Panamakanal: Glanz und Gloria?

Ferdinand de Lesseps und Gustave Eiffel im Gefängnis? Komische Vorstellung. Und doch nicht so weit hergeholt.  Beide wurden, im Zusammenhang mit dem Bau des Panamakanals, verurteilt, Eiffel zu zwei Jahren, Lesseps zu fünf Jahren. Die Urteile wurden später aufgehoben – wegen Formfehlern. Es handelte sich, dem Gericht zufolge, um den “größten Betrugsfall der Gegenwart”. Bei dem Prozess kamen ungeheuerliche kriminelle Praktiken ans Licht. Während de Lesseps feurige Rede hielt über den Fortschritt der Menschheit und die Größe Frankreichs, bestachen seine Hintermänner Hunderte von Parlamentsabgeordneten, damit die Wahrheit  über die katastrophalen Zustände an den Baustellen und die ausufernden Verluste nicht ans Tageslicht kam. Die Arbeiter an der Baustelle gingen an Mücken und Mikroben zugrunde. Insgesamt 22.000 kamen dabei um. Die meisten starben an Gelbfieber und Malaria sowie an Typhus und Cholera. Das Wüstenklima in Ägypten beim Bau des Suezkanals war ein Kinderspiel gewesen gegenüber der tropischen Hölle von Panama. Die Arbeiter – die meisten aus Jamaika, von den Bahamas und anderen karibischen Inseln – verendeten wie die Tiere und wurden auf einem Totenhügel verscharrt. In Frankreich waren 85.000 Kleinanleger dem charismatischen Lesseps auf den Leim gegangen und hatten Anteile, Anleihen und Lotteriescheine der Compagnie universelle du canal interocéanique de Panama gekauft und standen nun vor dem finanziellen Ruin. In Washington hatte man das französische Unterfangen im eigenen Hinterhof mit Misstrauen beobachtet und nahm das Scheitern mit Wohlwollen zur Kenntnis. 1902 beschloss der Kongress, die Konkursmasse zu übernehmen, für den Spottpreis von 40 Millionen Dollar. Die Amerikaner übernahmen den Bau und vollendeten ihn. Und hielten eine schützende Hand über den neuen Staat Panama, der sich 1903 für unabhängig erklärte. Die Kanalzone betrachtete man bis 1999 als einen Teil der USA, und als Senator John McCain, der in der Kanalzone geboren worden war, 2008 Präsidentschaftskandidat war, stellte sich niemand die Frage, ob er denn überhaupt amerikanischer Staatsbürger sei. (Rüb, Matthias: “Amerikas Triumph, Frankreichs Blamage”, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 188/2014: 3)

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