21. Mai (Freitag)
Warmer Nieselregen empfängt uns am Flughafen in Göteborg. Obwohl die Temperaturen gar nicht so hoch sind, fühlt es sich fast tropisch an.
Die kurze Strecke zur Abflughalle kann man hier zu Fuß zurücklegen. Als wir in der Halle ankommen, sind die Koffer schon da. Während die anderen beim Autovermieter anstehen, sehe ich mich ein bisschen um. Von hier gehen heute nur noch zwei weitere Flüge ab, einer nach Budapest, einer nach London. Das ist wenig für so eine große Stadt. Erst Tage später merke ich, dass das nur einer von zwei Flughäfen ist, und zwar der kleinere, der für Billigflieger. That’s why.
Ein paar Wegweiser und Poster kann man einigermaßen gut verstehen. An den Gepäckwagen wirbt eine Firma mit lågsta priserna – niedrigsten Preisen. Warum die Autovermietung allerdings biluthyrtning heißt, weiß ich nicht. Um das zu erfahren, brauche ich die Dienste unserer Reserve-Schwedin. Sie weiß es: Es ist eine Autoausleihung. Ich habe mich durch ut verwirren lassen: aus.
In zwei Staatskarossen machen wir uns, drei Ehepaare, zwei Kinder und ich, auf den Weg zum Hotel. Erst geht es an Kuhweiden vorbei, dann durch einen ziemlich unansehnlichen Außenbezirk und dann über zwei Brücken. Über beide kommen unsere Läufer morgen beim Halbmarathon, und eine der Brücken ist der höchste Punkt des Laufs.
Ein auffälliges Gebäude, im Volksmund Lippenstift genannt, mit rot-weißen horizontalen Streifen, erinnert mich an den Turm eines Schiffs aus Legosteinen. Es heißt Utkiken und ist ein Bürohochhaus mit Aussichtsplattform. Dann kommen wir an Liseberg vorbei, dem berühmten Vergnügungspark. Dort sind alle möglichen modernen Höllenmaschinen in Bewegung, für die das Wort Karussell seltsam unangemessen klingt.
Das Hotel ist der einzig komplett fertig gestellte Teil eines großen, grauen Komplexes, das einst ein Kongresszentrum werden will. Es ist hypermodern und durch und durch funktional. Das Zimmer, mit Besteck und Bügeleisen, ist für den längeren Aufenthalt einer ganzen Familie eingerichtet. Beim Einstecken der Karte wird ein ganzer Lichterpark eingeschaltet, den man dann per Hand eins nach dem anderen wieder abdunkeln muss.
22. Mai (Samstag)
Beim Frühstück lerne ich, dass der Mensch zum Laufen geboren ist. Er hat als einziges Lebewesen ein Zwerchfell. Und das erlaubt die Regulierung der Atmung. Tiere können immer nur einmal pro Schritt atmen, der Mensch kann die Atmung den Erfordernissen anpassen. Er kann deshalb viel längere Distanzen laufen als jedes Tier und im Prinzip sogar eine Gazelle zu Tode hetzen.
In der Eingangshalle des Hotels hängt eine moderne Skulptur in Form eines auseinandergeklappten Fußballs mit schwarzen und weißen Fünfecken.
Der Morgen ist grau, aber dann klart es auf, und am Ende wird es ein richtiger Sommertag mit hellblauem Himmel.
Mit dem Auto fahren wir in die Innenstadt, am modernen Ullevi-Stadion vorbei, in das man hineinsehen kann, da eine Gegengerade abgeflacht ist.
Das Erste, was wir beim Verlassen des Parkhauses sehen, ist McDonald’s. Willkommen in Schweden.
Wir kommen durch kleine, unregelmäßige Fußgängerstraßen mit modernen Geschäften und dann auf eine gerade verlaufende, durch einen Kanal getrennte breite Straße. Am Kanal war früher der Hafen, bis er verlegt wurde, weil er nicht groß genug für die modernen Schiffe war.
Über eine hypermoderne, erhöhte Fußgängerbrücke mit einer Bedachung aus Plexiglas geht es zum Lilla Bommen. Die Fußgängerbrücke ist blau-weiß, genauso wie die Straßenbahnen und das Wappen von Göteborg.
Beim Lilla Bommen handelt es sich um ein zum Freilichtmuseum mutierten Hafenviertel, wo die alten Holzschuppen zu gepflegten Cafés geworden sind. Hier ist das Maritiman, ein Schiffsmuseum, angeblich das größte der Welt. Es besteht aus Schiffen, Schiffen aller Art, Größe und Funktion. Von hier aus ist es nicht weit zum Utkiken, dem gestreiften Hochhaus, das aber heute geschlossen ist. Hinter dem Haus erhebt sich eine der Brücken, über die die Läufer kommen, eine Brücke, die für große Schiffe aufgeklappt werden kann. Das ist die Götaälvbron, die ‚Brücke über den Fluss Göta‘. Daher Göteborg! Aber wo ist eigentlich die Burg?
Im Wasser liegt ein Viermaster, ein ehemaliges Schulschiff. Jetzt ist es ein Hotel. Am Ausgang des Lilla Bommen steht ein nagelneues, weißes Riesenrad – es steht, noch dreht es sich nicht – das vor dem wolkenlosen hellblauen Himmel ein unwiderstehliches Fotomotiv abgibt. Die Mädchen finden das Riesendrad “ultrakrass”.
Während die Läufer sich zwecks Startvorbereitungen zurückziehen, wandere ich erst einmal ziemlich orientierungslos durch die Innenstadt. In der Touristeninformation wird man, wie überall, mit Materialien überschüttet und ansonsten seinem Schicksal überlassen. Gut, dass ich von der Schwedenexpertin der Gruppe daran erinnert worden bin, eine Nummer zu ziehen. Das gilt hier überall, und man hält sich sogar daran. Die Nummer, die man ziehen muss, heißt lappan. Auch Geldscheine heißen so.
Am Straßenrand beginnen die Vorbereitungen für den Lauf, dem Göteborg Varvet. Endlich kommt es mir mal in den Sinn, das Wort nachzuschlagen: varv heißt ‘Drehung’. Es ist also so etwas wie der ‘Dreh von Göteborg’. Bis der anfängt, habe ich noch Zeit. Ich gehe zur Christina-Kirche, die auch Deutsche Kirche heißt. Bis heute ist der Sonntagsgottesdienst auf Deutsch. Göteborg war von Beginn an eine internationale Stadt, mit holländischen Architekten und deutschen Magistraten, und mit England als Vorbild in Lebensweise und Kleidung. Tatsächlich komme ich später auch an der St. Andrew´s Church vorbei, die die Engländer für sich bauen ließen, um ihre eigenen Gottesdienste abzuhalten und ihr eigenes Zentrum zu haben. Die Deutsche Kirche steht erhöht längs der Straße und ist wie mit den angrenzenden Gebäuden verwachsen. Sie sieht etwas festungsartig aus, und ist passenderweise geschlossen. Der Platz in der Nähe ist der Gustav-Adolf-Torg, mit mehreren repräsentativen Gebäuden an drei Seiten, die ich aber nicht identifizieren kann. Im Zentrum des Platzes die Bronzefigur Gustav-Adolf des Zweiten, des Gründers Göteborgs, mit Federhut.
Göteborg war eine ganz bewusst im Gegensatz zu Stockholm gegründete Stadt, an der Nordseeküste statt an der Ostseeküste. Der Hafen hier ist im Gegensatz zu denen an der Ostsee eisfrei. Nur ein ganz kleiner Streifen Land an der Nordsee gehörte zu Schweden. Das südliche Halland gehörte zu Dänemark, das nördliche Bohuslän gehörte zu Norwegen. Genau dieses Stück, wo die Göta in die Nordsee mündet, gehörte zu Schweden. Nach einigem Hin und Her entstand in dem schmalen Streifen dann Göteborg, erst im 17. Jahrhundert. Das Verhältnis von Göteborg und Stockholm folgt, wie ich später von unserer Schwedenexpertin erfahre, dem klassischen Muster: Die Göteborger werden von den Stockholmern als bäuerisch-provinziell angesehen und sehen selbst die Stockholmer als eingebildete Snobs. Für meine erste Schwedenreise begnüge ich mich mit dem Bäuerlichen. Die Snobs müssen warten.
Die Straßen im Zentrum heißen genauso wie die Straßen im Lehrbuch: Postgatan, Drottningsgatan, Hamngatan. Und dann kommt die Köpsmansgatan, die ‚Kaufmannsstraße‘. Wenn man das versteht, versteht man auch Kopenhagen – auf Schwedisch Köpenhamn.
Direkt am Hafen liegt das Kasino Cosmopol, das täglich geöffnet ist und seit seiner Eröffnung erst einen Tag geschlossen war, wegen Hochwasser.
Dann kommt die Feskekörka, die Fischkirche. Es ist eine einschiffige Kirche mit einem Dreiecksgiebel an der Stirnseite und vier weiteren an jeder Längsseite. Es erinnert an die Kirchen in Westfalen. Die Feskekörka ist aber nicht mittelalterlich, sondern aus dem 19. Jahrhundert. Wenn man sich ihr nähert, kommt einem ein wenig spirituell anmutender Geruch entgegen, und wenn man eintritt, weiß man warum: lauter Fischstände. Es ist keine Kirche und war auch nie eine. Gebaut wurde sie als Fischauktionshalle, und als die an einen anderen Ort verlagert wurde, richtete man hier die Fischstände ein.
An einem Platz im Zentrum taucht plötzlich ein schwarzer, unregelmäßiger Fels auf, der letzte Rest einer ehemaligen Bastion, die sich hier die natürlichen Gegebenheiten zu Nutze macht.
Dann taucht an einer verkehrsreichen Straße die Statue von Jonas Alströmer auf. Dessen Verdienst ist es, die Kartoffel in Schweden eingeführt zu haben. Vor allem hat er aber die Textilindustrie voran getrieben.
In der Magasingatan haben die Häuser “abgeschnittene” Ecken, wie das, was man bei den Hochhäusern in den spanischen Großstädten chaflán nennt. Hier sind die Häuser allerdings viel niedriger. Der Grund für die abgeschnittenen Ecken waren die Pferdefuhrwerke, die hier, im “Geschäftsviertel”, besonders zahlreich verkehrten. Die fehlenden Ecken sorgten dafür, dass sie hier die Kurve kratzen konnten.
Überall im Zentrum sieht man kuriose Bäume, mit dunklen Stämmen, die keine Zweige haben. Die Blätter treten direkt aus dem Stamm und den Ästen aus. Es sind, wie ich später von unserem Botanikexperten erfahre, Linden, die, um das Wachstum unter Kontrolle zu halten, ständig beschnitten werden.
Sie stehen auch zu beiden Seiten der Aveny, dem großen, zentralen Boulevard, auf dem ich mich jetzt postiere, um den Lauf zu sehen. An seinem oberen Ende steht ein Brunnen mit einer riesigen Poseidon-Statue. Hier ist der Wendepunkt, so dass man auf der Aveny die Läufer zweimal sehen kann. Bald kommen auch schon die ersten Läufer, einzeln, mit kleinem, aber deutlichem Abstand voneinander. Unter den ersten zehn sind neun Afrikaner, leichtfüßig, klein, mager, auf spindeldürren Beinen. Auch die ersten Frauen sind Afrikanerinnen. Erstaunlich, wie unterschiedlich der Laufstil auch unter den Besseren ist: kleine und große Schritte, kerzengerade und vornüber gebeugt, weit vom Boden abhebend und fast schlürfend. Am deutlichsten ist der Unterschied bei den Armen. Da gibt es nichts, was es nicht gibt, von militärisch-streng bis wild-umherfuchtelnd.
Als Zuschauer tun einem die Läufer in erster Linie leid. Es ist inzwischen sehr warm, und die Strecke scheint ein ordentliches Gefälle zu haben. Die Aveny jedenfalls zieht sich unendlich lange zum Brunnen hinauf. Tatsächlich sind viele, sogar im Hauptfeld, schon völlig erschöpft, und viele haben hier, bei Kilometer 16, bereits auf Gehen umgestellt.
Ich mache die Erfahrung, dass auch Zuschauen anstrengend sein kann. Selbst dafür ist es zu warm, und dauernd in die gleiche Richtung sehen, um die Stars nicht zu verpassen, geht auch nicht. Außerdem wird man abgelenkt. Fußgänger passieren seelenruhig die Strecke, zum Teil mit Fahrrädern, ohne die Läufer zu beachten. Immer wieder hört man Krankenwagen, und man sieht unwillkürlich den verkleideten Läufern nach: Männer im Baströckchen, Männer in Teufelskostümen, Männer mit Sauerstofflaschen auf dem Rücken. Und dann die lauten Kommentare meines Nachbarn, der verschiedenen Läufern hinterher ruft. Von all dem verstehe ich nicht ein einziges Wort. Dafür verstehe ich aber einen Läufer, der den Arm seines Nebenmanns in die Höhe renkt und ankündigt, dass der morgen heirate. “Ska gifta sig i morgon.” Bei all dem verpasse ich dann den wichtigsten Moment, den, in dem unsere Heldinnen ins Bild kommen. Aus den geplanten Fotos wird nichts. Sie sind es, die mich entdecken, nicht umgekehrt. Sie machen, wie viele aus ihrem Pulk, noch einen lockeren Eindruck und vermitteln Spaß am Laufen und am Ereignis. Inzwischen verspüre ich nach dem langen Warten ein menschliches Bedürfnis und sehe unsere Männer gar nicht, die wegen eines späteren Starts erst später kommen.
In den vollbesetzten Straßencafés wendet sich das Interesse hin und wieder von der Straße nach innen: Dort wird Eishockey übertragen. In einem schattigen Plätzchen unter Bäumen gleich am Eingang zum Trädgårdsföreningen, einem Stadtpark, bekomme ich einen Kaffee, während in der Distanz immer neue Heerscharen von Läufern vorbeiziehen. Dann gehe ich noch ein bisschen durch die Innenstadt. Göteborg zeigt sich von der besten Seite: vollbesetzte Straßencafés, offene Ausflugsboote, Picknick im Park, Sitzgruppen unter Statuen, und das alles bei blauem Himmel.
Unwillkürlich liest man Hinweisschilder und versucht, sie zu entziffern. Das geht manchmal, obwohl man einzelne Wörter nicht kennt: Endast för cafeéts gäster – Nur für Gäste des Cafés. Gäller ej buss och cykel – Gilt nicht für Bus und Fahrrad. Italiensk glassbar runt hörnet. – Italienisches Eiscafé um die Ecke. Bisher war mir hörnet, das Wort für Ecke, unbekannt, aber der danebenstehende Pfeil macht klar, was gemeint ist. Da sieht man plötzlich Verbindungen: Hornung, das alte deutsche Wort für Februar, bezeichnet einen Monat, der abgeschnitten wurde, dem eine Ecke fehlt. Und der Mann, dem, genauso wie dem Februar, eine Ecke fehlt, der in seinen Rechten – oder in seiner Ehre – beschnitten wurde, ist der gehörnte Ehemann.
Göteborg liegt auf der Höhe der Nordspitze Dänemarks, zwischen Kattegat und Skagerrak, zwei Begriffe, die die Erinnerung an den Erdkundeunterricht der Kindheit wecken. Was das ist, habe ich nie verstanden. Also: Das Kattegat ist ein Meergebiet, eine Art Meeresarm, zwischen Dänemark und Schweden, zwischen Norddänemark und Südschweden, eine Art Bucht, in der Form eines runden U. Kurioserweise kann man es entweder als einen Meeresarm der Ostsee oder als einen Meeresarm der Nordsee ansehen oder als keins von beiden. Das Wort ist holländisch und heißt ‚Katzenloch‘. Woher der Name kommt, erfährt man nicht. Das Skagerrak schließt sich nördlich daran an und bildet die Verbindung zur offenen See, zur Nordsee.
Irgendwann geht mir die Frage durch den Kopf, ob ich überhaupt schon einmal so weit im Norden gewesen bin. So weit nördlich sind wir ja gar nicht, wir sind in Südschweden, aber der Norden ist einfach nicht meine Reiserichtung. Stimmt aber nicht: Petersburg liegt auf 59° nördlicher Breite, Göteborg auf 57°. Trier liegt, zum Vergleich, auf 50°, wie die Südspitze Englands.
Die typischen Schwedinnen gibt es wirklich, groß und hellblond. Dass nicht alle so sind, hat sich inzwischen herumgesprochen, aber jede dritte oder vierte erfüllt doch alle Anforderungen an das Klischee. Es gibt aber auch neue Schweden, wie drei vietnamesische Jungen die in einem Kiosk an der Zentralstation in perfektem Schwedisch mit der Verkäuferin über den Kauf von Fußballbildern für die WM verhandeln.
23. Mai (Sonntag)
Beim Frühstück erfahre ich, dass unsere Läufer trotzt widriger Bedingungen das Feld von hinten aufgeräumt haben und sehr gute Zeiten gelaufen sind. Alle sind guter Dinge und fit wie ein Turnschuh. Und sprechen voller Lob über die tolle Atmosphäre – die ich eher lahm fand. Aber das sieht man als Läufer wohl anders. Einer unserer Läufer hat, wie ich erfahre, schon 45 Marathons hinter sich, darunter Berlin, London, Paris, Rom, New York, Peking und Totes Meer.
Heute ist ein Ausflug in die Schäreninseln vorgesehen. Mit dem Auto. Das ist Luxus pur. Man wird von sicherer Hand an die entsprechenden Orte gebracht, braucht sich um nichts zu kümmern und kommt an Orte abseits der ausgetretenen Pfade.
Es geht auf die Schäreninseln Tjörn und Orust. Was genau Schären sind, weiß ich immer noch nicht, aber sie kommen beim Thema Schweden ständig vor, obwohl ich sie eher mit Stockholm in Verbindung gebracht habe. Vielleicht ist es einfach eine Bezeichnung der Landschaftsform, der Inseln mit den von Wind und Wasser glatt geschliffenen Felsen.
Wir lassen Kungälv rechts liegen. Von der Straße aus sieht man den Rundturm der Festung Bohus, die über der Stadt liegt und lange die Grenze zu Norwegen bildete. Über eine imposante Brücke geht es zuerst nach Tjörn, wo wir einen kurzen Stopp in Rönnäng einlegen. Dort sehen wir ein Auto mit Werbung für Miljömalerei. Allgemeines Rätselraten, was das ist. Dann geht es nach Skärhamn. Das hat ein modernes Aquarellmuseum, vor allem aber die typischen abgerundeten Felsen, die wie überdimensionale Kieselsteine aussehen und zwischen denen man herumkrackseln kann. Das Wetter ist weiterhin gut, aber es kann, je nach Standort, ziemlich windig sein.
Im Landesinnern sieht es nicht viel anders als bei uns aus; höchstens gibt es weniger Felder. Ansonsten verraten nur die schwedischen Flaggen an den Häusern und die in den Nationalfarben gehaltenen Kurvenschilder, dass man in Schweden ist. Das geübte Auge unseres Hobbybotanikers entdeckt aber noch etwas: Hecken aus Mehlbeere, die eine weißliche Unterseite haben und die Hecken ganz anders aussehen lassen, je nachdem, von wo man sie betrachtet.
Sobald Wasser ins Spiel kommt, sieht hier Schweden so aus, wie man sich Schweden vorstellt, mit Seen und Bootsstegen und weißen und vor allem roten Blockhäusern. Sie stehen meist auf felsigem Untergrund und machen sich das Terrain als Fundament zunutze.
In der Zeitung gibt es eine riesen Beilage zum Varvet. Wenn wir das richtig verstehen, sind nur 34.000 Läufer ins Ziel gekommen. Jedenfalls mussten 64 ins Krankenhaus eingeliefert werden. Das alles steht unter dem Titel Kollapsvarvet. Auch unsere Göteborg-Kenner versichern, dass es noch nie so warm gewesen sei.
Der Höhepunkt des Ausflugs ist der Besuch bei der Gastfamilie unserer “Schweden”, einem Reiterhof in einem Ort, der nicht mehr als eine Ansammlung einzelner Häuser ist. Außer Ponys gibt es hier noch zwei Hunde und eine Katze, die von dem kleineren der Hunde in stürmischen Umarmungen liebkost und abgeleckt wird. Die Dame des Hauses tischt Kaffe und alle möglichen Leckereien auf, darunter Zimtschnecken, die berühmten kanelbullar, die in keinem Schwedenbericht fehlen dürfen. Zum ersten Mal komme ich hier in den Genuss, eine zu probieren, eine landeskundliche Erfahrung, die allein schon den Ausflug rechtfertigt.
Die Dame des Hauses, die etwas Deutsch spricht, erkundigt sich nach dem Lauf und erzählt vom Winter, als der Schnee bis an die Fensterkanten reichte. Die Kälte hat eine Warmwasserleitung zerstört, und die in dem Gästehaus aus Versehen eingesperrte Katze hat die Matratze vollgepinkelt.
Ab und zu wechselt sie zwischen Deutsch und Schwedisch hin und her, eine gute Hörverständnisübung, zumal sie eher verhalten spricht. Unsere eigene Schwedin und ich haben die Gelegenheit, hin und wieder ein paar Sätze auf Schwedisch zusammenzuzimmern, wobei wir uns gut ergänzen: was der eine nicht weiß, weiß der andere. Trotzdem tun wir uns auch mit den einfachen Dingen schwer: “Wir haben die gleiche Lehrerin, sind aber in anderen Kursen.” Das sind die Wörter – gleich, anders – auf die es ankommt, und ohne die man nicht auskommt. Am Ende fordert der schweigsame Ehemann mich auf, im Sommer mitzukommen, um Schwedisch zu lernen. Ich müsste dann aber auch reiten lernen. Was heißt noch mal Angst auf Schwedisch?
Als wir wieder nach Göteborg hineinfahren, kommen wir an beiden Stadien vorbei, dem alten und dem neuen Ullevi-Stadion, die in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander liegen. Für mich sehen beide neu aus. Irgendwann höre ich die Zahl 1958 im Zusammenhang mit dem Stadion. Selbst das alte scheint mir neuer zu sein. War in Göteborg nicht 1958 das Halbfinale zwischen Schweden und Deutschland?
Wir parken direkt vor einem Haus, in dem der Inschrift zufolge Smetana gelebt hat. In unmittelbarer Nachbarschaft steht, etwas zurückversetzt, die Synagoge. Hier werde ich in den nächsten Tagen immer wieder vorbeikommen. Es ist eine Stelle der reinen Idylle, nur ein paar Schritte abseits der Innenstadt, zwischen den stattlichen Häusern aus gelben Klinkern auf der einen Seite und auf der anderen dem üppig bewachsenen Rand des Stadtparks mit dem Kanal, der auf eine kleine Brücke zuläuft, hinter der der weiße Bau des Theaters steht.
Als wir dann auf der Suche nach Essen durch die Straßen ziehen – es ist immer noch sommerlich warm und hell – muss ich als klassischer Einzelreisender die Trägheit von Gruppen erkennen. Alle unter einen Hut zu bringen, ist schwer. Am Ende findet sich aber doch noch eine für alle zufriedenstellende Lösung, als wir wie von unsichtbarer Hand in ein Lokal geführt werden. Auf der Speisekarte steht French coffee med Grand Manier – ein dreisprachiger Name mit einem schwedischen Wort und zwei englischen und französischen.
Danach gelingt den anderen ein traumhaft schönes Foto von dem weißen Riesenrad vor dem rötlichen Abendhimmel. Meine Kamera ist im Auto.
Als wir wieder zum Auto zurückkehren, ist die Stadt wie ausgestorben. Dabei ist es auch jetzt, am späten Abend, noch taghell.
24. Mai (Montag)
Bei der Fahrt ins Zentrum wird diskutiert, ob Schweden teurer ist als Deutschland. Ich bin der Einzige, der das findet. Das Benzin ist allerdings billiger, etwa so wie in Luxemburg.
Im bereits bekannten Parkhaus in der Stadtmitte verabschiede ich mich von den anderen, die heute zurückreisen. Vorher müssen die Mädchen und ihre Mütter aber noch etwas erledigen, was ihrer Reise nach Schweden erst den tieferen Sinn verleiht: Einkaufen.
Ich frage mich zu meinem Hotel durch. Eine Frau wiederholt bei ihrer Antwort den Ort, nach dem ich gefragt habe: Lilla Torget. Es klingt völlig anders als in meiner Frage. Der Nächste antwortet gleich auf Englisch.
Das Hotel liegt direkt am Hafen. Mit einem schweren Lastenaufzug geht es in den vierten Stock des Gebäudes, in dem das Hotel untergebracht ist. Eingang und Rezeption sehen etwas veraltet aus, aber das Zimmer ist nagelneu und hat einen schönen Blick direkt auf den Hafen.
Heute, am Montag, sind die Möglichkeiten für Besichtigungen etwas eingeschränkt, aber der Stadtpark mit dem Gewächshaus hat geöffnet und ist gut zu Fuß zu erreichen. Der Weg dahin führt an der Deutschen Kirche vorbei, und diesmal ist sie geöffnet. Außen eher trutzig, ist sie innen durch und durch Barock, aber protestantisch abgetönt. Es gibt, ganz unprotestantisch, bunte Kirchenfenster, aber die stellen keine Märtyrer, sondern Apostel dar. Wichtig sind Empore, Orgel, Kanzel, Uhr. Alles ist stimmig, in Weiß und Gold, schmuckvoll, aber nicht überladen.
Die Kirche wurde zweimal bei einem Brand zerstört, aber die Außenmauern überlebten. Das erklärt den Unterschied zwischen Außen und Innen. Unglaublich, wie schnell sie nach den Bränden wieder in Betrieb genommen wurde, nach 3 Jahren (1672) bzw. nach 2 Jahren (1748).
Die Kirche wurde 1623 für die Deutsche Gemeinde gegründet – daher Tyska Kyrkan – wobei nicht nur Deutsche, sondern auch Niederländer und Schotten vertreten waren. Geld und Privilegien gab es von Königin Christina – daher Christina Kyrkan. Christina ist diejenige, die später zum Katholizismus übertrat und im Petersdom begraben wurde – als einzige Frau.
Hinten in der Kirche kann man in Glasvitrinen ein deutsches und ein schwedisches Gesangsbuch, die Darstellung der ersten Deutschen Schule, Predigtbücher, Nägel aus dem Turmbau und ein Buch über das “Wahre Christenthumb” bewundern.
Zu den Glasfenstern gibt es eine mysteriöse Information: Sie wurden 1978 bei einem Bombenanschlag auf das Nachbarhaus zerstört. Welches Nachbarhaus? Welche Bomben?
Dann geht es am Gustav-Adolf-Platz vorbei. Der selbst steht im Zentrum, mit fein gezwirbeltem Schnurrbart, Sporen, strammen Waden und dem typischen Renaissanceoutfit mit Rock, Stulpenstiefeln, Federhut. Mit einer Hand weist er entschieden auf den Boden zu seinen Füßen – „Hier habe ich Göteborg gegründet“ – die andere hat er in die Hüfte gestemmt und blickt stolz und herausfordernd in die andere Richtung: zum Hafen – nach Dänemark.
Das weiße klassizistische Haus hinter ihm ist die Börse. Auf dem Dach stehen allegorische Figuren: Handel, Industrie, Seefahrt, Reichtum, Bildung, Fortuna.
Dann komme ich zum Trädgårdsföreningen, dem Stadtgarten. Hier kann ich zum ersten Mal meinen Göteborgpass einsetzen, die mir in den nächsten Tagen immer wieder zugutekommt. Die Hauptattraktion des gepflegten Parks mit hohen, schlanken Bäumen ist der Rosengarten, mit unzähligen Varianten, die in einem halb Rund angeordnet sind. Nichts für den Laien, zumal man jetzt keine Blüten sieht. Die Rosen haben verrückte Namen wie Countryman, Dark Lady, Pilgrim, Magna Charta oder Gruß aus Coburg.
Interessanter ist das Gewächshaus, in dem mir zuerst eine kolumbianische, dann eine mexikanische Pflanze ins Auge fällt. Die mexikanische heißt Monstera deliciosa. Sie wächst aus einem Topf an kahlen, dünnen Stämmen, die wie Kabel aussehen, nach oben. Sie enden in großen Blättern, die Schlitze haben, so als wollten sie Schatten spenden und doch ein paar Sonnenstrahlen durchlassen. Daneben stehen Strelitzien mit Riesenblättern und ein Baum, um dessen Stamm sich eine Art Wolle wickelt. An der Seite eine Art Grottenmauer, aus der an verschiedenen Stellen Pflanzen heraustreten.
Im benachbarten wärmeren Haus steht ein Kakaobaum. Die Früchte, gelblich-rot in der Form großer Pflaumen, wachsen direkt am Stamm. Jede enthält 20 bis 50 Bohnen. Nach der Ernte gären die Bohnen 5-6 Tage. Das nimmt dem Kakao seinen bitteren Geschmack, und es bildet sich ein Öl, das dem Kakao seinen besonderen Geschmack gibt.
Dann gibt es ein ganzes Areal mit Kamelien. Die Kamelie hat ihren Namen von einem Deutschen Missionar, Georg Joseph Kamel, Lateinisch Camelius, von dem sie nach Europa gebracht wurde (XIX). Sie wurde zu einer Modeblume und löste eine Spekulationsblase aus wie vorher die Tulpenzwiebel.
Ich wandere noch ein bisschen durch den Park und trinke dann in dem gleichen Café wie am Samstag einen Kaffee. Es ist heute viel weniger Betrieb, aber wieder sind mehrere Schwangere unter den Gästen. Schweden ist ein kinderfreundliches Land und hat eine hohe Geburtenrate.
Wie in allen Cafés, ist hier Selbstbedienung. Das Geldumrechnen ist einfach: 10 Kronen = 1 Euro. Wenn man es nicht zu genau nimmt. Auf den Geldscheinen sind Selma Lagerlöf, Linné und einer der Könige, Karl der Elfte zu sehen. Was dessen besonderes Verdienst ist, weiß ich nicht. Münzen gibt es nur zu 1, 5 und 10 Kronen. Jedenfalls begegne ich keinen anderen. Das ist etwas unpraktisch.
Das Wetter ist weiterhin gut, gut genug, um eine Stadtrundfahrt im offenen Bus zu riskieren. Der fährt gleich gegenüber, vor dem Stora, dem großen Theater, ab. Die Fahrt lohnt sich, da man auch ein paar Bezirke außerhalb der Innenstadt kennenlernt.
Die Stadtgründung wurde holländischen Baumeistern anvertraut, die mit sumpfigen Geländen Erfahrung hatten. Der sumpfige Grund ist auch der Grund, warum es keine U-Bahn gibt. Dafür gibt es unzählige Straßenbahnen, Nachfolger der Bahnen, die einst von Pferden gezogen wurden und deren Spuren sie noch heute benutzen.
Göteborg hatte früher eine ganze Reihe von Kanälen, aber die meisten wurden später zugeschüttet.
Es geht zuerst an der Fischkirche vorbei, deren Architekt, bevor er diesen Auftrag bekam, fast nur Kirchen gebaut hatte. Er blieb dabei.
Dann kommen wir am Eisenplatz vorbei. Der heißt so, weil dort die Eisenwaage stand. Unter offizieller Aufsicht wurde hier Eisen für den Export gewogen.
Dann geht es am Hafen vorbei, dem größten in Skandinavien. 700.000 Autos gehen jedes Jahr durch den Hafen, für den Export und den Import.
Am Ende des Hafens steht auf einem erhöhten Sockel die Statue der Seemannsfrau. Sie schaut auf die See hinaus in Erwartung ihres Mannes, der auf Seefahrt ist. Tatsächlich geht ihr Blick aber nicht Richtung Meer, sondern Richtung Nordufer – zum Liebhaber?
Davor steht das Seefahrtsmuseum. Hier wird unter anderem an 500 schwedische Seeleute erinnert, die im ersten Weltkrieg durch Minen ums Leben kamen. Dabei war Schweden, wenn ich mich richtig erinnere, auch im ersten Weltkrieg neutral.
Jetzt geht es hoch ins Viertel Masthygget. Hier wurden früher Schiffsmasten gebaut. Ganz oben steht die neugotische Masthyggetkirche. Dann geht es über die Linnéstraße, eine breite, gerade Straße, die früher ein Kanal war, wieder Richtung Innenstadt, an der GU vorbei, der Göteborger Universität, mit 50.000 Studenten der größten Schwedens.
Dann geht es die Aveny hinauf, die 1880 nach Vorbildern in Paris und Wien gebaut wurde. Bis 1971 waren Geschäfte und Autos hier verboten, denn hier hatten die Reichen ihre Gärten. Heute sind hier zahllose Cafés und Restaurants, aber kaum Geschäfte. Das alte Verbot wirkt noch nach. Oben, am Poseidon, das Dreigestirn von Kunsthalle, Konzerthalle und Stadttheater.
Dann geht es zum Korsvägen, dem ‚Kreuzwegviertel‘. Hier steht eine weitere neugotische Kirche, die Korsvägenkirche. Es wimmelt von Türmchen, Fialen und Spitzen. Was man in der Gotik verpasst hatte, holt man in der Neugotik nach. Wie die Masthygget-Kirche ist auch diese aus roten Backsteinen, im Gegensatz zu den älteren Kirchen der Innenstadt, die aus groben Steinquadern sind, aber meistens einen rauen Verputz haben.
Am Scandinavium, dem großen Sportpalast, am Universeum und schließlich am Stadion vorbei geht es dann wieder zum Ausgangspunkt zurück.
Auf dem Weg zurück komme ich wieder an der Statue des Kartoffel-“Erfinders” vorbei und stelle ganz überrascht fest, dass sie ganz in der Nähe des Hotels ist. Wie die des Königs auf dem Gustav-Adolf-Platz ist sie auch aus Bronze, ist aber auch ihr Gegenstück. Der Mann ist groß und schlank und stützt sich auf einen langen Stock. Er trägt einen langen Gehrock und einen Dreispitz.
25. Mai (Dienstag)
Eine eiserne Pforte, schwere Gitter, ausgetretene Stufen. Ich bin im historischen Gebäude der East India Company, einem der repräsentativsten Gebäude Göteborgs. Hier ist jetzt das Stadtmuseum.
Anhand lokaler Funde gibt es erst einen Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Zivilisation, in Stufen. Harpunen und Angelhaken sind die ältesten Funde in dieser Gegend, 10.000 Jahre alt. Der Mensch hatte sich Instrumente gebaut, um den Kampf mit den überlegenen Tieren seine Chancen zu verbessern. Es ist strittig, ob der Mensch durch die Fische oder die Rentiere in diese Gegend gelockt wurde.
Vor 6.000 Jahren wurde Getreide angebaut, es wurden Nahrungsvorräte angelegt und Tiere domestiziert: Kühe, Schafe, Schweine, Hunde. Man konnte sesshaft werden. Und Marder, Füchse und Luchse sorgten für Kleidung.
Im Zentrum des Raums in einer Vitrine ein vollständig erhaltenes Skelett, von vor 4.500 Jahren. Das ist der Rolfåkerman. Er war 20, kräftig, 154. Das Skelett liegt auf einem Muschelbett, und der Kalk hat dafür gesorgt, dass es erhalten blieb.
Vor 3.000 Jahren wurden Waffen hergestellt und Tote verbrannt. Eine Axt aus Lehm mit einem dünnen Bronzebelag wirft die Frage auf, ob sie zum Kämpfen oder zum Bäumefällen benutzt wurde oder nur symbolischen Wert hatte.
Vor 1.500 Jahren tauchen die ersten Runen auf, der größte Durchbruch in der Menschheitsgeschichte. Leider kann ich von den Erklärungen dazu fast nichts verstehen. Gleichzeitig wurde Land vererbt – vielleicht hängt das mit der Schrift zusammen oder ist sogar Folge davon – und es wurde Eisen hergestellt. Die Toten wurden weiterhin verbrannt, aber zusammen mit Haustieren bestattet. Auch Nieten und Nägel von Booten befinden sich in den Gräbern.
Dann geht es mit den Wikingern weiter, in einem abgedunkelten, besonderen Raum mit einer sehr viel moderneren Präsentation. Woher das Wort Wikinger kommt, ist umstritten: von angelsächsisch wic, ‚Dorf‘ (noch in vielen englischen Ortsnamen erhalten) von Lateinisch vicus, ‚Dorf‘, oder von nordisch vilen oder vilka, ‚umherziehen’.
Hier gruppiert sich alles um Äskekärd, ein Schiff, 16 Meter lang, um 1100 gebaut. Es diente als Handelsschiff und konnte Waren von bis zu 16 Tonnen transportieren. Es war 60-70 Jahre im Dienst. Es wurde 1935 gefunden, in Lehm. Irgendwo soll es eine Runeninschrift geben, aber die kann ich nicht finden. Erhalten sind eigentlich nur die Planken, aber die sind hier so angeordnet, dass man sich das Schiff vorstellen kann. Das Schiff erreichte eine Geschwindigkeit von 6-8 Knoten. Das sind ca. 12 km/h. Auch nicht viel langsamster, glaube ich, als die Lastschiffe heute auf der Mosel. Betrieben wurde es mit einem Segeltuch, das einen Umfang von 100m2 hatte. Das kommt mir riesig vor.
Die Wikinger galten in Westeuropa als besonders auf ihr Äußeres bedacht. Ausgestellt sind hier Kämme, und zwar für Haupthaar und Bart! Die britischen Frauen übernahmen von den Wikingern die Sitte, sich zu kämmen und Zöpfe zu machen. Die Wikinger galten auch als besonders reinlich, weil sie sich jeden Samstag badeten. Das sahen die Araber allerdings anders. Einem arabischen Diplomaten, Ibn Fadlan, zufolge (X), waren sie die dreckigsten Menschen auf allen Gestirnen. Sie benutzten Wasser weder nach der Mahlzeit noch nach dem Stuhlgang noch nach dem Liebesakt.
Oben auf der Galerie werden die Büsten germanischer Götter präsentiert, darunter Thor, mit rotem Bart, leicht erregbar, Beschützer der Seefahrer, uns Freya, die für weibliche Sensualität steht und einen zügellosen sexuellen Appetit entwickelte, nachdem sie von ihrem ersten Freier, Odin, verlassen worden war. Wieder einmal sind die Männer schuld.
Das Mittelalter ist meist durch sakrale Kunst vertreten. Sie stammt aus Lödöse. Göteborg gab es noch nicht. Die Bilder und Skulpturen sehen wie bei uns aus, nur heißen die Heiligen hier Erik, Olav und Eskil. Das Christentum wurde über den Göta aus England und Deutschland importiert.
Dann bekam Lödöse Konkurrenz. Eine neue Siedlung entstand. Karl IX. gab holländischen Kaufleuten ein Interimsprivileg, sich hier an der Göta-Mündung niederzulassen. Damit waren die wichtigsten Parameter vorgegeben: Handel, Internationalität, Meer. Die Stadt war zunächst unabhängig, wurde nicht von Stockholm aus regiert, sondern durch einen Stadtrat, in dem meistens Juristen und Kaufleute saßen, im ersten Stadtrat 4 Schweden, 3 Holländer, 3 Deutsche, 2 Schotten.
An einem Modell sieht man dann die Stadtanlage: an einer Seite begrenzt von hügeligem Umland, an den anderen geschützt durch Bastionen, die im Zickzack angelegt waren; Kanäle, die die Stadt in gleichmäßige Viertel teilen, und unzählige Brücken.
Die Stadt wurde schnell reich und groß. Im 19. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung von 17.000 auf 130.000. Das schaffte Wohnungsnot. An Modellen sieht man den Unterschied zwischen den Häusern aus der Gründerzeit, mit dekorierter Fassade und Wohnungen mit sieben Räumen auf mehreren Etagen, und den Arbeiterhäuser des folgenden Jahrhunderts, mit Einzimmerwohnungen mit Küche.
Auf einer weiteren Etage werden dann Entwicklungen des 20. Jahrhunderts präsentiert, Autotüren von Volvo, Lochkarten von Ericsson, Staubsauger von Elektrolux. Merkwürdigerweise gibt es gar nichts von SKF.
Der Himmel ist grau und es fieselt. Museumswetter. Also geht es gleich in das nächste, das Maritiman, das allerdings ganz anders ist als ein klassisches Museum. Es besteht aus Schiffen. Sogar der Eingang des Museums ist ein Schiff, eine Fähre. Außer der Fähre gibt es ein Brandbekämpfungsschiff, einen Hafenschlepper, ein U-Boot, ein Bergungsschiff, ein Frachtschiff, einen Zerstörer, ein Tankschiff, ein Vorpostenschiff, ein Schiffsreparationsschiff, ein Leuchtturmschiff und andere.
Die Leuchtturmschiffe wurden statt der statischen Leuchttürme eingesetzt. Man brauchte weniger davon. Das Brandbekämpfungsschiff hat 2 Wasserpumpen, von denen jede 6000 Liter Wasser freigibt – pro Minute! Angsteinflößend ist der Zerstörer, grau und lang, eines der ersten Schiffe, das „unter Berücksichtigung von Kernwaffen konstruiert wurde“. Was das heißt? Hier gibt es Atomwaffen an Bord. Das Schiff hat einen Längsschiffgang, der es erlaubt, von Bug nach Heck zu kommen, ohne an Deck zu gehen: Schutz vor Radioaktivität.
In einigen Schiffen sieht man Kajüten und Kabinen, zum Teil gar nicht so schlecht ausgerüstet: Einzelzimmer mit Kommode überm Bett, Waschbecken, Bücherregal. Das gab es allerdings nur für die Offiziere.
Eine kuriose Sache, die sich erst nicht erklärt, ist die Einteilung des Esstisches in Vierecke durch hölzerne Bretter. Sie verhinderten, dass Geschirr und Besteck hin- und her rutschen oder auf den Boden fielen.
Auf einem Schiff sieht man, wie die Anker betrieben werden, mit einem Elektromotor. Als Landratte hat man die Vorstellung, der Anker werde von einem Matrosen einfach ins Wasser geworfen, und fertig. Ja, denkste. Jeder der beiden Anker wiegt 1180 Kilos, und das Ankerspill ist 192 Meter lang.
Am Kai befindet sich sozusagen die Verlängerung des Museums. Hier stehen Anker, Schiffsglocken, Boote und allerlei Innereinen von Schiffen herum. Das Hochhaus auf der anderen Seite der Straße, Sitz der Navigationsschule, hat eine merkwürdige Skulptur auf dem Dach. Es stellt sich heraus, dass es ein Zeitball ist. Die dienten, wie ich aus Greenwich weiß, Seefahrern dazu, ihre Chronometer zu überprüfen, bevor Funksignale sie überflüssig machten. In Greenwich ist es ein roter Ball, der kurz vor dem Glockenschlag in zwei Stufen ansteigt und dann um genau 13.00 Uhr fällt.
Auf dem Parkplatz vor dem Maritiman steht ein Schild, das das Wort verwendet, das auch Gegenstand meiner Vorlesung ist: dyget. Das bedeutet ‚Tag‘, aber, im Gegensatz zu dag, das auch ‚Tag‘ heißt, den ganzen Tag, also 24 Stunden. Im Deutschen und im Englischen wird diese Unterscheidung nicht gemacht, wohl aber im Russischen. Bei uns besteht ein Tag dagegen aus Tag und Nacht.
Es ist grau und es regnet inzwischen in Strömen. Eine gute Gelegenheit, mich um Kamm und Zahnpasta zu kümmern. Beides fehlt. Gar nicht so einfach zu bekommen. Schließlich werde ich da fündig, wo ich es nicht unbedingt erwartet hatte: in einer Apotheke.
Ganz in der Nähe, auch in dem zentralen Einkaufszentrum, ist eine Filiale der Touristeninformation. Hier ist eine sehr freundliche junge Frau, die mir erst in perfektem Englisch, dann in flüssigem Deutsch, mit großer Geduld Erklärungen und Tipps gibt. So soll es sein.
Die Suche hat ihr Gutes: Als ich wieder an die Luft komme, hat das Wetter sich geändert, so sehr, dass ich beschließe, auch noch die Fahrt mit der „Kröte“ zu machen, Die Kröte, paddan, ist ein ganz flaches Boot, mit dem man durch die Kanäle schippern kann. Dass es besonders flach ist, hat seinen Grund: Die Brücken sind so niedrig, dass das Boot nur so gerade durch passt. Das hat zur Folge, dass wir uns bei jeder Durchfahrt hocken oder auf den Boden legen müssen, wenn uns an unseren Köpfen gelegen ist. Die Fahrt geht durch die Kanäle und auf den Fluss hinaus und wieder zurück. Gleich zu Anfang sehen wir, ganz in der Nähe der Synagoge, ein Haus, das die Hausnummer 17½ hat. Die Erklärung ist die, dass man die Straße von beiden Seiten aus bebaut hat, und als man in der Mitte zusammentraf, war, da man sich verrechnet hatte, keine ganze Nummer mehr übrig.
Später kommen wir an dem hochmodernen, halbrunden Bau der Oper vorbei, die gleich am Lilla Bommen liegt. Wenn man die Erklärung hört, leuchtet einem die extravagante Form sofort ein: Sie erinnert sowohl an ein Schiff als auch an einen Leuchtturm.
Dann kommen wir an dem Bananenpier vorbei. Warum heißt der so? Hier wurden früher die Bananen für den Import verladen. Die Schweden sind, wie man erfährt, Weltmeister im Bananenessen, gemessen am Verzehr pro Einwohner. 28 Bananen werden pro Sekunde in Schweden gegessen. Eine wichtige landeskundliche Information.
Als es wieder auf den Kanal geht, sehen wir links einen halbrunden Bau. Es war einst ein Krankenhaus uns sollte eigentlich ganz rund werden, aber das wurde verhindert, weil einem Aberglauben zufolge runde Bauten Unglück bringen. Jetzt ist hier die Pädagogische Hochschule.
Am Schluss sieht man gleich am Kanalufer einen kleinen, dicken Prometheus, den man nur vom Wasser aus sehen kann. Statt Kopf hat er einen dreieckigen Hut. Die tiefere Bedeutung bleibt mir verborgen.
Ich sehe mir noch die Domkyrkan an, das schwedische Gegenstück zur Christina-Kirche. Sie ist gleichzeitig Stadtkirche für die Innenstadt von Göteborg und Hauptkirche des Bistums. Und hat das ungewöhnliche Patrozinium Gustav. Sie ist nach Gustav Adolf benannt, dem Stadtgründer. Der war im Jahr vor der Einweihung der Kirche in der Schlacht von Lützen gefallen.
Die Kirche ist protestantisch-streng. Auffällig sind die beiden „Trambahnwagen“, zwei Einbauten an den Längsseiten, geschlossen, gläsern. Früher dienten sie dem Bischof bzw. der Priesterschaft, aber was sie da machten, bleibt unbekannt.
Am Abend gehe ich in ein Chinarestaurant, das den Vorzug hat, dass es etwa 20 Meter vom Hotel entfernt liegt. Das erweist sich allerdings auch der einzige Vorzug. Känn dig som hemma steht als Slogan auf einem Bier. Fällt hier nicht so leicht.
26. Mai (Mittwoch)
Beim Frühstücksbuffet ist ein Behälter mit hot milk bzw. varm mjölk beschriftet. Kein Temperaturunterschied, es ist dieselbe Milch. Die beiden Sprachen verwenden andere Kollokationen, ganz vergleichbar mit hot meals und warme Mahlzeiten.
Heute steht ein Schiffsausflug nach Nya Älvsborg auf dem Programm. Was das genau ist, weiß ich nicht, aber es wird überall angeboten. Und die anderen Schiffsausflüge haben alle Tamtam und sind teuer. Dieser ist auch in dem Göteborgpass drin.
Auf dem Hinweg ist das Schiff rappelvoll. Eine ganze Schulklasse ist unterwegs. Ich überlasse ihnen die Plätze im Freien. Die Lehrerinnen flüchten auch bald ins Innere. So warm ist es nämlich gar nicht. Auf der Rückfahrt ist dann strahlender Sonnenschein, und ich habe das Deck fast für mich alleine.
Nya Älvsborg ist eine Festung, und zwar eine Festung, die auf einer Insel liegt, einer kleinen Insel, auf der es eben nur die Festung gibt.
Als wir ankommen, werden wir von zwei verkleideten Schauspielern in Kostümen der Zeit in Empfang genommen. Deren Auftritt überfordert aber meine Sprachkenntnisse, und nach der ersten Szene, noch außerhalb der Festungsmauern, lasse ich mich zurückfallen und sehe mir die Sache selbst an.
Für die Schweden ist Nya Älvsborg vor allem eins: ein Mythos. Hier spielte sich 1719 ein militärisches Wunder ab: 300 Schweden, von 6.000 Dänen mit 600 Kanonen angegriffen, leisteten heroischen Widerstand, und zwar ohne ihren erkrankten Kommandeur. Dessen Stellvertreter, Lillie, wurden zum besonderen Helden. Die Dänen hatten die Schweden aufgefordert, sich zu ergeben. Lillie weigerte sich, die Dänen eröffneten das Feuer, die Mauern wurden beschädigt, Lillie verwundet. In letzten Moment kam Rettung von Norden durch ein im letzten Moment mobilisiertes Heer. Schwedens Westküste war gerettet, und Lillie bekam einen Orden von Königin Ulrika. Und ging in den schwedischen Sprichwortschatz ein: De danska plocka inga svenska liljor. – Die Dänen pflücken keine schwedische Lilie.
Die Festung ist gut erhalten, der Innenhof original. Nya Älvsborg (1677) ist das Gegenstück zu Gamla Älvsborg, der alten Festung, und ist weiter von der Stadt entfernt und auf einer Insel gelegen. Zwischen den beiden Festungen gibt es zu beiden Seiten des Flusses weitere Forts. Man sieht, dass es um was ging.
Der zentrale Verteidigungsbau und der älteste der Festung ist der Turm, ein wuchtiger Quadratturm, in dessen Außenmauern noch Kanonenkugeln stecken. Von oben vom Turm wurden Angreifer beschossen. Unten im Turm befindet sich eine Kapelle. Durch ein Loch in der Decke wurde das Schießpulver nach oben gehievt, mit göttlicher Hilfe, sozusagen.
Noch wesentlicher aber ist der Brunnen. Ohne Brunnen kein Wasser, ohne Wasser keine Festung, ohne Festung keine Verteidigung. Hier steht der Brunnen ganz in der Mitte des Geländes. Wie hat man das Loch in den Fels bekommen? Der Fels wurde mit Feuer erhitzt und dann mit kaltem Wasser begossen, so dass er zerbarst. Nicht ganz risikofrei, vermutlich.
Die Insel sieht heute geradezu idyllisch aus, mit kleinen hölzernen Stegen und gepflegten Rasenflächen, blühenden Bäumen und einem schönem Durchblick durch die Felsen auf das Meer. Aber das Leben hier muss hart und monoton gewesen sein. Es herrschte strengste Disziplin, und Fluchtversuche wurden mit Auspeitschung geahndet.
Später wandelte man die Festung in ein Gefängnis um. Hier wurden die ärmsten Gefangenen untergebracht, und zwar mitsamt Familie. Tagsüber hatte man freien Ausgang, abends wurde man eingesperrt.
Mit dem ersten Schiff geht es zurück, mit einem schönen Blick auf die ganze Insel und wunderbarer, frischer Seeluft. Schon nach gut einer halben Stunde geht es wieder auf Göteborg zu. An eine Kaimauer hat jemand Kemal was gay geschmiert.
Meine nächste Verabredung ist mit dem Medizinmuseum. Auf knorrigen Bohlen bewegt man sich durch Ausstellungsräume mit hohen Wänden und vielen Texten, ein paar Bildern und wenigen Exponaten. Man bekommt eine deutsche Zusammenfassung auf einem Pappkarton in die Hand gedrückt. Den Rest muss man sich zusammenreimen. Aber es lohnt sich.
In den ersten Räumen gibt einen Schnelldurchlauf durch die Medizingeschichte. Hippokrates, der Vater der Heilkunst, war der erste, der Krankheiten auf natürliche Ursachen zurückführte. Vorher glaubte man an das Wirken böser Geister. Schädeltrepanationen wurden vorgenommen, damit die den Körper verlassen konnten. Hippokrates legte großen Wert auf die Beschreibung des Verlaufs der Krankheit. Bei der Heilung ging es ihm darum, in erster Linie das Gleichgewicht wiederherzustellen. Damit war das Gleichgewicht zwischen den Körpersäften gemeint. Er verschrieb Ruhe, warme und kalte Bäder und Diät. Hört sich alles ganz modern an.
Galen, der Arzt der Gladiatoren, nahm als Erster chirurgische Eingriffe vor. Anlass dazu hatte er ja genug. Er nahm seine Forschungen aber an Tieren vor, da das Studium des menschlichen Körpers verboten war. Das verursachte einige sehr resistente Missverständnisse.
Im Mittelalter hatte man keine Zweifel an Galen, aber man nahm auch die Seele in Augenschein. Man sammelte den Urin des Patienten und hielt ihn gegen das Licht. Das verriet, wie es um die Körpersäfte stand.
Naturheilmittel wurden in Klöstern hergestellt, Aderlässe überließ man den Barbieren und Feldschern. Badestuben wurden gleichzeitig geschlossen, aus Angst vor der Syphilis.
Die Araber machten mehr Fortschritte, da ihnen die Religion keine Hemmnisse auferlegte.
In der Renaissance erfuhr der Ansatz Galens eine erste Korrektur durch Vesalius, den Leibarzt Karls V. Paracelsus setzte auch Arsen und Quecksilber in der Heilung ein.
In der Neuzeit werden Meilensteine durch Harvey (Blutkreislauf), Virchow (erkrankte Zellen), Pasteur (Mikroorganismen) Röntgen, Sauerbruch (Unterdruckkammer, ermöglichte Operationen) gesetzt. Die Erfindung eines Mittels gegen die Syphilis, das Penizillin, Polio-Impfstoffe, Geburtenkontrolle, Transplantationen sind wichtige moderne Entwicklungen.
In einem anderen Raum wird die Entwicklung des Krankenhauses anhand lokaler Gegebenheiten erläutert. Die ersten Krankenhäuser waren Hospitäler, in denen Arme, Gebrechliche und Kranke gepflegt wurden. Um die Heilung ging es weniger. Das älteste Krankenhaus dieser Gegend befand sich in Lödöse (XIII). Kenntnis davon hat man nur durch die Zueignung in einem Testament.
„Richtige“ Krankenhäuser gab es erst in der Neuzeit. Das älteste Krankenhaus von Göteborg, von 1782, Sahlgrenska, hatte 24 Betten, davon zwei für Wöchnerinnen. Die Entbindung fand in der Regel zuhause statt. Das Krankenhaus war wegen des Kindbettfiebers gefürchtet.
Die Patienten folgten den Anweisungen des Personals, und die Genesenden mussten helfen, zum Beispiel Verbände anlegen.
Die erste Krankenschwesternschule gab es in St. Thomas, London, gegründet auf Initiative von Florence Nightingale. Bis dahin war das Personal unausgebildet. Und wurde nicht bezahlt. Der Lohn bestand in der Befriedigung, die die Arbeit verschaffte. Wie beim heutigen Universitätspersonal. Andererseits bedeutete die Arbeit sozialen Aufstieg und eine Berufschance für unverheiratete Frauen.
Das Schmuckstück des Museums ist eine vollständig eingerichtete alte Apotheke, mit einer mächtigen hölzernen Theke mit Messingwaage und Mörsern. Dahinter, in Regalen und Vitrinen, säuberlich etikettierte und nach Größe angeordnete Fläschchen und Behälter und darunter eine endlose Reihe von ebenfalls sauber etikettierten Schubladen. Auf einem Beistelltisch steht ein merkwürdiger, wie ein Samowar aussehender Behälter. Wurde hier Tee serviert? Nein. Es ist radioaktives Wasser. Auch das wurde als Arznei eingesetzt.
Das zweite Schmuckstück des Museums ist eine vollständig eingerichtete Zahnarztpraxis alter Art. Man muss zweimal hinsehen, um sie als Zahnarztpraxis zu erkennen. Sie sieht wie ein Wohnzimmer aus, mit einem dicken Teppich, einer gemusterten Tapete, Portraits an den Wänden und einem Sofa. Der Bohrer wird mit einem Pedal auf dem Boden per Fuß angetrieben. Und auf dem Sofa wartet, während der andere noch an der Reihe ist, der nächste Patient,
Auf der Suche nach einem Internetcafé – die sind hier dünn gesät – komme ich über die Aveny und höre plötzlich lautes Getöse. Ein offener Lastwagen mit kreischenden, singenden, hüpfenden, winkenden jungen Frauen biegt um die Ecke. Aus Lautsprechern dröhnt moderne Popmusik. Die Frauen stehen ganz dicht gedrängt. Alle tragen dieselben weißen Schirmmützen und weiße Kleidung. Was ist das nur? Ich habe diese Bilder doch schon mal gesehen. Dann fällt mir ein, wo: im Lehrbuch. Die nächste Lektion beginnt mit einem solchen Photo: studentexamen. Das ist das schwedische Abitur, und dies ist die traditionelle Form, in der das gefeiert wird. Warum nur Frauen? Später, als immer mehr Wagen in ganz unregelmäßigen Abständen aus verschiedenen Richtungen vorbeifahren, sehe ich, dass auch einige Männer dabei sind. Aber sie sind die Minderheit. Und halten sich eher im Hintergrund. Die überschwängliche Begeisterung auf den Wagen kontrastiert mit der Gelassenheit, mit der das auf den Bürgersteigen wahrgenommen wird. Man sieht hin, aber weitgehend unbeteiligt. Der Funke springt nicht über. Ganz und gar nicht. Ein Ausländer, vermutlich ein Araber, schüttelt missbilligend den Kopf. Das ist die einzige Gefühlsregung, die ich erkennen kann. Ihm ist das wohl zu ausschweifend. Ich versuche, Photos zu machen, bin aber immer im falschen Moment an der falschen Stelle.
An der Seite der Lastwagen hängen riesige weiße Bettlaken herunter, auf denen der Name der Schule oder der Klasse oder ein Motto aufgemalt ist. Einige kann man einigermaßen verstehen: Nu åker vi från slakt mot arbetslöshet – Jetzt fahren wir von der Schlacht in die Arbeitslosigkeit. Vi kom in nyktra, vi går ut fulla – Wir sind nüchtern reingekommen, wir gehen voll raus. Andere versteht man nicht. Das liegt teilweise daran, dass man nicht unterscheiden kann, ob ein Wort ein Eigenname ist oder nicht. Und auch daran, dass man <ä> und <å> nicht gut unterscheiden kann: Ist es änglar oder ånglar?
Das Internetcafé befindet sich in einem fensterlosen Keller mit schummriger Beleuchtung. Hier wird Arabisch gesprochen. Und es wird gespielt. Brüllende Tiere sind die Protagonisten des beliebtesten Computerspiels. Ich mache ein paar Notizen, und als ich fertig bin, fragt der Computer mich: „Vil du spara ändrigarna?“.
Als ich wieder ans Tageslicht komme, höre ich schon von weitem noch mehr Abiturfeiern. Ich folge den Geräuschen und versuche noch mal, Photos zu machen. Einige der Frauen sind jetzt abgestiegen. Erst jetzt sehe ich, wie jung sie sind. Kinder.
Vor der Domkyrkan gibt es einen kleinen Brunnen, kein Zierbrunnen, sondern ein Gebrauchsbrunnen, mit einem aus der Wand heraustretenden Wasserhahn. Die Inschrift besagt, dass es der älteste noch in Betrieb befindliche Brunnen der Stadt ist und der zweitälteste überhaupt. Das bedeutete damals eine große Erleichterung für die Bewohner dieses Viertels. Heute dient das Wasser den Passanten. Wie wichtig Brunnen waren, können wir kaum ermessen. Nichts ist selbstverständlicher für uns als Wasser. Solche unaufregenden Dinge wie diesen Brunnen sieht man nur, wenn man lange genug in einer Stadt bleibt.
27. Mai (Donnerstag)
Ich habe die Vorhänge im Zimmer nicht geschlossen, um zu sehen, wie früh es hell wird. Um 4 Uhr morgens ist es Tag, um 12 Uhr Nachts war es noch nicht ganz dunkel.
Beim Frühstück erzählt ein Schwede einem Amerikaner von Kugellagern, einer schwedischen Erfindung, und von SKF, die hier in Göteborg sitzen. Der Schwede sucht nach dem englischen Wort für Kugellager, das ich aus alten Zeiten mit Schülern von SKF kenne. Ich halte mich aber zurück.
Dichte Wolkendecke. Gelegenheit, sich zu bilden. Das kann man im Universeum, einem “Wissenschaftszentrum”. Dahin komme ich mit der Straßenbahn. Auch die kann ich mit dem Göteborgpass nach Belieben benutzen, und sie hält gleich vor dem Universeum.
Nach den Besuchern zu urteilen, ist das hier eine Veranstaltung für Kinder, aber Erwachsene haben auch etwas davon. Alle Landschaftsformen sind tatsächlich vorhanden, und man fühlt sich fast so, als wäre man da.
Man lernt unter anderem, dass Menschen drei farbsensitive Konen haben, Vögel vier. Sie sehen auch Farben, die durch ultraviolettes Licht verursacht werden. Und die sehen wir nicht. Hier kann man durch Knopfdruck eine Blaumeise so sehen, wie sie von anderen Vögeln gesehen wird. Sie ist violett statt blau. Und in der Meisen-Welt gilt: je violetter, desto attraktiver. Die meisten Säuger haben nur zwei Konen und können deshalb nicht rot sehen. In Schweden gibt es immer mehr Blaumeisen – man schätzt inzwischen eine Million Paare – und man findet sie immer weiter nördlich. Die Blaumeisen sind die Akrobaten des Gartens und können sich unter anderem mit dem Kopf nach unten an einen Ast hängen.
In den Hochlandmooren ist die Nahrungssituation schlecht. Wasser kommt nur durch Regen, nicht durch Bäche. Der Boden ist deshalb nährstoffärmer als anderswo. Das Problem haben einige Bäume gelöst, indem sie zu Fleischfressern geworden sind. Sie haben klebrige Blätter, mit denen sie Insekten fangen, um sie dann zu verzehren. Damit erhalten sie Nahrung, die sonst fehlen würde.
Frösche unterscheiden sich von Kröten dadurch, dass sie längere Beine haben und besser hüpfen können. Kröten haben einen gedungeneren Körper und eine Haut voller Warzen. Frösche haben je nach Art ganz unterschiedliche Töne, von vogelhell über affenkreischend bis froschtief. Man kann sie hier hören. Sie produzieren diese Töne, weil sie nicht nur Stimmbänder, sondern auch Stimmbeutel haben. Meistens rufen nur die Männchen, um die Weibchen anzulocken, doch gelegentlich werden die Rufe auch als Warnrufe verstanden.
Am See sieht man Pond skaters, Insekten, die an der Wasseroberfläche kommunizieren, indem sie mit ihren Beinen Wellenbewegungen erzeugen, die von anderen Pond skaters wiederum mit den Beinen „gelesen“ werden können. Es können Tipps für die Nahrungssuche ausgesandt werden, aber auch Warnrufe und Lockrufe.
Im dem See schwimmen völlig unterschiedliche Arten von Karpfen, darunter auch eine Art Rotauge. Das Rotauge wird von vielen schwedischen Fischers als Seeabfall betrachtet, weil es so viele davon gibt, aber in Frankreich gilt es an manchen Orten als Delikatesse. Das Rotauge überwintert auch in Seen, die fast völlig zufrieren, indem er sich in die Erde einbuddelt. Dabei nimmt es Nahrungsstoffe auf, die sein Körper in Alkohol verwandelt. Den wiederum gibt er dann im Sommer an den See ab. Kann man sich hier mit Wasser eins hinter die Binde gießen?
Auf dem See schwimmt eine Ente, die keine ist. Sie hat keine Schwimmhäute zwischen den Zehen, was die Fortbewegung offensichtlich schwieriger macht.
Im Meer geht man auf gleicher Höhe an Haien vorbei und sieht einen Tintenfisch – wenn man ihn denn sieht – der sich so perfekt an die braunen Steine seiner Umgebung angepasst hat, dass man ihn eben nicht sieht – es sei denn, am Aquarium steht: Tintenfisch.
Dann geht es durch den Regenwald, in dem ein kleines schwarzes Seidenäffchen über die Äste springt. Die Bäume sind so hoch, dass der Regenwald drei Etagen hat, so dass man alles von unterschiedlicher Höhe beobachten kann. Piranhas, viel kleiner als ich dachte, schwimmen durch einen Fluss und ein Kaiman liegt völlig regungslos an dessen Ufer.
Ein Armadillo kann nicht schwimmen, kann aber im Wasser waten und kann unter Wasser die Luft eine halbe Stunde lang anhalten. Das Weibchen kann befruchtete Eier jahrelang im Körper tragen und dann, wenn es gerade passt und die Bedingungen stimmen, schwanger werden. Sollten wir übernehmen.
Nach dem Trubel im Universeum kommt man sich im Kunstmuseum geradezu verlassen vor, in den großen, hohen Hallen mit schmucklosen, hohen Fenstern.
Am Eingang gibt es einen Stich von Göteborg von 1623. Das Bild ist aber 1997 datiert. Die Form des Bildes führt einen in die Irre. Es ist eine Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart und von Wahrheit und Dichtung, die in dem Gewand einer traditionellen Kunstform daherkommt.
In einer Abteilung des Museums werden auf verschiedenen Ebenen moderne Kunstströmungen vorgestellt, angefangen mit dem Konkretismus. Da gibt es unter anderem ein Bild mit blauem Hintergrund und zwei schmalen, weißen Linien, die sich kreuzen. Das ist alles: „Endlose Wege“.
Im Abstrakten Expressionismus befinden sich Klecksereien von der Art Jackson Pollocks. Wenn man länger hinsieht, erkennt man aber was, wie auf einem Bild, in dem aus einem waagerechten weißen Balken ein Schiff, aus einem schwarzen senkrechten Balken ein Segel, aus einem gelben Klecks die Sonne und aus gelben Streifen auf blauem Grund das Abendlicht wird.
Bei der Pop Art und dem Photorealismus hält der Gegenstand dann wieder Einzug in das Bild. Man sieht ein hohes Bild mit der Fassade von Wolkenkratzern, auf den ersten Blick ganz normal, etwas naiv dargestellt. Das Besondere erkennt man erst, wenn man näher ran geht. Aus allen Fenstern fliegen Aktenordner, Papierstapel, Schreibmaschinen, Bürostühle. Die Menschen beteiligen sich mit Begeisterung an der Wegwerforgie.
In die anderen Abteilungen des Museums geht es durch einen Raum, das einem einzigen Gemälde Rembrandts gewidmet ist. Das Original befindet sich hier. Es geht darum, wie man mit Röntgenuntersuchungen, in denen bleihaltige Farbe besonders zu Vorschein kommt, etwas über die Entstehungsgeschichte des Bildes herausfinden kann. In diesem Fall hat die Untersuchung ergeben, um wen es sich bei dem Portraitierten handelt.
Ich wende mich aber den nordischen Sälen zu. Hier sind Maler mit Namen wie Nordström, Hasselberg, Ericsson, Birger und Larsson vertreten. Gut vertreten ist die Landschaftsmalerei. Ich sehe mir ein dunkles Bild an, das „Der Wald“ heißt. Auf den ersten Blick sieht man gar nichts. Dann erkennt man schlanke, dunkle Baumstämme, ganz nah beieinander stehend, dann dunklen, grünen Waldboden und am Ende dünne Lichtstreifen zwischen den Bäumen, die die dahinterliegende Lichtung erahnen lassen. Es wird immer intensiver, je länger man hinsieht.
Auch die Arbeit auf dem Land ist ein Thema: Bauern bei der Ernte, Bauern beim Pflügen, weder idyllisch noch anklagend, einfach als Teil des Lebens. Sogar die Arbeit im Kuhstall wird thematisiert, sicherlich wohl Thema der klassischen Malerei.
Am längsten bleibe ich vor einem ganz anderen Bild stehen: „Hip Hip Hurrah“. Es zeigt ein Fest des Künstlers im Freien. Das Bild hat keine besondere Aussage, aber eine wunderbare Atmosphäre. Es wird der Moment dargestellt, in dem angestoßen wird. Man sieht in lachende Gesichter, man erlebt einen Augenblick flüchtigen Glücks. Nichts trübt die Stimmung. Licht fällt durch dichtes Laub auf Kleider, Gesichter, Haare und bricht sich in durchsichtigen Sektgläsern und auf der weißen Tischdecke. Sieben Männer, alle mit anderen, altersgemäßen Bärten, sind aufgestanden und prosten sich zu, drei Frauen erheben sitzend das Glas, ein Kind zieht sich am Hocker hoch, um auch dabei zu sein. Selbst die Frau, die man nur von hinten sieht, scheint zu lächeln.
Als ich an der Festung vorbeikomme, werde ich umgeleitet. Hier wird gerade ein Film gedreht. Alle sind sehr freundlich und entschuldigen sich für die Umstände. Dabei ist der Umweg nicht der Rede wert. In der Szene, die gerade gedreht wird, gehen ein paar Afrikanerinnen einzeln und schweigend über den Platz, und dann fahren ein paar Jungen auf Inlineskatern auf ihm herum. Das ist alles.
Was von der Festung übrig ist – ist das die Burg von Göteborg? – liegt hoch auf einem schwarzen Granitblock, der aus der sonst ganz ebenen Innenstadt im wahrsten Sinne herausragt. In den Felsen führt ein Eisentor. Ob das, was oben steht, wirklich Teil der Burg war, ist nicht festzustellen. Jedenfalls scheint es nicht zugänglich zu sein.
Da sich das Wetter wieder zum Besseren gewandt hat, und zwar entschieden, mache ich noch einen Spaziergang nach Haga, dem alten “Arbeiterviertel”. Von Arbeitern ist heute nichts zu sehen, es sei denn, man betrachtet Studenten als Arbeiter. Das Viertel liegt gleich hinter der Universität und hat Studentencafés und alternative Läden in Häusern, die tatsächlich niedriger und tatsächlich teils aus Holz sind, aber sich auch nicht grundsätzlich von denen der Innenstadt unterscheiden. Die Atmosphäre ist allerdings anders, etwas dörflicher. Wenn man nach den Beschilderungen geht, sind die Häuser durchaus nicht von, sondern allenfalls für Arbeiter gebaut worden. Die Käufer und Erbauer sind meistens Kaufleute, die Wohnung und Geschäft in ein und demselben Haus hatten und vielleicht weitere Räume untervermieteten. Die Straßen haben grobes Kopfsteinpflaster und sind autofrei.
Danach, wieder in der Innenstadt, gehe ich noch, ohne zu wissen, worum es sich handelt, zum Kronhuset, das irgendwo ausgeschildert ist. Es ist, wie sich herausstellt, eins der wenigen Häuser der Innenstadt, das die vielen Brände überlebt hat, ein großes Backsteinhaus aus roten Ziegeln. Hier kommt man sich wie in Lübeck vor. Die Besonderheit des Hauses besteht darin, dass nicht nur das Dach aus Kupfer ist, sondern auch die Fensterläden und die Tore. Die Längsseite des Hauses geht auf einen Innenhof, um den sich niedrige, einstöckige Häuser gruppieren, die heute kleine Läden oder Handwerksbetriebe oder Cafés beherbergen. In einer von ihnen kaufe ich ein Stück hier hergestellter Schokolade, ein längliches, unverpacktes Stück, das wie eine große Scheibe Brot aussieht.
Das Kronhuset wurde im 17. Jahrhundert gebaut und diente als Arsenal, wobei Arsenal nicht nur Waffenlager, sondern auch Getreidelager bedeutet. Heute ist hier die Musikhochschule untergebracht.
28. Mai (Freitag)
Beim Frühstück eine größere Gruppe Taubstummer, die sich angeregt unterhalten, an verschiedenen Tischen. Trotzdem ist es ruhig, bis auf ein vereinzeltes Lachen. Am Nebentisch lässt ein Asiat geräuschvoll einen fahren. Aber das stört die Taubstummen nicht.
Das Idrottsmuseet, das Sportmuseum, liegt ein ganzes Stück außerhalb des Stadtzentrums, im Nordosten, in Kviberg. Die Fahrt nach Kviberg führt am Hauptbahnhof vorbei und durch ein Industrieviertel. Eine Haltestelle ist SKF. So wie das in der Straßenbahn klingt, wie ein normales Wort, hätte ich es nie ausgesprochen. Die Bahn fährt an der endlosen Backsteinfassade von SKF vorbei.
In Kviberg ist weit und breit kein Museum zu sehen, und es ist kein Mensch auf der Straße. Dann kommt eine ganze Gruppe auf mich zu, aber die sind selbst auf der Suche, nach der Jugendherberge. Die ist schnell gefunden. Sie liegt schön auf einer Wiese im Zentrum, auf mehrere rote Holzhäuser verteilt. Ich finde eine Informationstafel. Dort erfahre ich, dass Kviberg ein alter Kasernenstandort ist, dessen Gebäude in Studentenwohnheime und eine Jugendherberge umgewandelt wurden. Auf der Tafel sind alle Gebäude nummeriert, nur die 7 fehlt – das Sportmuseum. Ich gehe einfach in die andere Richtung, bis ich jemanden treffe, der Bescheid geben kann. Ich werde einen Berg hochgeschickt und bekomme gleich Bewegung als Vorgeschmack auf das Sportmuseum. Dann stehe ich vor einer verschlossenen Tür. Ich kontrolliere noch einmal die Öffnungszeiten, und die stimmen. Dann fällt mein Blick auf ein Schild neben der Tür. Dessen Anweisungen kann ich nach mehrmaligem Lesen entziffern. Man soll schellen. Das tue ich und trage mein Anliegen vor. Daraufhin wird geöffnet.
Das Museum hat auf drei Etagen Wimpel und Pokale, Poster und Fotos, Medaillen in Hülle und verwirrender Fülle. Wie in einer mittelalterlichen Kirche ist kaum ein Quadratmeter ausgelassen. Das Meiste ist dem Fremden fremd. Namen, Titel, Ereignisse, die einem nichts sagen. Das ist was für Insider.
Am besten sind einige Realia, wie Skier aus verschiedenen Jahrzehnten, an einer Wand aufgereiht, die älteren viel länger und breiter und weniger bunt als nie neuen, mit Halterungen, die nichts als zwei Lederriemen sind.
In einer Ecke die vorsintflutliche Ausrüstung eines Eishockeytorwarts. Aus Leder! Daneben ein Biertisch mit dem Emblem von IFK zur 100-Jahr-Feier (2004).
In einer Vitrine sind die Maskottchen der olympischen Spiele von Moskau und Los Angeles friedlich vereint. Es gibt eine ganze Sammlung von Plakaten von Olympischen Spielen. Sehr bunt das von Stockholm, majestätisch das von Rom (1960), ähnlich das von Mexiko (1968), dynamisch-modern das von München (1972). Die Winterspiele heißen vinterlekare, friidrott heißt Leichtathletik.
Im oberen Stockwerk ein Modell des Ullevi-Stadions von 1958, das mit seiner abgeflachten Gegengeraden sehr modern wirkt.
Alle möglichen Devotionalien von Thomas Ravelli sind ausgestellt, nach einer Umfrage der populärste Fußballer Schwedens aller Zeiten. Er ist auch in der Galerie der Sportler des Jahres vertreten, von denen ich sonst kaum einen kenne, außer Patrick Sjöberg (Leichtathletik) und Henrick Lundquist (Eishockey).
In einer Vitrine eine Briefmarke, die Ingemar Johansson zeigt, Boxweltmeister 1959, und an der Wand ein brauner Anzug, der durch einen anderen Boxer, Sven Peterson (“Ess-Pe”) berühmt wurde.
An der Wand Karikaturen verschiedener Sportarten, in denen die Sportler in Blau-Gelb dribbeln, zaubern, schmettern, zielen, treffen, während die in Rot-Weiß staunend dabeistehen, hinterherlaufen oder foul spielen. An der Wand eine riesige Fototapete, in der ein schwedischer Fußballer den Ball im deutschen Tor versenkt. Ohne Kommentar. Das kennt vermutlich jeder Schwede. Wahrscheinlich ist es aus dem Halbfinale von 1958.
Das Volvo-Museum, mein nächstes Ziel, liegt weit außerhalb. Das merke ich aber erst, als ich schon auf halbem Wege bin. Von der Straßenbahnstation muss man noch einen Bus nehmen und bis zu dessen Endstation fahren, aber der nächste kommt erst in einer Stunde und an dieser verlassenen Haltestelle kann man sich nirgendwo hinsetzen, außerdem hat es begonnen zu regnen. Also fahre ich wieder ins Zentrum zurück. Dabei geht es über den Fluss. Kein anderes Museum liegt auf dieser Flussseite.
Im Zentrum versuche ich für morgen eine Busfahrkarte zum Flughafen zu bekommen. Das erweist sich als schwierig. Ich finde die Haltestelle erst nicht und verstehe dann nicht, warum man mir keine Fahrkarte verkaufen will. Der Groschen fällt erst, als ich es beim zweiten Versuch auf Englisch mache: Die Karte ist nur 24 Stunden gültig. Ich soll besser gleich im Bus mit der Kreditkarte bezahlen.
Da das Wetter immer schlechter wird, flüchte ich ins Naturkundemuseum. Das liegt sehr schön im Schlosspark.
Das Naturkundemuseum ist das unmoderne Gegenstück zum Universeum. In schrägen Glasvitrinen sind unzählige Vertreter einer Spezies, Schmetterlinge, Spinnen usw. ausgestellt. Das erinnert an die naturwissenschaftlichen Sammlungen eines deutschen Gymnasiums der Sechzigerjahre. Der Computer und das Konzept des interaktiven Museums haben hier keinen Platz. Es verlieren sich auch nur wenige Besucher in den langen Gängen. Die meisten bleiben mit ihren Kindern in der Spielzone im Erdgeschoss. Es gibt aber viel zu entdecken.
Neben einer ausgestopften Giraffe steht deren Skelett. Man kann ganz deutlich sieben Halswirbel ausmachen, keinen mehr. Sie sind einfach größer. Beim Strauß sieht das anders aus. Ob er wirklich mehr Halswirbel hat? Oder gehen die einfach übergangslos in die Brustwirbel über und man zählt falsch?
Das Skelett des Nashorns hat kein Horn. Verschwunden? Geklaut? Abgesägt? Nichts davon. Das Horn ist einfach nicht Teil des Skeletts. Es besteht aus verschmolzenen Haaren, die aus der Haut heraustreten.
Eine Schildkrötenart, die Box turtle, wurde von Amerika nach Europa unter diesem irreführenden Namen exportiert. Tatsächlich ist es keine turtle, sondern eine tortoise. Die einen sind Vegetarier, die anderen Fleischfresser.
Staunend steht man vor der unglaublichen Vielfalt, die die Natur hervorbringt. Warum? Was hat ein Spatz mit einem Pinguin, eine Krähe mit einem Strauß, eine Eule mit einer Ente, ein Pfau mit einem Stieglitz gemeinsam? Warum diese Vielfalt? Warum diese Schönheit, warum diese Farben?
Der Paradiesvogel, trotz seines vielversprechenden Namens, sieht allerdings langweilig aus, wie eine grau-braune Taube. Das Männchen hat lediglich einen bunten Fleck auf dem Kopf. Das Nest ist aber spektakulär und besteht aus zwei hohen Wänden, ohne Dach, mit offenen Türen. Der Boden besteht aus Ästen, mit einem sauber gearbeiteten Kreis von feinsten Kieselsteinen im Zentrum.
Das letzte Wirbeltier, das in Schweden eingeführt wurde, ist die Kanadagans, eine schwarz-weiße Gans mit schwalbenähnlichem Kopf. Sie ist heimisch geworden und hat sich so sehr ausgebreitet, dass sie fast zu einer Plage geworden ist. Und was ist mit der einheimischen Gans passiert? Ist sie verdrängt worden? Hat sie unter der Konkurrenz gelitten? Im Gegenteil: Auch sie hat sich überproportional vermehrt.
Einer der Helden des Museums ist Smilet, das Krokodil, das einzige Reptil, das es ins Guinness Book of Records gebracht hat. Sein Verdienst besteht darin, mit 2 Jahren ins Schifffahrtsmuseum von Göteborg aufgenommen worden zu sein und es erst mit 65 wieder verlassen zu haben.
Das Prunkstück des Museums ist aber ein ausgestopfter Blauwal, der einzige auf der Welt. Er strandete in der Gegend von Göteborg und wurde von zwei Fischern, die ihn mühevoll geborgen hatten, an den Kurator des Museums verscherbelt. Der sah seine Chance gekommen und engagierte zehn Metzgerlehrlinge, die sich de s Wals annahmen, und zwar sofort, denn der Putrifizierungsprozess hatte bereits eingesetzt. Es wurde ein Loch in den Körper geschlagen, damit die Gase austreten konnten. Die Lehrlinge wurden mit der Aussicht auf Freibier für den bestialischen Gestank entschädigt. Nachdem der Körper leer geräumt war, wurde die Haut mit Lehm, Salz und Sägemehl und später mit Arsen und Terpentin behandelt und dann abgezogen. Man baute ein Holzgestell, auf das die Haut dann mit 30 000 Nieten aus Kupfer und Zink befestigt wurde. Die sieht man noch deutlich. Das Skelett steht daneben. Zusammen nehmen sie einen ganzen Raum ein, der außerdem eine Empore hat, so dass man den Wal auch von oben sehen kann. Von dort sieht er etwas wie ein Flugzeug aus. Man fragt sich, wie es gelang, das Ganze 1866 zur Industrieausstellung nach Stockholm zu schaffen. Dort wurde sogar ein Raum im Wal geöffnet, in dem die königlichen Majestäten bewirtet wurden. Später wurde der Raum auch dem normalen Publikum zugänglich gemacht, bis man ein Liebespaar darin in einer kompromittierenden Situation überraschte.
Auf dem Weg nach Hause fällt mir ein Schaufenster auf: Skobutiken för kvinnor med små fötter – Schuhgeschäft für Frauen mit kleinen Füßen.
Am Abend sehe ich fern. Bei Wer wird Millionär? gibt es eine Million zu gewinnen, aber es ist nur eine Million Kronen, gerade einmal 100.000 Euros.
Im 2. Kanal gibt es nachts Testbild, etwas, das aus der deutschen Fernsehwirklichkeit praktisch verschwunden ist. Dazu gibt es schöne, beruhigende Musik. Wahrscheinlich besser als all die Sendungen, die man in Deutschland während dieser Zeit bekommt.
In einer Werbung sieht man, wie eine junge Frau ihren Freundinnen ihr neues Haus zeigt. Als sie den letzten Raum betreten, hört man schrilles, begeistertes Kreischen. Die Kamera schwenkt und man sieht in den Raum hinein: Regale an allen Seiten, von oben bis unten. Und in allen Regalen Schuhe, nichts als Schuhe. Allmählich wird das helle Kreischen der Frauen von dumpfem Grölen aus Männerkehlen übertönt. Das bringt die Frauen schließlich zum Schweigen. Szenenwechsel. Man sieht, wie der Ehemann seinen Freunden einen anderen Raum des Hauses zeigt: Regale an allen Seiten, von oben bis unten. Und in allen Regalen Bier, nichts als Bier.
29. Mai (Samstag)
Im Schifffahrtsmuseum gibt es Schiffsmodelle zu sehen, alte und neue. Darunter die Finnland (XVIII), ein Frachtschiff, das es auf sechs Fahrten nach China brachte und Seide, Porzellan und Tee nach Europa brachte. Es ist nicht nur funktionstüchtig, sondern auch schön: Es hat einen Balkon, Sprossenfenster und Messingbeschläge. Aber auch Kanonen.
Das Gegenstück dazu ist ein moderner Öltanker. Es ist 330 Meter lang, drei Fußballfelder. Er fasst 300.000 Tonnen Öl. Öltanker dieser Dimension gibt es erst seit dem Sechs-Tage-Krieg. Der Kanal von Suez war geschlossen worden, und die Reise um das Kap Hoorn lohnte sich nur, wenn man entsprechende Mengen transportieren konnte.
Anhand des saudi-arabischen Tankers Sirius wird das Thema Piraten behandelt. Er wurde von somalischen Piraten geentert. Sie erpressten 24 Millionen Kronen. Sind Piraten einfach gefährliche Kriminelle oder holen sie sich von den Reichen, was ihnen zusteht? Früher gab es legale, von der Regierung autorisierte Piraten, sog. Kaper, für die hier eine Fregatte steht. In Schweden erlangte ein gewisser Lasse i Gatan Berühmtheit. Er durfte die Schiffe der Feinde Schwedens berauben und wurde reich dabei.
An einem in Göteborg gebauten Frachtschiff (1943) ist eine Seite des Schiffsrumpfs offen gelassen worden. Das ist interessant. Man sieht, mit wie viel Akribie die Sachen verstaut wurden, um keinen Raum zu verschenken: Säcke, Rollen, Kisten, Fässer, alle sind fein säuberlich angeordnet.
Woanders sieht man das Modell des Hafens von Göteborg mit der Beschriftung Gamla Varvet början av 1700 talet. – Der alte Varvet zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Kommt daher die Bezeichnung für den Lauf? Aber was bedeutet varvet dann hier?
In einer Vitrine sieht man einen Haufen von Scherben von Tellern, Tassen, Schüsseln, Figuren. Porzellan zu transportieren war eine schwierige Sache.
Wieder woanders sieht man ein altes Aquarium aus Privatbesitz. Es ist hochkant, sechseckig und aus Gusseisen. Im Wasser ist eine Skulptur, die die Stadt Göteborg und ihren Hafen abbildet. Die Fische tummeln sich zwischen den Gebäuden herum.
Eine Abteilung beschäftigt sich mit Seefahrt und Kultur. Bücher, Filme, Lieder, Kleider, die mit der Seefahrt zu tun haben. Das meiste ist schwedisch, aber auch bei der Weltliteratur fallen sofort Bücher ein, die sich mit der Seefahrt beschäftigen: Robinson Crusoe, Die Schatzinsel, Die Odyssee.
Auch Motive und Instrumente von Seemannstätowierungen sind zu sehen. Besonders beliebt war die Möwe. Sie legt lange Distanzen zurück und kehrt nach Hause zurück – wie der Seemann. Eine Möwe stand für 5.000 Seemeilen, zwei Möwen für 10.000 Seemeilen usw.
Das Taufen von Schiffen gibt es noch gar nicht so lange, seit 1811. Vorher wurde Wein über das ganze Deck ausgegossen. Bei der ersten Schiffstaufe im modernen Sinne verfehlte die Taufpatin das Schiff und traf einen Zuschauer. Seither bindet man die Flasche an einer Kordel fest.
Im Kellergeschoss hat das Schifffahrtsmuseum ein Aquarium. Man wird in ein Geheimnis des Meeres eingeweiht: Der Riesenkalmar ist ein Tier, das so tief im Meer lebt, dass niemand weiß, wie groß es ist. Manche sprechen von 20 Metern. Es soll die größten Augen der Tierwelt haben, so groß wie ein Fußball. Auf der Erde sind wir an jedem Fleck gewesen, im Meer noch nicht. Kein Wunder, dass es überall auf der Welt Sagen über Meerungeheuer gibt.
Ein Aquarium hat ein buntes Korallenriff. Die ‚Pflanzen‘ bewegen sich ständig, aber das sieht man nur, wenn man ganz nah ran geht. Die bunte Vielfalt lässt das Naturwerk wie ein Kunstwerk aussehen.
Dann geht es in verschiedenen Aquarien immer weiter in die Tiefe, vom Bach bis auf den Meeresboden. Im Bach sieht man eine Art von Flusskrebs, dessen Population durch einen anderen, aus Nordamerika importierten, um 90% reduziert worden ist.
In der Ostsee gibt es relativ wenige Tiere, aber da sie Brackwasser hat, leben hier Süßwasserfische und Salzwasserfische Seite an Seite.
Noch tiefer sieht man Algen, die keine Wurzeln haben. Ihre Blätter können Wasser und Nahrung aufnehmen.
Noch tiefer wachsen keine Algen mehr, da hier kein Licht hin dringt. Dennoch gibt es Tiere. Sie kleben an der Oberfläche des Felsens fest und lassen sich die Nahrung, statt sie zu suchen, vom Wasser bringen. Faule Säcke?
Mit der Straßenbahn geht es in die Stadt zurück. Bei den Straßenbahnwagen gibt es alt und neu und uralt, aber alle sind voll funktionstüchtig. Sie haben immer nur zwei Waggons, sind immer pünktlich und kommen in kurzen Intervallen. Die Orientierung ist leicht, obwohl man an den zentralen Stationen manchmal nach dem Bahnsteig sucht. Aber es wird immer gerne geholfen. Am Brunns parken, wo praktisch alle Linien zusammenlaufen, gibt es zu beiden Seiten des Platzes jeweils zwei Gleise, auf denen jeweils zwei Straßenbahnen gleichzeitig halten können, während andere gerade um die Kurve fahren. Noch nie habe ich so viele Straßenbahnen auf einmal gesehen. Sehr nützlich in den Wagen sind doppelte horizontale Eisenstangen in der Mitte, an denen man sich halb sitzend anlehnen kann. Viele Haltestellen sind nach der jeweiligen Straße oder dem Platz benannt und enden in Gatan oder Torget. Warum dabei der Artikel steht, verstehe ich nicht. Bei Eigennamen fällt er weg: Prinsgatan, aber Galilei Gata, Lilla Torget, aber Selma Lagerlöfs Torg.
In einem Café bei der Domkyrkan, wo man in Ruhe sitzen und schreiben kann, gibt es Tee und Apple Paj. Das versteht man erst, wenn man es liest. 62 Kronen, bei Selbstbedienung. Ich finde das teuer.
Was beim Sprechen fehlt, sind immer wieder dieselben Ausdrücke. Im Laufe der Tage habe ich mir ein paar notiert: und so weiter, unter anderem, das kommt drauf an, letztes Jahr (und überhaupt Zeitangaben), im Allgemeinen, das stimmt, in Ordnung, du hast recht. Auch das, was fehlt mir. Bei Bestellungen ist es immer wieder in Ordnung oder irgendein Ausdruck der Zustimmung, wenn man nachgefragt hat: In Ordnung, dann nehme ich den.
Zum Abschluss fahre ich noch in den Botanischen Garten, den „richtigen“, nicht den im Stadtpark im Zentrum. Neben Gewächshäusern und Beeten gibt es hier einen Steingarten, einen Kräutergarten, einen japanischen Garten, einen Küchengarten. Außerdem gibt es Systembeete, in denen die Pflanzen nach ihrer systematischen Einteilung gezeigt werden, aber das ist nichts für Uneingeweihte. Man erkennt nichts, nicht einmal, nach welchen Kriterien die Pflanzung vorgenommen wurde. Und die Beschriftung ist nur auf Schwedisch. Also lasse ich mich einfach treiben und genieße den Ort. Irgendwie komme ich auf einen gewunden Weg, den Berg hinauf, und dann gibt es auf einmal gar keinen Weg mehr, und man kraxelt über Felsbrocken und zwischen ihnen her. Ich bin ganz alleine. Der Himmel ist schwarz-weiß-blau, und ab und zu kommen ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken. Am Wegrand blühende Büsche. Die Stimmen der Besucher hört man nicht mehr, aber der Kontakt zur Zivilisation ist noch nicht abgebrochen: von der einen Seite kommen laute Popmusikrhythmen aus einem Lautsprecher, von der anderen, auch aus einem Lautsprecher, die Stimme eines Muezzin. In der Stadt sieht man in der Tat viele Einwanderer, darunter Frauen, die stark verhüllt sind. Einige tragen eine Burka. Die sie begleitenden Männer haben modische Sonnenbrillen, dicke Ringe und Handys neuerster Fabrikation.
Am Busbahnhof angekommen, versuche ich, an einem Automaten eine Fahrkarte für die Fahrt zum Flughafen zu bekommen, aber es funktioniert nicht. Jetzt wird es mir langsam mulmig, denn dass man mit Bargeld nicht bezahlen kann, weiß ich. Meine Befürchtungen lösen sich aber in nichts auf, als ich einsteige und ganz vorsichtig frage, ob man eventuell auch mit Kreditkarte zahlen könne. Ja, selbstverständlich, sagt der Busfahrer, steckt meine Kreditkarte in einen Schlitz und gibt sie mir wieder. Er hat mir soeben 5 Euro abgebucht. Schweden ist ein modernes Land.