Pink it and shrink it

Frauen können, einer populären Vorstellung zufolge, mehr Farbnuancen unterscheiden als Männer. Jedenfalls können sie elaborierter darüber sprechen. Ein Mann sagt Blau, eine Frau sagt Veilchenblau, Schieferblau, Stahlblau, Taubenblau, Himmelblau. Auch Experimente belegen das. In einem Zeitungsartikel (Albrecht, Harro: “Pink als Wille und Vorstellung”, in: Die Zeit 34/2018: 29) wird eine internationale linguistische Umfrage zitiert, bei der Männer 7 Farben benannten, Frauen aber mindestens 29! Woher kommt das? Haben Frauen, wie der Artikel es nahelegt, ein “feineres Sensorium” für Farben? Falls ja, woher kommt das? Oder haben sie gelernt, mehr Unterschiede zu benennen? Und können gar nicht mehr Farbnuancen unterscheiden, sondern nur benennen? Manche Forscher beginnen die Spurensuche in der Urgeschichte. Sie unterwerfen jeder Verhaltensweise der Frage: Was bringt oder brachte sie dem Menschen? Bei den Farben wird so argumentiert: Die Frauen waren für das Sammeln von Früchten zuständig, und bei denen stand Rot für gehaltvolle, kalorienreiche Früchte, und die waren wertvoll und lecker, anders als das weniger begehrte grüne Beigemüse. Ist das ausreichend, um moderne Verhaltensweisen zu erklären? Ist das vielleicht der Nukleus, aus dem alles entstand? Und sind vielleicht auch Farbpräferenzen letztlich darauf zurückzuführen? Immer wieder ist die moderne Pink-Präferenz von Mädchen Gegenstand der Diskussion. Beliebt ist die These, dass pink = feminin das Ergebnis einer erfolgreichen Manipulation durch die kommerzielle Neuzeit sei. Die Werbung versteht es gut, die Farbpräferenzen emotional aufzuladen. Aber kommen die aus dem Nichts? Die These, es habe früher eine Zeit der Präferenz von Pink bei Jungen gegeben, ist zwar populär, aber für sie gibt es keinerlei Belege. Der rasende Trend zum Pink-Blau-Dualismus könnte nur die extreme Fortsetzung einer in der Vergangenheit liegenden, aus den materiellen Voraussetzungen abgeleiteten Präferenz sein. Minimale Unterschiede zwischen Männern und Frauen können sehr lange brauchen, um eine neue kulturelle Norm zu setzen.

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