungsinstrumente wie die Guillotine!
Am Portal des Lichthofs, der Gebäudeteile des Rathauses verbindet, die stadteigenen Masse für Rute, Elle, Schuh und Klafter. Die feuersicheren Gewölbe dahinter wurden als Krämerläden vermietet. Darunter Folterkammer und Verließ, wo Toppler, bedeutender Bürgermeister, gefangengehalten wurde, ehe er ermodert wurde.
Jakobuskirche hat zwei ungleiche Türme, der Legende nach von Meister und Geselle gemacht, wobei dem Gesellen der schönere gelang, was Meister veranlasste, sich, zusammen mit seinem Hund, von der Kirche zu stürzen. Meister fiel, aber Hund zögerte. Daher Skulptur eines Hundes am Südturm – Hund zögert immer noch. Zur Seite am selben Turm das „Totenfenster“, auf den ehemals gegenübergelegenen Friedhof gerichtet. Wurde bei Sterbefällen erleuchtet.
Im Süden “Brautportal“, wo Trauungen vollzogen wurden, da unverheiratetes Paar nicht in die Kirche durfte. Darüber Darstellung von Adam und Eva (mit Bauchnabel), dazwischen der Gute Hirt – als Vermittler? Kirche wurde Station auf Pilgerweg (moderne Jakobusstatue vor dem Südeingang und Darstellung des Galgenwunders in der Kirche) und wichtiges Pilgerziel, da drei Tropfen von Christi Blut, Heu aus der Krippe und die Sandale eines Apostels vorhanden! Jetzt nur noch Tropfen Blut, in Riemenschneideraltar integriert, mit Abendmahlsszene, bei dem Judas gegen die Konventionen im Vordergrund steht. Sehr bewegte Szene, die gerade den Moment festhält, als der Verdacht ausgesprochen wird.
In Klingengasse, die Straße, die von der Jakobuskirche überspannt wird, Fachwerk mit sehr schönem Erker, Türmchen, grünen Butzenscheiben und Muschelreliefs. Es gibt sehr strenge Bestimmungen zur Konservierung der alten Häuser, was vielen zu umständlich und zu teurer ist, weshalb sie in einen Vorort ziehen.
In der Nähe das Reichsstadtmuseum, im ehemaligen Dominikanerinnenkloster. Von hier aus schöner Blick auf die beiden Türme von St. Jakobus. Kloster schon nach der Reformation aufgelöst. Dominikanerinnen sehr streng, sehr reich, da sie u.a. eigenen Wein und Schankrecht hatten. Im Klostergarten Heilkräuter, z. T. giftig, da in geringen Dosen heilend: Salbei, Lavendel, Thymian, Fenchel, Rosmarin, Blutwurz, Eibisch, Melisse, Hopfen, Malve, Beifuss, Nieswurz, Schierling.
Stadtmauer an dieser Seite der Stadt nicht sehr stark und ohne Wehrgang, starkes Gefälle zum Tal hin erschwert Angriffe. Hier wurde auch die schwächste Zunft zur Verteidigung eingesetzt, die Schneider, am anderen Ende die Schmiede.
Am Ende der Herrengasse (hier wohnten die reichsten Bürger) Stadttor, aus drei eigentlichen Toren bestehend. Zur Landseite hin Holztor, das nachts geschlossen wurde und nur mit (teurer) Sondererlaubnis passiert werden durfte. Dafür „Nadelöhr“, ein kleines Schlupfloch in der Tür, da Öffnen der ganzen Tür zu gefährlich. Davor ehemals Zugbrücke, dahinter zwei Steintore, und zwischen ihnen Pechnase in Form einer schwarzen Maske, die furchteinflößend aussieht.
Davor das Gelände der ehemaligen Burg der Hohenstaufen (XII), der Keimzelle der Stadt, von der aus sich die Siedlung auf dem Hügel ausbreitete. Wurde angeblich von einem Erdbeben (XIV) zerstört, war aber wahrscheinlich schon baufällig oder unzeitgemäß und wurde dann abgerissen oder als Steinbruch benutzt. Von hier aus weiter Blick ins Taubertal und auf die (von üppiger Vegetation verstellte) Brücke und auf Bürgermeister Topplers kurioses Haus, der die Sicherheit seiner Stadt demonstrieren wollte, indem er außerhalb der Stadtmauern baute (vorsichtshalber aber auf steinernem Unterbau mit Schießscharten). Im Tal auch eine Kirche (katholisch) und mehrere Häuser, alle ehemalige Mühlen, die das Wasser der Tauber brauchten. Bei Belagerung aber gefährlich, da Mehlzufuhr abgeschnitten, daher aufwendiger Ausbau der Stadt durch die Spitalbastei (in der Ferne sichtbar), wo von Pferden angetriebene Rossmühle und Spital gebaut wurden.
Von hier aus auch Blick auf „Faulturm“ am entgegengesetzten Ende der Stadt, wo Verbrecher zwischengelagert wurden und auch schon mal Leichen vor sich hin westen.
Weiter links Richtung Marktplatz Hedwigsbrunnengässchen, mit Brunnen, an dem die durch Salz konservierten Fische abgewaschen wurden (Fisch viel wichtiger für mittelalterliche Ernährung als heute), um das Wasser anderer Brunnen nicht zu versalzen.
Weiterer Verlauf der Straße „Höll“, war überdacht und schummerig und (an einem herrlichen Sommertag heute schwer vorzustellen) galt als gefährlich. Passenderweise am Rand das Kriminalmuseum. Rechts die Johanniterscheune, mit Jahreszahl, die wie 1882 aussieht, aber, da vier durch eine halbe acht dargestellt wurde, 1482 bedeutet.
Schönstes Bürgerhaus, Baumeisterhaus, am Ende der Straße gleich am Rathausplatz, mit doppelter Reihe von Figuren, die Laster und Tugenden darstellen (paritätisch durch männliche und weibliche Figuren repräsentiert), z.B. Mann mit Bauch für Völlerei.
Sehr schöne Stadt, mit einem bei aller Vielfalt (kein Haus gleicht dem anderen) sehr einheitlichen Stadtbild.
13. August (Mittwoch)
Bei der Rückfahrt an der Autobahnausfahrt Wüstenrot vorbeigekommen. Das ist wirklich ein Ort! Und liegt in der Nähe von Schwäbisch Hall!