Lissabon (2016)

22. Februar (Montag)

Eine unendlich wirkende Fahrt über ein ratterndes Gitter über die Brücke des 25. April, ganz oben, hoch über dem Tejo, eher zufällig am Steuer eines fremden Autos sitzend, das ist die intensivste Erinnerung an den ersten Besuch von Lissabon vor vielen Jahren. Alle anderen Bilder sind nur noch blass  vorhanden: ein Aufzug von der Unterstadt in die Oberstadt, altmodische Straßenbahnen, der Blick vom oberen Ende eines sanft abfallenden Parks auf das ferne Ufer des Tejo, ein Turm irgendwo am Wasserrand. Damals waren wir Ostern hier, die bessere Reisezeit, klimatisch gesehen, aber auch die schlechtere, denn wir standen ständig vor verschlossenen Türen, in Sintra, in Estoril, in Belén (Namen, die jetzt erst wieder in Erinnerung kommen). Das soll diesmal anders sein.

Der Flug dauert drei Stunden, aber eine bekommt man gleich wieder erstattet. Portugal liegt eine Stunde zurück. Es hat dieselbe Zeit wie England, aber eine andere als Spanien. Da steckt Methode dahinter.

Heute ist kein klassischer Reisetag. Der Bus zum Flughafen ist nur ganz dünn besetzt, und an der Kontrolle am Flughafen gibt es keine Schlange. Im Bus sind auch vier Italiener, die nach  Cagliari fahren und ein junger Afrikaner, der Portugiesisch spricht. Angola? Mosambik? Nein, Såo Tomé. Der unfreundliche Fahrer, die hässliche Abflughalle, die lästigen Durchsuchungen bei der Kontrolle, der wolkenverhangene Himmel, der kalte Wind: Nix wie weg!

Als es auf das Ziel zugeht, kommt kurz das Meer in Sicht, dann Siedlungen mit viel Grün drum herum und dann der Tejo. Wir fliegen direkt über der Brücke auf die andere Seite.

Lissabon liegt nicht am Meer, sondern am Tejo. Der bildet hier eine Art Binnenmeer, bevor er ins Meer mündet, ein paar Kilometer hinter Lissabon. Die Mündung selbst ist sehr schmal und hält die Wellen des Atlantiks ab, und das Binnenmeer bildet einen fast natürlichen, geschützten Hafen. Dem hat Lissabon seine Größe zu verdanken, wahrscheinlich sogar seine Existenz.

Gegründet wurde Lissabon von Odysseus. Das sagt jedenfalls Camões, der Nationaldichter, in seinem Nationalepos, Os Luciadas. Aus Ulysses habe sich Lisboa entwickelt. Das ist natürlich Wunschdenken. Die Wirklichkeit ist profaner. Lissabon ist eine phönizische Gründung. Aus deren Allis Ubbo, ‚Liebliche Bucht‘ wurde Olisipo und dann Olisipona und dann Lisboa.

In Lissabon ist das Wetter viel besser, am Flughafen noch ziemlich windig und etwas wolkig, aber im Zentrum fast sommerlich, mit blauem Himmel.

Vom Flughafen ins Zentrum geht es mit der Metro. Die fährt links, wie die von Paris und anders als die von Madrid. Natürlich. Für die öffentlichen Verkehrsmittel kauft man sich eine Chipkarte, die man dann mit einzelnen Fahrten oder, noch praktischer, mit einem Pauschalbetrag aufladen kann. Es geht die gesamte Rote Linie  – Linha Vermelha – entlang und dann ein paar Stationen in der Blauen Linie – Linha azul – bis zu Restaudores. Das hört sich nach Kunst an, ist aber Politik. Der „Restaurierer“ sind Rebellen, die, die sich gegen die spanische Herrschaft aufgelehnt haben, ein Aufstand, der zur endgültigen Unabhängigkeit Portugals von 1668 führte.

Die Pension befindet sich in der Rua das Portas de Santo Antåo. Das ist Antonius. Antonius von Padua. Und was hat der mit Lissabon zu tun? Der ist hier geboren! Wäre ich ja im Leben nicht drauf gekommen.

Die Rua das Portas de Santo Antåo ist eine kopfsteingepflasterte Fußgängerstraße, mit einem Touristenlokal nach dem anderen am unteren Ende. Am oberen Ende, da, wo die Pension ist, ist es viel ruhiger.

Der Mann an der Rezeption gibt mir die Informationen in fließendem Spanisch. Andere antworten auf Englisch, andere auf Portugiesisch. Mir selbst rutscht auch hin und wieder Englisch raus, und sogar Italienisch: Grazie! Wenn Portugiesisch gesprochen wird, kann ich die Antworten eher erahnen als verstehen.

Das Portugiesische hat, wie mir unterwegs aufgefallen ist, praça, praia, prato und igreja, also /r/, wo das Spanische /l/ hat, wohl aber azul. Muss wohl an der Lautumgebung liegen.

Ich ziehe die Regenjacke aus und Sandalen und T-Shirt an und mache mich auf den Weg. Gleich neben der Pension, ein bisschen weiter die Straße rauf, habe ich vorher eine der alten, aus nur einem Wagen bestehenden Straßenbahnen gesehen. Tatsächlich ist es wohl eher eine Drahtseilbahn, aber die Kabine sieht genauso aus wie die der Straßenbahnen. Es gibt drei davon in Lissabon. Offiziell heißen sie ascensores, Aufzüge. Dieser hier, der Ascensor do Lavra, ist der älteste überhaupt.

Es geht eine kurze Strecke ganz steil den Hang hinauf. Die Straße ist so eng, dass neben den Gleisen nur ein ganz schmaler Weg für Fußgänger bleibt.

Der Fahrer ist gerade dabei, einigen portugiesischen Passagieren die Straßenbahn zu erklären. Sie ist die älteste Straßenbahn Lissabons, 1884 eingeweiht, und funktionierte anfangs noch mit Dampfantrieb, bevor sie elektrisiert wurde. Dann geht es los. Auf halbem Weg wird die Strecke zweigleisig, und es kommt uns die andere Bahn von oben entgegen. Dann wird es sofort wieder eingleisig. Nach ein paar Minuten ist die Fahrt zu Ende. Ich gehe über eine lange Treppe abseits der Straßenbahntrasse, zu Fuß wieder hinunter. In ein paar Minuten ist man unten.

Dann geht es die Rua das Portas de Santo Antåo wieder hinunter. Der Name erinnert an die Tore der alten Stadtmauer, die aber längst abgerissen ist. Sie verlief entlang dieser Straße.

Bald komme ich zum Rossio, einem schönen, langgestreckten Platz mit Cafés auf beiden Seiten. An einem Ende befindet sich das Nationaltheater, an den beiden Längsseiten Cafés, Bars und Geschäfte, und auf dem Platz an den beiden Enden zwei identische Brunnen. Vier Meerjungfrauen halten Hörner in der Hand, aus denen Wasser in die untere Schale des Brunnens katapultiert wird, von der wiederum das Wasser über den Rand in das Becken fließt, das außerdem Wasser aus der oberen Schale erhält. Die Wasserstrahlen brechen sich in der Sonne. Wunderbar!

Etwas abseits, viel kleiner, fast unbeachtet, ein gusseiserner Leuchter, bei dem vier schmale Figuren die Platte tragen, auf der die Halterung für das Licht angebracht ist. Außer mir hat noch ein anderer Mann die Sache entdeckt und macht sorgfältig ein Photo mit einer professionellen Kamera.

Ganz besonders ist auch der Boden des Platzes. Schwarze und weiße Streifen, aus Basalt und Kalkstein, ahmen Wellen nach. Man hat tatsächlich den Eindruck, dass sich hier etwas bewegt. Und nicht nur das. Man hat auch den Eindruck, dass manche Wellen höher, andere tiefer liegen.

Ich bestelle auf der Terrasse der Pastelaria Suiça einen Kaffee. Der ist teuer, aber dafür schlecht. Der Kellner nimmt die Bestellung wortlos entgegen und stellt den Kaffee ebenso wortlos vor mich.

Ich bin der einzige, der Kaffee bestellt. Einige trinken Wein, die allermeisten aber Bier. Am Nebentisch macht sich ein Mann an einer Maß zu schaffen.

An dem Platz ist eine Apotheke mit einem Schild, in dem das Wort Apotheke in allen möglichen Sprachen erscheint. Es gibt drei wesentliche Quellen: pharmacy, farmacije, farmasi, apotheek, aptek, apotek und (vom griechischen Wort für ‚Arzt‘ abgeleitet) lékárna, lekáren, lekarne, alle griechischen Ursprungs. Interessanter sind die anderen, die, die man nicht identifizieren kann: fferyllfa, yakkyoku, vaistin usw.

In einem Geschäft am Rande des Platzes gibt es Pistolas, Cargas, Esgrima und Revolwers!

Gleich daneben ein vielbesuchter Schnellimbiss, mit lecker aussehenden Auslagen, kleinen, in Öl frittierten, panierten Teigstückchen, in unterschiedlichen Formen. Ich frage mich, woher ich das kenne, Form und Geschmack kommen mir bekannt vor. Und dann fällt es mir ein: Indien! Da gab es so was an jeder zweiten Straßenecke. Aber die Verbindung ist ja doch etwas weit hergeholt, denke ich mir, muss Zufall sein. Aber vielleicht ist es das doch nicht. Das portugiesische Kolonialreich ging bis nach Indien. Ist das so weit hergeholt?

Vom Rossio gehe ich weiter runter, Richtung Tejo. Der Rossio bildet den Abschluss der Baixa, der Unterstadt, dem Stadtviertel, das am meisten durch das Erdbeben von 1755 beschädigt wurde. Kein Wunder, denn der Untergrund war sumpfig. Dieses Viertel war eine dem Wasser abgetrotzte Verlängerung der Stadt. Jahrhunderte zuvor, noch im Mittelalter, hatte man hier Land aufgeschüttet, um Platz für Werften und Warenhäuser zu schaffen.

Es war das schwerste Erdbeben, das es in Europa je gegeben hat, jedenfalls in geschichtlicher Zeit. Die Folgen waren verheerend, und es war auch ein Schlag für die Geisteshaltung, für den Fortschrittsglauben, für den Optimismus. Überall geriet man ins Grübeln. Für Voltaire war es das Ende des Glaubens an eine gerechte, von Gott gelenkte Welt, man musste es einfach hinnehmen, als schicksalhaft. Kant wiederum sagte, es könne nicht als  Strafe Gottes verstanden werden, jedenfalls nicht als Strafe eines gerechten Gottes. Warum sollte sonst ausgerechnet Lissabon bestraft werden, warum wurden sonst Zigtausende Tote bestraft und andere verschont? Zu allem Übel traf es viele ausgerechnet beim Gottesdienst, an einem hohen Feiertag, Allerheiligen. Viele Kirchen wurden zerstört, viele Gläubige unter den Trümmern begraben. Dagegen blieb die verruchte Alfama weitgehend verschont. Und der König hatte das Glück, nicht in Lissabon zu sein. Er war zum Gottesdienst nach Belén gereist! Rousseau fand, nicht die blinde Zerstörungswut der Natur sei schuld, sondern die menschliche Zivilisation. Hätten die Menschen die Stadt nicht so dicht bebaut und immer mehr und immer schlechtere Behausungen geschaffen, dann wären die Folgen nicht so verheerend gewesen. Noch Goethe behauptete später, das Erdbeben hätte ihm einen Schlag versetzt. Er war damals allerdings erst sechs Jahre alt.

Das Erdbeben selbst war schlimm genug, aber es kam noch schlimmer: Als Folge des Bebens brach ein Feuer aus, das sechs Tage andauerte. Und dann kam eine Flutwelle, ein Tsunami. Der traf diejenigen, die Schutz im Freien gesucht und sich auf den Terreiro do Paço geflüchtet hatten, an den Tejo, auf den Platz des Königspalast.

Nach dem Erdbeben wurde der Wiederaufbau schnellstens in Angriff genommen. Es entstand ein neues, geplantes, regelmäßiges Zentrum mit Abwasserkanälen und befestigten Straßen, ein Zentrum in Schachbrettmuster, so wie man es heute noch vorfindet. Deshalb sieht die Baixa bis heute noch so anders aus als die anderen Stadtteile.

Ich gehe die Rua Augusta hinunter, die zentrale Längsachse. Die führt direkt auf die Praça do Comercio, den Nachfolger des Königsplatzes direkt am Tejo. Man sieht auf den Platz durch einen weißen Triumphbogen am Ende der Straße. Das Wasser des Tejo funkelt in der Sonne, und der Platz ist ganz und gar in Licht gehüllt.

Die Rua Augusta ist eine Fußgängerzone, mit vielen kleinen Läden, meist Familienbetriebe: Läden für Handtasche, Stoffe, Schmuck, Wäsche, Schuhe, dazwischen Drogerien und, vor allem, Konditoreien. Oft stehen die Namen der Geschäfte in goldenen Buchstaben auf der gläsernen Einfassung des Eingangs.

Kurz vor dem Ende der Augusta kommt links das Design-Museum mit einer interessanten Fassade, mit einem Durcheinander von Darstellungen, vom Frauenkleid auf einem mittelalterlichen Tafelbild bis zu Plateauschuhen.

Der Platz selbst erstrahlt im Sonnenlicht. Er sieht aus wie eine spanische Plaza Mayor, mit gleichgeschossigen Gebäuden und einem Arkadengang auf allen Seiten, nur, dass die vierte Seite, die zum Fluss hin, offen ist. An den beiden Armen, die zum Tejo hinuntergehen, endet der palastartige Bau in zwei Türmen, die ganz anders sind, wie Verteidigungsanlagen aussehen, im Naturstein, ganz verschieden von dem gelb gefassten, barocken Hauptgebäude.

In der Mitte des Platzes eine Reiterstatue, und auf der Außenseite des Triumphbogens mehrere Reliefs, u.a. mit den Allegorien von Duero und Tejo.

An einer Ecke des Platzes geschah 1908 ein aufsehenerregendes Attentat, von dem ich aber noch nie gehört hatte: Hier wurden, im Doppelpack, König und Kronprinz getötet. Wirtschaftskrise und Auflösung des Parlaments sollen die Ursachen gewesen sein. Das Ende der Monarchie war nahe. Sie hatte nur noch zwei Jahre. Darüber wüsste man gerne mehr, auch über die beiden letzten Jahre der Monarchie. Auf dem Thron war jetzt der Bruder des ermordeten Kronprinzen und Sohn des ermordeten Königs!

Ich gehe zurück und biege dabei mal hier, mal da ab, um immer wieder auf die Augusta zu gelangen. Wie oft in den nächsten Tagen genieße ich die Atmosphäre, Lebendigkeit ohne Hektik, mit vielen Menschen auf der Straße, Einheimische und Fremde. Straßenkünstler, Losverkäufer, Schuhputzer, Bettler, Musikanten, Marktschreier bestimmen das Bild.

Da es noch früh ist und ich keine Lust habe, viel zu laufen, mache ich eine Fahrt mit der 22. Keine  gute Idee, aber das ahne ich noch nicht.

Die 22 ist eine reguläre Straßenbahnlinie, eignet sich aber auch für Stadtrundfahrten. Das weiß jeder Besucher von Lissabon, und entsprechend lange ist die Schlange an der Haltestelle, am Beginn der Strecke. Der Straßenbahnfahrer nimmt aber sowieso nicht alle mit. Die Bahn bleibt halb leer, damit unterwegs auch noch andere, auch ganz normale Passagiere einsteigen können.

Bei der nächsten Bahn komme ich rein. Tatsächlich ist es eine ganz normale Linie. Hausfrauen und Schulkinder steigen ein und aus. Der Fahrer betätigt mit links eine Kurbel und mit rechts ein paar Schaltknöpfe vor sich. Pedale gibt es nicht, und auch das große Steuerrad rechts des Fahrers wird nicht betätigt.

Es ist wirklich ein Spektakel, zu sehen, wie sich die Bahn quietschend und ratternd durch die engen Straßen quält, nur Zentimeter an Hauswänden und parkenden Autos vorbei. Dabei geht es ständig Auf und Ab. Und nach jeder Kurve gibt es ein neues Straßenbild. Ewig hält die Freude daran allerdings nicht vor, und im Stehen kann man die Route auf dem Stadtplan nicht verfolgen.

Und dann ist auf einmal Schluss. Alle aussteigen! Ich vermute, wir haben das Ende des Rundkurses erreicht, obwohl ich den Platz nicht wiedererkenne. Kann sich nur um ein paar Minuten handeln, denke ich mir, und gehe die Straße hinunter, Richtung Fluss, vermute ich, da kann man sich orientieren. Aber ich komme und komme nicht  zum Fluss. Stattdessen geht es durch Wohnviertel, die außerhalb des Zentrums liegen. Schilder gibt es keine. Ich kaufe etwas Obst und Wasser in einem kleinen Laden bei einem Mann  aus Bangladesch, der kaum Portugiesisch spricht,  und frage nach dem Weg. Er schickt mich zu einer Bushaltestelle. Aber die finde ich nicht. Irgendwann komme ich  wirklich nach unten, an die Uferstraße, in ein Hafenviertel, und zwar verdächtig nahe an der Puente 25 Abril. Die ist vom Zentrum aus weit entfernt. Es wird immer dunkler und immer kälter.

Dann stellt sich auch noch Hunger ein. Da das Zentrum nicht in  Sicht kommt, gehe ich in ein einfaches Lokal am Wegesrand. Ich  bin der einzige Gast. Am Essen sind nur das Brot und das Bier gut, und das Bier ist aus Holland.

An der Wand hängen Schilder, die die jeweiligen Tagesgerichte anzeigen: caril de lulas com gambas gibt es am Mittwoch (quarta feira) und arroz de pato no forno am Freitag (sexta feira). Die Wochentage werden „durchgezählt“, außer sábado und domingo, immer mit dem Bestimmungswort feira, also ‚Markttag‘. Warum gibt es dann aber eine sexta feira? Es bleiben ja nur fünf Wochentage übrig. Das erklärt sich damit, dass der Sonntag, auch wenn er einen eigenen Namen hat, heimlich mitgezählt wird und damit der Montag schon der zweite Tag ist.

Dann mache ich mich wieder auf den Weg, bis die ersten innerstädtischen Lichter erscheinen. Eine sehr freundliche Frau, die gut Englisch spricht, nimmt mich an die Hand und erklärt im Detail, warum der Weg, den sie mir zeigt, der bessere ist. Tatsächlich gelange ich dann bald auf die Rua Augusta, und von da aus ist es nicht mehr weit.

23. Februar (Dienstag)

Statt desayuno heißt es hier, parallel zum Französischen, pequeno almoço. Und am Morgen sagt man Bom dia, im Singular. Wie kommt das Spanische nur auf den Plural?

Es sind die rauchenden Frösche, die mich heute auf die Beine bringen. Vorher sehe ich mir aber noch die Praça dos Restauradores, ein verkehrsreicher, langgestreckter Platz mit einem hohen Obelisken im Zentrum. Dessen Teile erinnern an die verschiedenen Etappen der „Restauration“, also wohl der ‚Wiederherstellung‘ der portugiesischen Unabhängigkeit. Zu zwei Seiten bronzene Siegesfiguren, Siegerkränze, Lorbeerblätter. Zu den anderen Seiten steinerne Ritter, die noch ganz mittelalterlich aussehen, mit dem Visier nach unten. Zu ihren Füßen alles mögliches „Geröll“, Lanzen, Hörner, Helme, Fahnen.

Der verkehrsumtoste Platz hat nicht viel zu bieten. Selbst den eleganten, rosafarbigen Palast auf der anderen Seite, den Palácio Foz, nimmt man kaum wahr.

Die Praça de Restauradores grenzt fast an den Rossio und ist mit ihm wiederum durch einen Platz verbunden, einen unregelmäßigen, etwa dreieckigen Platz, an dessen Seite ein Gebäude mit einer bemerkenswerten Fassade steht, die mir gestern schon aufgefallen war, prächtig verziert, mit Jugendstilelementen, aber auch neomanuelinischen Elementen, der portugiesischen Spielart der Neugotik. Besonders auffällig sind die beiden hufeisenförmigen Eingänge aus Glas und Stahl mit einer verzierten Einfassung aus Marmor. Darin sind Buchstaben eingelassen, die so stark verziert sind, dass ich sie nicht lesen kann. Was für ein Gebäude kann das sein? Durch die Tür sieht man nur ein Büro von Western Union und einen Stand von McDonalds. Ich gehe rein. Es ist ein Bahnhof! Es ist die Estaçao do Rossio, und das ist es wohl auch, was an der Fassade steht. Früher war das  der Hauptbahnhof von Lissabon, heute verkehren hier nur noch Vorortzüge. Die Bahnsteige liegen erhöht, in der ersten Etage. Alles ist modern, mit Rolltreppen, elektronischen Anzeigen, neuen Zügen und einer Sirene, die ununterbrochen geht, ohne dass sie von irgendwem beachtet wird.

Gegenüber dem ist die Seitenfassade des Nationaltheaters, die selbst wie eine Hauptfassade aussieht. Die geht aber auf dem Rossio. Im Theater gibt es Führungen, und zwar todas as segundas – jeden Montag.

Auf dem Rossio stehen wischen den Brunnen rote Eisengitter, die das Wort LOVE formen. Hier können junge Paare ihre Vorhängeschlösser mit Versprechungen und Liebeserklärungen aufhängen. Es gibt aber auch einfache Widmungen oder Danksagungen. Daneben gibt es eine Bude, an der geschäftstüchtige Portugiesen die Vorhängeschlösser verkaufen und Herzchen, auf denen man die Widmungen anbringen kann.

Auf dem Weg zur Tabacaria Monaco kommt mir ein Mann entgegen, der mit im Vorbeigehen vorsichtig „Marihuana?“ zuflüstert. Dann komme ich zu dem Tabakladen. Der ist noch geschlossen, aber auch auf den Fliesen draußen sie sehen, qualmende Frösche. Einige rauchen sogar beidhändig. Es gibt auch Störche, aber die scheinen Nichtraucher zu sein.

Lissabon, Stadt der Toleranz steht in vielen Sprachen an einer Mauer ein bisschen abseits des Rossio. Das steht etwas unvermittelt da, auf den ersten Blick jedenfalls. Aber dann entdecke ich vor einer Kirche, Såo Domingo, einen Gedenkstein, der das Motto erklärt. Der Gedenkstein erinnert an ein Judenpogrom. Man denkt unvermittelt an die Nazis, aber es hat mit ihnen nichts zu tun. Es handelt sich um das „Oster-Massaker“, ein Massaker, deren Opfer ausgerechnet die aus Spanien ausgewiesenen und nach Portugal geflüchteten Juden waren. Sie wurden hier akzeptiert, aber gezwungen, zum Christentum überzutreten. Das taten sie auch alle, aber heimlich praktizierten viele weiterhin ihren Glauben. Irgendwann wurden einige dabei „erwischt“, wie sie koschere Speisen zubereiteten. Sie wurden festgenommen, aber dann wieder freigelassen. Als dann einer eine angeblich wundersame Erscheinung in Såo Domingo auf natürliche Ursachen zurückführte, kochte der Volkszorn über. Er wurde direkt vor Ort erschlagen. Dann zog der Pöbel los und tötete in einem dreitätigen Massaker viele von ihnen und den mit ihnen befreundeten Altchristen. Es gab mehrere Tausend Opfer. Aber die Anführer kamen nicht ungeschoren davon. Der König, Manuel I., ließ sie hinrichten. Das alles geschah 1506. Auf dem Gedenkstein steht ein Zitat aus Hiob (16,18): O terra nåo ocultes o meu sangue e nao sufoques o meu clamor – Ach Erde, bedecke mein Blut nicht und mein Geschrei finde keine Ruhestätte!

Ich gehe zurück zur Praça dos Restauradores. An einer Temperaturanzeige steht 16°. Am frühen Vormittag. Gestern habe ich sogar einmal 22° gesehen – so warm fühlte es sich aber nicht an. In großen Keramikkübeln vor dem Café de Molino stehen Pflanzen, die wir als Zimmerpflanzen halten.

Was soll man sich in Lissabon ansehen? Was streichen, bei dem großen Angebot? Erst mal das ureigene Portugiesische: Fado und Azulejos.

Die Metrostation Restauradores hat großflächige Kacheln mit Linien und Kreisen, die Bewegung andeuten, vor allem wohl Bewegung, wie man sie in der Metro selbst wahrnimmt. Sogar die Wände scheinen in Bewegung zu sein.

Das Museo do Fado ist schwer zu finden. Mehrmals erhalte ich indifferentes Kopfschütteln bei der Nachfrage in der Nähe der U-Bahn-Station. Dann weiß ein bewaffneter Polizist Bescheid. Die stehen hier an allen Ecken herum, meist ohne erkennbare Aufgabe.

In dem Museum, in einem alten Wasserwerk untergebracht, ist die Begrüßung sehr freundlich. Das Museum ist hochmodern. Und ich habe es praktisch für mich alleine.

Gleich zu Anfang sieht man ein Puppenhaus, zweistöckig, zuklappbar – man kann es mit auf die Reise nehmen – das den Text eines bekannten Fado-Liedes illustriert.

Der Fado ist jünger, als man meint. Er stammt erst aus dem 19. Jahrhundert. Er ist urban und an die unteren Klassen gebunden. Es war die Musik von Tagelöhnern, Kleinkriminellen, Huren, Seeleuten, die Musik der Wirtshäuser und der Straße. Wie es so oft passiert, erfuhr sie dann später ihre Nobilitierung. Nicht etwas die Arbeiterklasse oder die Mittelschicht adoptierte sie, sondern die Intellektuellen, die Künstler, die Adeligen! All das erinnert an den griechischen Rembetiko.

Das Wort Fado kommt von fatum, und der Gesang hat wirklich etwas Schicksalhaftes. Man fragt sich, ob es auch eine Beziehung zwischen Fado zur Sausade gibt, der – dem Klischee zufolge – typisch portugiesischen Grundstimmung, einer schwer fassbaren Mischung aus Wehmut, Sehnsucht und Einsamkeit.

Man sieht ein größeres Ölgemälde mit einem Fado-Musiker und einer ihn schmachtend ansehenden, leicht bekleideten Frau in deren Wohnung. In feinen Pinselstrichen angedeutet sind ein Kamm, eine Nelke, ein Schminktisch, ein Handtuch, ein Krug, das Bild eines Torreros, das Bild des Hl. Lazarus. Der war der Schutzheilige gegen Hunger, Pest und Krieg. Wenn einem das alles erspart blieb, war man schon gut weggekommen.

In verschiedenen Vitrinen sind die Instrumente des Fado ausgestellt, die spanische Gitarre und die portugiesische Gitarre. Die spanische ist die, die wir kennen, die portugiesische hat zwölf Saiten und einen anderen Körper, ohne Taille, eher wie eine Birne, und kleiner. Eigentlich ist sie gar nicht portugiesisch, sondern, man mag es kaum glauben, englisch! Sie kam über die britischen Handelsniederlassungen in Porto und Lissabon hierher.

In den zwanziger Jahren erfuhr der Fado eine Professionalisierung und Institutionalisierung. Als Ausweis dafür sieht man Schallplatten renommierter Firmen ausgestellt, Decca, Polydor, Colombia. Die Fadistas trugen jetzt spezielle Kostüme statt Alltagskleidung, und man brauchte als Fadista jetzt auch  einen Ausweis, eine Berufsgenehmigung. Auch solche Ausweise sieht man hier.

Und siehe da, als der Fado in der Mitte der Gesellschaft angekommen war, trat auf einmal die Zensur auf den Plan. Das ist der interessanteste Teil des Museums. Die Originale sind ausgestellt, handgeschriebene oder maschinengeschriebene Texten mit den Vermerken der Zensur. Da gibt es die ganze Bandbreite, von Aprovado bis zu Proibido. Bei den meisten Texten sind es einzelne Zeilen oder Strophen, die gestrichen wurden, Textstellen, die den Fado vergöttlichen oder Todessehnsucht ausdrücken.

In der oberen Etage kann man sich in Multimediasesseln niederlassen und sich Fado-Musik anhören, mit all der Information, die man sich wünschen kann. Es gibt eine riesige Auswahl, etwa gleich viele Männer wie Frauen. Ich höre mir eine Frau, Ara de Castro, und einen Mann, Joaquim Silveirinha, an.  Sie gefällt mir gut, er nicht. Vor allem das Sehnsuchtsvolle kommt bei ihr gut zum Ausdruck. Bei beiden Biographien spielte der Zufall mit. Sie war Schauspielerin in einer Laienspieltruppe und wurde von dem Regisseur aufgefordert, in ihrer Rolle etwas zu singen. Jemand hörte sie zufällig und lud sie ein, bei einem Auftritt mitzuwirken. Er sang schon immer, schon als Kind beim Fußball, und machte dann Auftritte bei Wohltätigkeitsveranstaltungen, bei privaten Festen, im Freundeskreis. Wieder war irgendwann ein Entdecker zur Stelle. In einem Interview sagt er, dass es bis zum Ende seiner Karriere sich immer besser fühlte, wenn er bei einem Ausflug mit Freunden sang als auf der Bühne. Irgendwie glaubt man ihm das.

Vom Fado-Museum kommt man mit dem Bus zum Kachelmuseum. Aber wo ist die Haltestelle? Eine Frau, die wie ein Wasserfall auf Portugiesisch auf mich einredet, fasst mich am Arm und schleppt mich unter beständigem, fröhlichem Reden praktisch bis zur Haltestelle. Sie traut mir nicht zu, dass ich das alleine finde und drückt am Ende sogar die Fußgängerampel, über die ich gehen soll.

An der Haltestelle fragt mich ein Mann, wohin ich wolle. Er sagt mir sofort, welche Linien in Frage kämen. Als dann der erste richtige Bus kommt, steigt er gleich mit ein und macht den Fremdenführer. Er will mir das Militärmuseum schmackhaft machen und eine Kirche – „ganz voller Gold“ – spricht stolz von einem Flugzeugträger auf dem Tejo, an dem wir vorbeifahren. Als wir dann ankommen, steigt er mit aus und zeigt mir den Eingang, rechts am Gebäude. Er kommt dann noch einmal eigens hinter mir her und zeigt mir noch einmal, wohin ich muss. Am Ende gelingt es mir aber, ihm zu sagen, dass ich mir erst kurz die Fassade des Gebäudes ansehen will.

Das Museum ist in einem ehemaligen Kloster untergebracht, ein Nonnenkloster, wie ich vermute, Madre de Deus. Es hat eine schlichte, aber doch schön ornamentierte, weiße Fassade, im manuelinischen Stil.

Das Museum ist in der Klosteranlage untergebracht, aber die Kirche selbst ist auch ein sozusagen „natürlicher“ Bestandteil des Museums. Als ich auf der Empore stehe und in das Kirchenschiff hinuntersehe, weiß ich sofort: Hier war ich schon mal. An das Museum kann ich mich aber kaum noch erinnern.

Die ganze Kirche hat im unteren Teil einen Fries aus Delfter Kacheln oder das, was wir Delfter Kacheln nennen würden. Er passt nicht so richtig zu der vor Gold und Glanz strotzenden Kirche. Es sind lauter weltliche Szenen abgebildet, jedenfalls kommt mir das so vor, obwohl einige einen religiösen Hintergrund haben mögen. Ganz und gar weltlich ist eine Szene, in der eine barfüßige Frau mit einem Käfig auf dem Kopf über einen Waldweg geht, mit der Stadt im Hintergrund auf einem Hügel, flankiert von zwei weiteren, ebenfalls barfüßigen Begleitern, einem Mann und einer Frau. Auch sie tragen allerlei Dinge bei sich, darunter einen Korb mit Kartoffeln.

Auch in dem kleinen, zweistöckigen Kreuzgang sind lauter weltliche Motive zu sehen, darunter die Hochzeit der Henne, die in einer Kutsche angefahren kommt, von gestiefelten Hunden gezogen. Eine tierische Musikkapelle erwartet die Gesellschaft am Rande eines Ortes, außerhalb der Stadtmauern. Unter den wartenden Gästen sind auch rauchende Hunde.

Irgendwo versteckt auf einer höheren Etage befindet sich das Panorama von Lissabon. Es stellt Lissabon dar, wie es vor dem Erdbeben aussah. Das Panorama zieht sich über zwanzig Meter lang die Wand entlang und muss dabei auch ein paar Ecken überwinden. Dargestellt ist die ganze Strecke zwischen Algés und Xabregas, eine Strecke von vierzehn Kilometern. An den beiden Seiten gibt es noch gar keine Besiedlung. Das Panorama besteht meist aus quadratischen, relativ kleinen Kacheln, jeweils acht übereinander. Insgesamt dürften es gut über eintausend Kacheln sein.

Erkennen kann man nichts, ich hätte noch nicht einmal erkannt, dass es sich um Lissabon handelt. In der Mitte drängen sich hinter- und übereinander die Häuser, aber man weiß natürlich nicht, ob das eine genaue Darstellung der Verhältnisse ist. Eher nicht.

Das Museum selbst ist eher enttäuschend. Alle Beschriftungen sind nur auf Portugiesisch, und da komme ich schnell an meine Grenzen. Man erfährt, dass das Wort – und wohl auch die Sache – arabisch ist. Aus zuleya, ‚kleiner Stein‘ und azzelij ist portugiesisch azulejo geworden.

Die ersten Anregungen für die portugiesischen Kacheln kamen aber über den Umweg über Spanien nach Portugal, erst von Valencia, dann von Sevilla. Später kamen auch flämische Einflüsse hinzu. Gerne mehr erfahren hätte man über die Techniken. Mit bloßem Auge kann man nur Kacheln unterscheiden, die „bemalt“ sind von Kacheln, bei denen sich das Bild erst durch die Zusammensetzung der Kacheln ergibt.

Nach der Besichtigung esse ich in dem Lokal im Innenhof des Museums. Es gibt salzigen, trockenen Käse als Aperitif und dann  Schweinelendchen mit Reis und Salat und portugiesisches Bier. Kein Vergleich zu gestern, und nicht einmal teurer!

Am Nebentisch japanische Franzosen oder französische Japaner. Ein Ehepaar mit drei Kindern. Alle drei sehen ganz und gar japanisch aus und sprechen Französisch. Auch mit beiden Eltern. Die Mutter ist Japanerin, der Vater Franzose. Während sich die älteste Tochter um das Baby der Familie kümmert, surfen die Eltern im Internet, jeder an seinem eigenen Tablet.

An der Haltestelle steht eine Japanerin, die zur Kathedrale will, zur Sé. Es sieht nah aus, aber es ist doch wohl besser, den Bus zu nehmen. Wir beratschlagen, welche Linie in Frage kommt, aber ihr Bus kommt und kommt nicht. Als dann meiner kommt, fahre ich mit einem etwas schlechten Gefühl weg. Ob es stimmt, was ich ihr gesagt habe?

Ich selbst komme in die Alfama, das historische Viertel der Oberstadt, wunderbar, hügelig, mit schmalen, krummen Gassen und immer neuen Ausblicken, vor allem von dem Miradouro de Santa Luzia auf die Unterstadt und den Tejo. Es ist ein Glück, dass ich heute hier lande, bei Sonnenschein.

Die Kathedrale, hier immer nur genannt, sieht von außen ziemlich wehrhaft aus mit den Zinnen auf den beiden Türmen und dem dichten Mauerwerk. Die Fassade, aus Sandstein, ist aber aufgelockert durch eine (später hinzugefügte) Rosette und ist alles andere als hässlich.

Drinnen erwartet man die barocke Faust, aber sie kommt nicht. Der Innenraum ist genauso nüchtern wie die Fassade, fast schmucklos, und außerdem stockdunkel, wie man meint, wenn man von draußen reinkommt. Dann aber wird es immer heller. Das gelbliche Licht fällt durch die Fenster des Chors, vor allem aber durch die Rosette in den Innenraum. Alles wirkt irgendwie echt, unverfälscht.

Um in den Kreuzgang zu gelangen, muss man Eintritt bezahlen, aber der lohnt sich, allerdings nicht wegen des Kreuzgangs. Der ist dunkel und befindet sich im Umbau. In der Mitte ist ein Ausgrabungsfeld, aus römischer Zeit. Aber die Ruinen lassen mich kalt.

Sehr schön ist dagegen der Chorumgang, ganz anders als das Hauptschiff, später hinzugefügt. Ganz schmale, gotische Glasfenster schließen die Kapellen ab. In zwei Kapellen gibt es Grablegen, eine für einen Mann, zwei für Frauen. Der Mann hat als Symbol einen Hund zu Füßen liegen, die Frauen haben dagegen ein Buch in der Hand. Es sieht wirklich so aus, als ob sie, auf dem Rücken liegend, lesen würden. In die aufgeschlagenen Texte sind Buchstaben eingemeißelt.

Schon auf dem Rückweg sehe ich in einer Seitenkapelle, hinter einem Gitter, eine ganz merkwürdige Madonna. Es sieht aus, als wenn sie schwanger wäre. Bekommt das Jesuskind hier ein Brüderlein? Oder ein Schwesterlein? Oder ist es nur der Hüftschwung, den der Bildhauer der Figur gegeben hat. Zur Schwangerschaft kaum passend ist das scharfe, männlich geschnittene Gesicht der Madonna. Und ganz ähnlich das des Jesuskinds auf ihren Armen. Sehr männlich, sehr streng, sehr erwachsen.

Danach setze ich mich an die Haltestelle vor der Sè, nicht um einzusteigen, sondern um ein Photo zu machen. Hier gibt es eins der beliebtesten Motive von Lissabon, auch auf Ansichtskarten zu sehen, eine Straßenbahn, wie sie vor der Sè nach links abbiegt, dem kurvigen Straßenverlauf folgend.

Als ich warte, höre ich ein Gespräch zwischen zwei deutschen Touristen mit. Sie finden, jetzt reiche es auch. Man habe alles gesehen. Es solle ja Leute geben, die eine ganze Woche hier bleiben. Was die wohl die ganze Zeit machen?

Das mit dem Photo ist nicht so einfach, aber das Motiv ist zu reizvoll, um schnell aufzugeben. Immer verstellt jemand oder etwas das Bild oder ich verpasse den richtigen Moment. Am Ende bin ich so halb zufrieden mit meinem Schnappschuss.

Auf dem Weg nach unten komme ich an einem unglaublichen Baum vorbei. Er steht am Wegesrand und wird trotzdem leicht übersehen. Er hat ein schirmartiges Blätterdach und ein unwirkliches wirkendes Knäuel von Wurzeln, starke Wurzeln, die sich übereinander legen und einen flachen, dicken Quader formen. Bela Sombra heißt der Baum.

Weiter unten sehe ich an einer Bäckerei ein Schild mit der Aufschrift Vende-se påo para fora. In etwas unbeholfenem Englisch steht daneben Sells bread to outside. Das Personalpronomen ist im Portugiesischen enklitisch, auch bei den finiten Formen, im Gegensatz zum Spanischen.

Dann sehe ich ein Café, die Casa Pereira, mit dem Schild: Cha & Café. Anders als das Spanische hat das Portugiesische das kantonesische Wort für ‚Tee‘ übernommen, wie das Russische, das Türkische und das Griechische.

Im Zentrum mache ich ein Photo von einem Verkaufsstand, an dem es Fisch gibt, bacalhao, dem wichtigsten Fisch auf der portugiesischen Speisekarte. Es ist getrockneter, gesalzener Kabeljau, Stockfisch.

Im Café Gelo am Rossie bekomme ich einen Kaffee und das berühmteste Gebäck der Gegend, Pastéis de Nata (heißen auch Pastéis de Belém), mit Zimt und Zucker bestreute Puddingtörtchen, für unschlagbare 2,35. Zusammen! Mitten im Zentrum von Lissabon, am Rossio!

Dann gehe ich noch einmal zur Tabacaria Monaco. Diesmal ist sie geöffnet. Es ist ein ganz schmaler, länglicher Raum mit einer den ganzen Raum durchziehenden hölzernen Theke. Davor ist immer nur für eine Person Platz.

Der Verkäufer ist alles andere als freundlich. Ich bekomme riesige Briefmarken mit Szenen aus der Natur. Sie tragen nicht den Wert, sondern das Gewicht, für das sie gültig sind. Leider kann man dadurch auch die Rechnung nicht überprüfen. Jedenfalls kommen sie mir teuer vor, teurer als Briefpost bei uns.

24. Februar (Mittwoch)

Beim Frühstück drei Frauen, deren Sprache ich nicht identifizieren kann: Portugiesisch oder nicht Portugiesisch? Für einen Moment glaube ich, dass es irgendein obskurer italienischer Dialekt ist, aber nein, das kann nicht sein. Aber es hört sich anders an als Portugiesisch, irgendwie. Dann habe ich eine Vermutung. Und die bestätigt sich, als ich nachfrage: Portugiesisch, aber brasilianisches Portugiesisch! Sie sprechen auch Spanisch, denn sie leben in Spanien, auf den Kanaren. Und dann, als ich mich schon wieder gesetzt habe, fragen sie: „Und Sie sind Deutscher?“ Woher sie das wissen, will ich wissen. Liegt es am Gesicht? Nein, an der Aussprache! Man weiß nicht, was schlimmer ist.

Es regnet, also bleibe ich im Untergrund. Es geht zur Metrostation Cais de Sodrè. Die ist mit Motiven aus Alice in Wonderland ausgestattet. Unten, zu beiden Seiten der Gleise, erscheint die Figur der March Hare, im Laufschritt. Die Figur ist mehrfach wiederholt, so dass man ihn „wirklich“ in Bewegung sieht. Unter jedem Hasen steht ein Buchstabe, und die ergeben einen Satz wie „Ich habe mich verspätet“. Ursprünglich sollte dort „I am late“ stehen, aber der ausführende Künstler entschied sich anders und wählte das Portugiesische. Dann stellte sich aber heraus, dass dafür nicht genug Platz war. Da entschied man sich, den letzten Buchstaben wegfallen zu lassen. Also steht jetzt hier „Estou atrasad“. Es ist aber gar nicht klar, welcher Buchstabe fehlt. Im Gegensatz zum Englischen macht das Portugiesische hier eine genderspezifische Unterscheidung: atrasado oder atrasada. Man hätte sich also entscheiden müssen, ob der Hase männlich oder weiblich ist. Durch das Versehen löste sich das Problem von selbst.

Da ich schon einmal unten bin, fahre ich gleich weiter zum Gare do Oriente, dem neuen, von Calatrava für die Expo gestaltetem Bahnhof. Es gibt zwei gegenüberliegende Gebäude, den Bahnhof und ein Einkaufszentrum. Sie haben das gleiche, an Palmen erinnernde Dach aus Glas und Stahl. Das hat eine wunderbare Leichtigkeit. Ich bin aber trotzdem nicht so begeistert. Die dicken Betonwände innen haben nichts von der Leichtigkeit des Dachs, die ganze Halle ist nicht sehr einladend – ich verzichte darauf, hier einen Kaffee zu trinken – die Bahngleise sehen ganz normal aus, und die Toiletten sind unzumutbar. Irgendwie ist der Bahnhof fast schon etwas in die Jahre gekommen. Vielleicht trägt aber auch das schlechte Wetter zu dem schlechten Eindruck bei.

Ich fahre zurück und gehe zum Elevador de Santa Justa. Es ist der dritte Versuch, und diesmal ist die Schlange nicht so lang. Der Aufzug wird renoviert und ist teilweise mit Planen verdeckt. Es heißt, er verbinde die Unterstadt mit der Oberstadt, aber auf allen Photos und auch jetzt, wo ich davor stehe, sieht der Aufzug „frei schwebend“ aus. Man kann nicht erkennen, wie man dort aussteigen und von der Plattform in ein anderes Viertel gelangen soll. Das klärt sich auf, als wir oben sind. Die Verbindung zum „Land“ liegt hinten, auf der Rückseite des Aufzugs.

Die Kabine ist holzvertäfelt und hat ein Gitterwerk, durch das man während der Fahrt nach draußen sehen kann.  Aber warum dieser Aufzug zu den großen Sehenswürdigkeiten Lissabons zählen soll, bleibt mir verborgen.

Carmo heißt das Viertel der Oberstadt, in das man gelangt, wenn man den Aufzug verlässt. Gleich hinter dem ist das Museo do Carmo, ein Archäologisches Museum, das in einer bei dem Erdbeben zerstörten Kirche untergebracht ist. Ich habe aber die Casa dos Bicos im Sinn und lasse mir das Museum entgehen. Ein Fehler. Ich komme in den nächsten Tagen einfach nicht mehr in diese Gegend.

Außerdem stellt sich heraus, dass die Casa dos Bicos gar nicht hier oben ist. Das stelle ich aber erst nach mehrmaligem Fragen fest. Am Ende lande ich, von zwei netten Portugiesinnen auf den Weg gebracht, die sich darüber streiten, ob sie Englisch oder Portugiesisch mit mir sprechen sollen, auf der Praça do Comercio, unten am Tejo. Dort frage ich in der Touristeninformation nach. Und frage auch gleich nach dem Pessoa-Museum. Und für das entscheide ich mich dann, obwohl ich nur ein paar Schritte von der Casa dos Bicos entfernt bin. Verrückt!

Zum Pessoa-Museum geht es mit der Straßenbahn. Da steige ich zu früh aus und muss noch ein ganzes Stück zu Fuß weiter. Alle kennen hier das Museum und helfen mir freundlich weiter. Es ist, als ob sie erfreut wären, dass man das Museum besuchen will. Das ist bei den anderen Sehenswürdigkeiten nicht so.

Das Haus befindet sich in einem ganz normalen Wohnviertel. Hier lebte Pessoa bis zu seinem Tod 1935. Auf die ganze Fassade verteilt sind Verse von Pessoa, in unterschiedlichen Schriften. Erst allmählich merke ich, dass es immer dasselbe Gedicht ist, nur dass es manchmal das ganze Gedicht, manchmal nur eine Strohe und manchmal nur eine Gedichtzeile ist. Die Zeile, die immer wieder kommt, lautet: Quão pouco diferença a mente interna do homem da dos brutos!

Der Empfang in dem Museum ist ausgesprochen freundlich. Man wird gefragt, woher man komme und gleich wird auf die deutschen Einflüsse verwiesen, die auf Pessoa eingewirkt haben, Nietzsche und Goethe vor allem.

Wenn man in den ersten Raum kommt, hört man Zitate aus den Werken Pessoas. Man ist sofort in deren Bann gezogen, durch die Tiefe und die Ernsthaftigkeit der Gedanken. Die Verse haben etwas Existenzialistisches, es geht um das Leben an sich. Einige Fetzen notiere ich: To be is to renounce. – Nobody knows his own soul. – No one knows what’s good or bad.

Die Verse werden auf Englisch zitiert. Pessoa verbrachte seine Schulzeit in Durban und schrieb sowohl auf Englisch als auch auf Portugiesisch.

Die Wandtapete besteht aus vergrößerten Photos von Pessoa. Er sieht immer gleich aus, mit den immergleichen Erkennungszeichen: runde Brille, Hut, dichter Schnäuzer, zu einem Dreieck geschnitten, Fliege. Selbst auf einem Kinderbild sieht man ihn schon mit Fliege.

Hier ist alles sehr modern, man kann auf verschiedenen Bildschirmen interaktiv etwas über Pessoa erfahren, aber ich hätte es lieber etwas konventioneller gehabt, musealer sozusagen. Zumal einige der Bildschirme dauerhaft besetzt sind.

In der unteren Etage ist sein Schlafzimmer mit originalen Möbeln ausgestellt und in Vitrinen ein paar persönliche Dinge. Neben dem Bett steht eine Holztruhe. Darin liegen einige Blätter und andere scheinen hineinzufliegen. Oder herauszufliegen. Das ist eine Anspielung auf Pessoas Nachlass. Im den fand man eine Holztruhe voller Manuskripte, mehr als 20.000 Seiten, Gedichte und Romanfragmente, alles unveröffentlicht!

Wichtig sind mir auch Horoskope an der Wand. Pessoa schrieb unter einer ganzen Anzahl von Pseudonymen, aber nicht nur das, er stattete jedes dieser Alter Ego auch mit einer eigenen Biographie aus! Und mit einem eigenen Sprachstil. Und erstellte sogar Horoskope für sie! Eins der Horoskope ist für Ricardo Reis. Er ist an dem Tag geboren, an dem Pessoa gezeugt wurde. Einige der Pseudonyme sind sprechende Namen: Alexander Search, Charles Robert Anon, Horace James Faber.

In demselben Viertel wie das Pessoa-Haus, gar nicht weit entfernt, liegt der Cemitério dos Prazeres, ein Friedhof der besonderen Art. Der Name, ‚Friedhof der Vergüngugen‘, deutet nicht auf einen besonderen Totenkult hin. Der Name bestand schon für das Viertel, bevor der Friedhof eröffnet wurde. Er war einer Choleraepidemie verschuldet, an deren Ende die anderen Friedhöfe Lissabons überfüllt waren. Er wurde bald zum Friedhof der Prominenten und Reichen.

Schnurgerade, von Zypressen gesäumte Wege führen nach unten, zum Tejo hin. Sie werden quer von ebenso geraden Wegen zerschnitten. Auf beiden Seiten der Wege befinden sich Mausoleen. Einige sehen wie christliche Kirchen aus, einige wie antike Tempel, die meisten aber wie kleine Häuser, mit Tür und Fenster und Vordach und Gardinen vor den Fenstern.

Man fragt sich, in welcher Form hier die Toten begraben sind. Und die Antwort geben einige der etwas vernachlässigten Mausoleen, bei denen man durch das Fenster sehen kann: Zu beiden Seiten des Innenraums stehen Holzsärge auf Regalen. Auch in den kleineren Mausoleen dürften bis zu sechs Särge passen. Dennoch bleiben viele Fragen offen: Verrotten die Särge nicht? Wann werden sie „entsorgt“? Muss es drinnen nicht fürchterlich stinken.

Die Namen auf den Gräbern klingen spanisch wie Torres, Silva, Costa oder Miranda, oder durch und durch portugiesisch wie Almeida, Pereira, Vieira, Conceçāo.

Vom unteren Ende des Friedhofs hat man eine gute Sicht auf den Ponte 25 Abril, aber wieder gelingt kein gutes Photo. Die rote Brücke sieht auf dem Photo blass aus, und ihre majestätische Form geht verloren.

Nach unendlich langer Wartezeit geht es mit der Straßenbahn zurück. Am Rossio gehe ich nochmals ins Cafè Gelo. Diesmal probiere ich eine queijada. Das sind kleine Törtchen, die mit einer Mischung aus Frischkäse, Eigelb, Zimt und Zucker gefüllt sind.

Beim Kaffee verschaffe ich mir etwas Klarheit über die auf den Plätzen des Zentrums dargestellten Könige. Der von der Praça de Figueira ist Joåo I. Die Statue wurde etwas versetzt, damit man sie auch von der Praça do Comercio sehen konnte. Joåo I unterband die Vereinigung Portugals mit Kastilien (XV). Die hatte sich Portugal aber selbst eingebrockt, nachdem es selbst Anspruch auf den kastilischen Thron angemeldet und den daraus resultierenden Krieg verloren hatte.

Auf der Praça do Comercio steht José I., das klassische Beispiel eines aufgeklärten Monarchen. Er stellte Adelige an seine Seite, die gegen seinen eigenen Vater rebelliert hatten. Darunter befand sich auch Pombal, den er am Ende zum Ministerpräsidenten machte und dem er den Wiederaufbau der Stadt nach dem Erdbeben anvertraute.

Auf dem Rossio steht Pedro IV., der Sohn  Joāos VI. Der war angesichts der napoleonischen Bedrohung nach Brasilien geflohen und hatte es sich dort gemütlich eingerichtet. Als er später gezwungen wurde, nach Portugal zurückzukehren, ließ er seinen Sohn dort zurück. Der stellte sich auf die Seite der brasilianischen Unabhängigkeitsbewegung und wurde zur Belohnung König von Brasilien!

25. Februar (Donnerstag)

Beim Frühstück belehrt eine Italienerin ihre Mutter. Sie solle nicht grazie sagen, sondern obrigada. Die Mutter: „Obligada?“ Die Tochter: „Nein, Obrigada“.

Die Zimmerfrauen sind Afrikanerinnen, auch die, die in den Metrowagen aufräumen und in den Stationen fegen, auch die Tagelöhner, die morgens vor dem Theater ihre Dienste anbieten, auch die Straßenverkäufer mit den ewigen Sonnenbrillen und Selfie-Stangen. Das ist ein Resultat der portugiesischen Geschichte. Im Gegensatz zu Spanien, das 1898 seine letzten Kolonien verlor, behielt Portugal seine Kolonien, außer Brasilien, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, bis zu den großen afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen. Man darf vermuten, dass das die Migration begünstigte – oder heute noch begünstigt.

Unterwegs sieht man manchmal Wahlplakate, aber immer nur die der PCP. Ob die schon oder noch da stehen, ist unklar. Gefordert wird: Löhne rauf, Reiche besteuern, öffentlichen Dienst stärken.

Heute geht es nach Bethlehem. Mit der Straßenbahn. Mit einer modernen, allerdings, einer, die fast geräuschlos über die Schienen läuft und die Haltestellen elektronisch anzeigt.

Die Straßenbahn fährt unter dem Ponte 25 Abril her. Der Name erinnert an die „Nelkenrevolution“, aber die Brücke wurde während der Diktatur errichtet und hieß vorher ausgerechnet Ponte de Salazar! Auch mit der Nelkenrevolution ist es so eine Sache. Man denkt an einen Volksaufstand und an die Nelken, die das Volk in die Läufe der Gewehre der Soldaten schob. Das gibt aber einen ganz falschen Eindruck. Das Ende der Diktatur wurde nicht vom Volk herbeigeführt, sondern vom Militär! Nach dem Sturz der Diktatur gab es in Portugal keine Demokratie, sondern ein Regime von sozialistischen Militärs! Die entließen die Kolonien in die Unabhängigkeit. Und brockten sich selbst damit Probleme ein. Es kamen 800,000 Rückwanderer in das Heimatland zurück. Und das Land geriet in eine schwere Wirtschaftskrise.

Nach gut einer halben Stunde ist man schon in Bethlehem. Die Straßenbahn hält direkt vor dem Kloster. Belém. Woher der Name kommt, ist mir immer noch nicht klar. Die Verbindung zu Hieronymus, dem das Kloster geweiht ist, liegt nahe, aber das Kloster wurde erst um 1500 errichtet. Gab es vorher hier keinen Ort? Oder wurde der etwa umbenannt?

Das Kloster ist eine der Sehenswürdigkeiten Portugals, und das beginnt mit der schön verzierten Sandsteinfassade des sehr, sehr breiten Gebäudes. Der Hingucker an sich ist die Südfassade, voller filigranem Baudekor: Vögel, Füllhörner, Äffchen, bärtige Alte, Meerjungfrauen (gleich unter den Aposteln!), Fratzen, Engel, Reben, Löwenköpfe, mit Knüppel und Schild bewaffnete Kämpfer – jedes Mal, wenn man hinsieht, entdeckt man etwas Neues. Vor lauter Details geht der Blick auf die zentrale Figur der Jungfrau mit dem Kind fast verloren. Das Portal, mit zahlreichen Fialen, Emblemen, Wappen und Nischen, nimmt fast die gesamte Höhe des Gebäudes ein und wird flankiert von zwei langgezogenen, mit Gitterwerk und gedrechseltem Stein verzierten Fenstern. Grandios.

Ich gehe erst zum Tejo runter, bevor ich in das Kloster gehe, zum Pedrāo dos Descobrimentos. Das hat Portugal, besser gesagt die portugiesische Diktatur, sich selbst ein Denkmal gesetzt, ein Denkmal, das der Seefahrernation Portugal gilt und seiner glorreichen Vergangenheit. In vielen Büchern wird es als „faschistische“ Architektur bezeichnet, aber damit macht man es sich zu leicht. Wenn man davor steht, sieht es allerdings tatsächlich etwas zu monumental aus. Vorne, fast losgelöst in der Luft schwebend und dem Wasser zugewandt, ist Heinrich der Seefahrer. Bei der Gelegenheit erfahre ich, dass Heinrich der Seefahrer nie zur See gefahren ist! Er hat seine Leute zur See geschickt. Der Seefahrer ist von beiden Seiten des Monuments zu sehen. Hinter ihm andere berühmte Portugiesen, und zwar verschiedene auf beiden Seiten des Monuments, darunter Vasco da Gama. Ein bezeichnendes Detail befindet sich am Ende des Monuments, der hinteren Schmalseite. Da meint man ein Kreuz zu sehen. Es ist aber ein Schwert! Erst jetzt geht mir die Ähnlichkeit der Formen auf. Ein vielleicht unfreiwilliger Verweis auf die portugiesische Kolonialgeschichte: Die „Eroberer“ schlugen ein Schwert in die Erde, knieten sich nieder und nahmen das Land „in Besitz“. Mit Kreuz und Schwert.

Mit einem Aufzug kann man nach oben fahren. Das lohnt sich vor allem deshalb, weil man von dort einen perfekten Blick auf die Fassade des Klosters hat. Und die ganze Fassade in ein Photo hineinbekommt. Zur anderen Seite hat man einen Blick auf die Mündung des Tejo und das offene Meer. Und vor dem Monument eine Windrose im Boden und ein Park mit Brunnen vor dem Kloster. Ganz merkwürdig ist die Szenerie hinter dem Kloster, mit Industrieanlagen, Hochhäusern und einem Fußballstadion.

Auch am Flussufer, noch etwas weiter stadtauswärts, liegt der Torre de Belém, eine der deutlichsten Erinnerungen an die erste Lissabon-Reise. Der Turm stand ursprünglich im Wasser. Jetzt steht er näher am Land, nur noch durch einen Steg davon getrennt. Das ist das Resultat von Verlandung.

Der Turm passt stilistisch zum Kloster. Es ist einerseits wehrhaft, andererseits so stark verziert, mit Ecktürmchen und Balkonen, dass man sich fragt, ob es überhaupt um Verteidigung ging. Auf jeden Fall macht er sich hier sehr gut, vor dem Fluss. Von allen Seiten wirkt er wegen des Lichteinfalls irgendwie anders. Ich mache ein Photo im hellen Sonnenschein, aber das bessere ist das mit dichten, aber nicht lückenlosen schwarzen, grauen und weißen Wolken im Hintergrund. Wie gemalt!

Dann geht es zurück zum Kloster. Der Besuch der Kirche ist gratis, für den Kreuzgang muss man zahlen.

Die Kirche, eine hohe Hallenkirche, wirkt dunkel, wird dann aber immer heller und schöner. Sie hat ein fächerartiges Gewölbe, etwas an die englischen fan-vaults erinnernd. Die Dekoration ist überbordend, beschränkt sich aber auf Steinmetzarbeiten. Besonders die tragenden Teile lösen sich alle auf. Er erinnert ein bisschen an Gaudí. Auffallend sind auch die riesigen Schlusssteine der Querung.

Der Chor ist auffallend anders. Ganz nüchtern. Renaissance. Ob er erst später gebaut wurde?

Gold und Glanz gibt es nur in einer Seitenkapelle, der Antonius-Kapelle, und die Ausstattung ist, bis auf die Grabmäler, bescheiden.

In den Querschiffen befinden sich die Porphyr-Sarkophage verschiedener portugiesischer Könige. Davor in Steinrelief verschiedene Szenen aus dem Leben des Hieronymus. Das ist aber die einzige Anspielung auf Hieronymus, die ich finde.

Am westlichen Ende der beiden Seitenschiffe stehen zwei weitere Sarkophage, die Grablege von Vasco da Gama und von Camões. Der ist aber gar nicht hier begraben, er wurde nach einer Epidemie in einem Massengrab verscharrt.

Danach geht es in den berühmten Kreuzgang. Wunderbar! Ein Genuss! Die Sonne kommt gerade im richtigen Moment heraus und bringt den hellen Sandstein zum Leuchten. Man hat immer wieder neue Perspektiven, oben und unten, aus dem Innenhof und aus dem Umgang, aus der Mitte des Umgangs oder aus den Ecken.

Auch das ist wieder pure Manuelinik, ganz späte Gotik, mit Anklängen an die Renaissance. Die hat man vor allem in den Bögen, vor allem den breiten Bögen des Obergeschosses (die an die Tudor-Epoche in England erinnern). Von der Nüchternheit der Renaissance ist aber nichts zu spüren. Mir fallen die Fialen auf, die sich vom Dach des Obergeschosses in den Himmel schrauben, und die brezelförmigen Verstrebungen, die im Untergeschoss die Stelle der Dreipässe annehmen.

In einer Nische im Kreuzgang befindet sich ein modernes Grabmal, in Form eines einfachen Sockels, ein Grabmal, das irgendwie nicht zu der Umgebung zu passen scheint. Und dann noch weniger zu passen scheint, als ich lese, dass es das Grabmal von Pessoa ist. Was hat der hier verloren?

In der Kirche waren mir schwarze Türen aufgefallen, die in regelmäßigen Intervallen in die Wand eines Seitenschiffes eingelassen waren. In dem anderen Seitenschiff waren keine. Was kann es mit den Türen nur auf sich haben? Keine Ahnung. Jetzt sehe ich wieder schwarze Türen. Aber wieder nur an einer Seite des Kreuzgangs, nämlich an der, die an die Kirche grenzt. Das Rätsel geht weiter. Dann sehe ich, dass eine der Türen offensteht. Man geht in die Wand hinein sozusagen und kommt vor ein Gitter: Beichtstühle! Man kann die Tür hinter sich verschließen. Der Priester sitzt in der Mauer zwischen Kirche und Kreuzgang und kann die Kundschaft zu beiden Seiten hin bedienen!

Zum Schluss wird dann auch noch klar, wie die Leute auf die Empore der Kirche kommen. Ich hatte aus der Kirche immer oben Besucher gesehen, aber keinen Zugang gefunden. Man kommt durch den Kreuzgang, auf der oberen Etage, auf die Empore!

Nach dem Kloster gehe ich in den Ort. Der ist durchaus sehenswert, vor allem die Häuserfront am Tejo. Irgendwo sehe ich ein Schild mit der Aufschrift Cruz Branca, dem Seelsorgeverband, wieder mit dem charakteristischen /r/ des Portugiesischen.

Vor der Konditorei mit dem programmatischen Namen Pastéis de Belém ist eine lange Schlange. Die zieht sich die ganze Schaufensterfassade entlang. Die Kunden sind nur in der Minderzahl Touristen, die meisten sind Schulkinder aus Belém.

Bei der Suche nach einem Lokal folge ich dem Reiseführer, lasse mich aber erst zweimal von der Straßenbahn narren und bin schon so weit, wieder aufzugeben. Dann kommt doch eine Bahn in die richtige Richtung, und dann merke ich, dass ich das Stück auch zu Fuß hätte gehen können.

Das Lokal, Descobre, sieht nach gut bürgerlich aus, ist aber ganz modern eingerichtet, und die Kunden scheinen Geschäftsleute zu sein. Die meisten Plätze sind reserviert. Alle sind gut gekleidet, ich falle mit meinem Kampfanzug aus der Rolle. Aber der junge Kellner ist genauso unsicher wie ich.

Es gibt hervorragenden Wein, den besten der ganzen Woche, Quinta do Meira. Als Vorspeise gibt es Olivenpaste und ganz besonders gut schmeckende Butter mit geröstetem und frischem Brot, und als Hauptgericht – ich traue meinen Augen nicht angesichts der Umgebung – eine Schlachtplatte, mit Rippchen, Würsten und Möhren, Kartoffeln, Reis und Kohl.

Trotz der Weinschwere schaffe ich es in Lissabon noch in die Casa dos Bicos. Die auffällige, weiße Fassade ist mit dreieckigen, an Diamanten erinnernden Steinen verziert. Auf der Ferne fragt man sich, ob es eine optische Täuschung ist, aber die Steine sind plastisch.

Hier befindet sich die Stiftung José Saramago. Der ist der einzige portugiesische und sogar der einzige in portugiesischer Sprache schreibende Literaturnobelpreisträger. Er ist hier begraben, unter einem Olivenbaum vor dem Haus. So wollte er selbst es, obwohl er viele Jahre bis zu seinem Tod auf Lanzarote gelebt hat und zu allem Übel mit einer Spanierin verheiratet war. Die Überführung der Leiche nach Lissabon wurde zu einem einzigen Triumphzug. Ob das an seinen Büchern lag? Oder vielleicht eher an seinem Engagement. Er ließ keinen Zweifel daran, dass sein Herz links schlug. Und dass es die Aufgabe eines Schriftstellers sei, sich gesellschaftlich zu engagieren.

Auf Photos sieht man ihn mit García Márquez, mit Vargas Llosa, Amos Oz, Benedetti, Susan Sontag, Jorge Amado, Juan Goytisolo, Rafael Alberti, Vázquez Montalbán und Fidel. Eine bezeichnende Auswahl. Auch sieht man ihn bei der Nobelpreisverleihung und als Volkstribun.

Sehr schön gestaltet ist ein Raum, an dem eine ganze lange Wand mit seinen Büchern gepflastert ist, ganz regelmäßig, in mehreren Reihen, portugiesische und ausländische Ausgaben. Viele der Titel kommen mir bekannt vor, obwohl ich noch nie etwas von ihm gelesen habe, darunter das umstrittene Evangelium nach Jesus Christus. Er hat aber auch Bücher über Reisen durch Portugal und einen Roman, in dessen Titel Ricardo Reis vorkommt. Eins der Pseudonyme von Pessoa!

Hinter einem Gitter ist sein Arbeitszimmer nachgebaut. Einfache Einrichtung, mit den unverzichtbaren Objekten: Brille, Schreibmaschine zweiter Hand (die er bis 1989 benutzte!), Pfeife, spezielle Kulis zum Stenographieren – wusste nicht, dass es so etwas gibt – drei Bände Montaigne, ein dickes Portugiesisch-Wörterbuch („Ein kleines Land mit einer großen Sprache“) und symbolische Steine aus Fernost und Amerika.

An anderer Stelle sieht man maschinengeschriebene Manuskripte von Gedichten mit vielen handschriftlichen Korrekturen sowie eine Auflistung der Ausgaben, in peinlich genauer Form in einer glasklaren Handschrift mit winzigen Buchstaben.

Für das Haus selbst, das auch Aufmerksamkeit verdient und früher Teil der Stadtmauer oder an sie angelehnt war – man sieht im hinteren Teil Mauerreste – kann ich kein Interesse mehr aufbringen. Dazu war es ein Glas Wein zu viel in Bethlehem.

26. Februar (Freitag)

Es regnet, aber es ist immer noch mild, 11°, aber kein Vergleich mehr mit den ersten Tagen.

In der Metro ist viel Betrieb, es ist früher als sonst, aber nach den zentralen Stationen leeren sich die Wagen schnell. Neben mir und gegenüber sitzen Afrikanerinnen. Sie haben alle krauses Haar, kurze Beine und auseinanderstehende Zähne. Sie sprechen nicht Portugiesisch miteinander, sondern afrikanische Sprachen, aber nur mit ihren Begleiterinnen, nicht mir anderen Afrikanerinnen. Es dürften unterschiedliche Sprachen sein.

Ich fahre bis zur Station Colegio Militar/Luz. Die ganze Station ist ausgestattet mit kleinen, quadratischen, dunkelblauen Fliesen. In jede ist irgendetwas eingeschrieben, ein Buchstabe, eine Strichzeichnung, ein Emblem. Unwillkürlich versucht man, da etwas herauszulesen, aber es will nicht gelingen.

Mein Ziel ist nicht Colegio Militar, sondern Luz, also das Estadio da Luz, das Stadion von Benfica. Schon von der Metrostation aus kann man die schönen, geschwungenen roten Stahlröhren der Tribüne sehen. Trotzdem ist es schwer zu finden. Beschilderungen gibt es keine – das ist ein generelles Manko in Lissabon – und ich muss mehrmals nachfragen, um zu einem Tunnel zu finden, der dann tatsächlich zum Stadion führt. Die Umgebung hier ist ganz anders als in den Stadtteilen, die ich kenne: vielspurige Straßen mit Unter- und Überführungen, tosender Verkehr, Hochhäuser.

Dann muss ich noch einmal fast ganz um das Stadion herum. Auch hier gibt es anfangs keine Schilder. Ich begegne keinem einzigen Menschen, bis ich zu der Verkaufsstelle komme. Als es dann so weit ist, habe ich eine Dreiviertelstunde von der U-Bahn aus gebraucht. Gut, dass ich so früh aufgebrochen bin.

Hier ist alles Rot: die Schilder, die Gitter vor den Geschäften, die Rohre, die Türen zu den Toiletten, die Abfallkörbe, die Handgriffe und praktischerweise auch die Feuerlöscher. Selbst die Sponsoren scheint man mit Bedacht ausgesucht zu haben: Sagres, Delta-Kaffee, Mediamarkt. Natürlich sind auch die Eintrittskarten rot.

Man wird zu Porta 15 geschickt. Davor steht die Statue von Eusebio, der Identifikationsfigur von Benfica, bis heute. Für mich Kindheitserinnerungen. Was waren das für Namen, welche Magie hatte das Fremde: Benfica, Eusebio, Estadio da Luz!

Hinter dem Eingang steht die Statue von Guttmann, mit den beiden Europapokalen, in jeder Hand einen. Darunter ein Zitat, in dem Guttmann Benfica lobt, als einzigartig in seiner Ausstrahlung. Nicht die Rede ist hier von Guttmann-Fluch, auch später bei der Führung nicht. Als er im Streit von Benfica schied, sagte Guttmann: Benfica wird in hundert Jahren keinen Europapokal mehr gewinnen. Seitdem hat Benfica achtmal das Endspiel erreicht, und immer verloren: gegen AC Mailand, gegen Inter Mailand, gegen Manchester United, gegen Eindhoven und noch mal gegen AC Mailand (Europapokal der Landesmeister) und gegen Anderlecht, gegen Chelsea und gegen Sevilla (UEFA-Cup bzw. Europa League), meistens ganz knapp, zweimal im  Elfmeterschießen.

Benfica ist der größte Sportverein der Welt, mit mehr als 200.000 Mitgliedern. Das dachte ich wenigstens bis vorgestern. Inzwischen wurden aus der Heimat Zweifel angemeldet. Da soll es einen deutschen Verein geben, der besser ungenannt bleibt, der noch mehr Mitglieder haben soll.

Dann beginnt die Führung. Wir sind nur zu viert. Die drei anderen sind junge Belgier. Sie waren gestern in Porto und da am Abend noch bei einem Spiel im Stadion, Europa-League. Heute Vormittag sind sie schon hier. Nach der Führung gehen sie noch in das Museum von Benfica und gleich anschließend dasselbe nochmal bei Sporting.

Sie sind Anhänger von Lokeren. Läuft nicht gut diese Saison. Das Ziel Europa League ist in weiter Ferne. Es geht nur noch um den Klassenerhalt.

Geführt werden wir von einem jungen Portugiesen, in gut verständlichem Englisch. Zuerst sehen wir das Modell des neuen Stadions, dann das des alten Stadions. Das neue fasst 65.000 Zuschauer, das alte fasste 125.000. Es war das größte Europas und das zweitgrößte der Welt.

Dann sehen wir das Modell des Trainingsgeländes. Es liegt weiter entfernt, auf der anderen Seite des Tejo. Es hat alleine neun Spielfelder, teils Kunstrasen, teils Naturrasen. Es wurde als das beste Trainingsgelände der Welt ausgezeichnet.

Dann geht es auf die Ränge. Man blickt in das Weite des Stadions. Die Tribünen sind zur Mitte hin erhöht, in einem schwungvollen Bogen. Es gibt nur Sitzplätze. Natürlich sind auch die Sitze rot. Mit einigen Ausnahmen. Die sind weiß und formen den Namen der Sponsoren.

Es regnet, aber hier werden nur die Spieler nass. Das durchsichtige Dach schützt die Zuschauer.

Dann gehen wir ganz oben fast einmal ganz um das Stadion herum. Hinter Glaswänden befinden sich das Restaurant und die Büroräume. Wie es wohl ist, wenn man aus seinem Büro heraus den ganzen lieben langen Tag auf Tribünen sieht?

Dann kommen die Katakomben. Die Wandtapeten haben Bilder  von Stars der Vergangenheit. Leider sagt der Führer wenig dazu.

Zwischen den einzelnen Stationen frage ich ihn zu seinem Lebensweg. Er kommt von den Azoren, hat aber hier in Lissabon studiert. Ja, das Leben sei natürlich ganz anders. Auf den Azoren lebe man ständig vom Wasser umgeben, und jeder kenne jeden. Er habe sich aber schon an Lissabon gewöhnt, als er seine ältere Schwester hier besuchte, jedes Jahr im Sommer.

Er hat Journalismus studiert, aber keine Stelle als Journalist gefunden. Deshalb arbeite er hier, für den „Club seines Herzens“. Warum er denn Anhänger von Benfica sei, will ich wissen. Weil das die Regel ist. Er schätzt, dass 65-70% aller Portugiesen Anhänger von Benfica ist. Das sei der Club der Armen, Sporting sei der Club der Reichen, Porto dazwischen.

Er wundert sich, dass man in Deutschland oder England oft Anhänger des Heimatvereins ist. Und er wundert sich, dass die Spieler von Dortmund zu Bayern wechseln. Das könne hier nicht passieren. Ein Spieler von Benfica würde nie zu Sporting wechseln oder umgekehrt.

Er lernt gerade Deutsch und sagt mir die ersten Sätzen auf, die er gelernt hat. Über sich selbst: Alter, Beruf, Herkunft usw. Das hört sich gut an.

Bevor wir in die Umkleidekabinen kommen, sagt er uns, das werde wahrscheinlich eine Enttäuschung sein. Man sieht nicht die richtigen Umkleidekabinen. Die haben Schwimmbad und Jacuzzi. Diese hier sehen wirklich eher normal aus.

Dann kommt der Presseraum. Für ungefähr hundert Journalisten. Es gibt aber eine abtrennbare Wand, hinter der Platz für weitere 400 Journalisten ist. Davon wird aber nur bei großen Ereignissen wie der EM Gebrauch gemacht.

Dann kommen wir zu einer gläsernen Schiebetür. Dahinter ist das Spielfeld. Unter den Klängen der Hymne von Benfica laufen wir aufs  Spielfeld. Bis ans Spielfeld. Da, wo der Rasen beginnt, ist Schluss.

Wir gehen in die Kurve, und da sind sie, die Adler! Ich wollte die ganze Zeit nach ihnen fragen. Wo werden sie denn gehalten? Praktischerweise gleich hier am Spielfeldrand. Wir können uns mit ihnen photographieren lassen. Sie fliegen jeden Tag ein paar Trainingsrunden, aber am Spieltag kommt nur einer zum Einsatz, immer der gleiche. Er fliegt vor Spielbeginn unter dem Jubel der Zuschauer durchs Stadion. Die anderen sind Ersatzspieler. Ersatzspielerinnen besser. Alle sind Weibchen. Man hat versucht, einen eigenen Benfica-Adler zu züchten, aber es hat nicht geklappt. Die Weibchen sind paarungsunwillig.

Auf dem Weg zum Ausgang kommen wir an einer Säule mit dem Wappen von Benfica vorbei. Ich frage nach dem Namen. Die Antwort ist ganz enttäuschend: Benfica ist einfach der Name des Stadtteils. Aber hört sich das nicht nach ‚gut-tun‘ an? Nein, das sei bemfica. Ein anderes Wort.

Auf dem Wappen steht SLB: Sport Lisboa e Benfica. Der Verein ist eine Fusion aus zwei Vereinen. Dabei war Sport der eigentliche Fußballverein, Benfica war ein Radfahrverein. Das erkennt man noch an der skizzierten Radrennbahn im Wappen. Das trägt auch das Motto des Vereins  E pluribus unum.

Die Führung ist zu Ende. Die Belgier verabschieden sich ins Museum. Ich drücke die Daumen für den Rest der Saison und ermutige den Führer mit einem Schulterklopfen, weiterhin so gut Deutsch zu lernen. Auf Wiedersehen!

Inzwischen hat der Regen zugenommen. Als ich wieder an der Metro ankomme, bin ich klatschnass.

Auf dem Rückweg steige ich an der Metrostation Parque aus. Die ist von einer modernen belgischen Künstlerin ausgestaltet worden. Auf tiefblauen Fliesen sind Landkarten von verschiedenen Teilen der Welt abgebildet. Die illustrieren die allmähliche Veränderung des Weltbildes, ganz wörtlich gesehen, des Wissens des Menschen um die Gestalt der Erde. Das ist auch aufgrund der portugiesischen Seefahrer immer präziser geworden. Es gibt dabei auch ein paar phantastische Darstellungen. Die einzelnen Teile sind getrennt durch Totempfähle mit allen möglichen geheimnisvollen Objekten. In den Fliesen finden sich außerdem Zitate über Entdeckungen und über die Welt. Und am Dach des Metrotunnels ist, Buchstabe für Buchstabe, die Erklärung der Menschenrechte eingelassen.

Die Autofahrer in Lissabon sind sehr rücksichtsvoll. Aber mit den regennassen Straßen können sie nicht umgehen. Die Fußgänger am Straßenrand bekommen das zu spüren. Und das gibt mir heute den Rest. Ich muss jetzt erst mal aufs Trockendeck in die Pension.

Dann kommt die Sonne wieder raus. Ich fahre zur Metrostation Chiado. Unterwegs sehe ich ein Plakat zum Telefonieren mit dem Handy in der Metro (und in der Öffentlichkeit im Allgemeinen): Evite falar alto ao telemóvel. Das Portugiesische hat hier das ursprüngliche /f/ bewahrt, das im Spanischen zu /h/ und dann stumm geworden ist: hablar.

Der Chiado ist wieder ein anderer, gar nicht so weit entfernter Ortsteil, auch auf einem Hügel legen. Einem Mythos zufolge steht Lissabon auf sieben Hügel. Der Mythos entstand in der Zeit, als man sich bemühte, eine Parallele zu Rom herzustellen. Es stimmt natürlich nicht. Es sind viel mehr.

Man ist sofort angetan vom Chiado. Ein kleiner, gemütlicher Platz, von dem ein anderer, größerer ausgeht und schmale Straßen in verschiedenen Richtungen, alle steil bergab.

Wieder hilft der Zufall. Auf einmal befinde ich mich vor dem Café A Brasileira, einer Institution in Lissabon. Es wurde eigentlich als Warenlager für Kaffee aus Brasil gegründet, mit Verkostung. Daraus entstand dann das Café. Wieder ein langgestreckter Raum, mit einer langen hölzernen Theke. An den Wänden Messing-Beschläge, und eine Einrichtung, die an Art Déco denken lässt.

Der Kellner dürfte selbst auch Brasilianer sein. Er empfiehlt mir ein Gebäckstück mit flüssiger, schwarzer Schokolade drinnen. Ein Volltreffer!

Pessoa war hier Stammgast. Und die Bronzestatue vor dem Café, an einem Tisch sitzend, stellt ihn da, ein Bein lässig über das andere gelegt. Wieder die typischen Accessoires, einschließlich Fliege. Eine ganze Gruppe portugiesischer Schulkinder lässt sich mit im photographieren. Ich warte in aller Ruhe ab, bis sie fertig sind. Die Sonne ist wieder rausgekommen.

In der Mitte des Platzes steht auf einem niedrigen Sockel eine andere Skulptur. Das ist Chiado. Ich wusste nicht, dass das ein Mann war. Es ist nicht sein richtiger Name, sondern ein Spitzname. Schöne Geschichte. Er wurde aus einem Mönchsorden ausgewiesen – oder erst gar nicht aufgenommen – und zog dann Spottverse zitierend durch die Gegend, in Mönchskutte. Der Name Chiado bedeutet Seine lässige Haltung, zur Seite gebeugt, mit einem leicht spöttischen Lächeln auf dem Gesicht, passt dazu.

Eine ganz andere Sache ist das Denkmal auf dem angrenzenden größeren Platz. Das stellt Camões da. Er steht erhöht und sieht eher wie ein Feldherr aus. Auf dem Sockel im Relief ein Dutzend anderer Dichter. Ich kenne keinen davon.

Der abschüssige Platz ist wieder schön gepflastert, mit den schwarzen und weißen Steinen. Hier sind neben den floralen Mustern Karavellen abgebildet.

Ich frage mich zum Pharmazie-Museum durch. Das kennt kein Mensch. Auch die Straßennamen, mit denen ich es probiere, sind unbekannt. Inzwischen hat es wieder angefangen zu regnen. Dann treffe ich auf einen Mann, der ganz genau Bescheid weiß.

Das Museum befindet sich in einem Palast, mit Blick direkt auf den Tejo hinunter. Man wagt es kaum, über den gepflegten Rasen zum Eingang zu gehen.

Leider ist das Museum in dem hinteren, fensterlosen Teil des Gebäudes untergebracht. Und die Frau an der Kasse ist so unfreundlich wie es geht. Aber es lohnt sich.

Es geht mit einem Paukenschlag los. Gleich hinter der Eingangstür lauert ein Mann in langer, schwarzer Kutte auf mich. Ich zucke vor Schreck zusammen. Er trägt lange schwarze Handschuhe und eine Maske mit einem langen Schnabel, die nur einen Augenspalt frei lässt. Sieht wie ein Henker aus. Ist aber ein Arzt. Er trägt die Kleidung, die Ärzte trugen, die bei der Bekämpfung der Pest im Einsatz waren.

Auf der unteren Etage sind mehrere komplette Apotheken ausgestellt, einschließlich Apotheker, meist aus dem 19. Jahrhundert. Darunter eine aus China. Eine der Apotheken ist eine Reform-Apotheke. Das bedeutet aber nicht, was man vermutet. Eher das Gegenteil. So hießen die ersten Apotheken, die „echte“ Pharmaka herstellten. Die traditionellen Apotheken verließen sich auf mineralische, tierische und pflanzliche Stoffe.

Neben den alten Apotheken gibt es noch die mobilen Apotheken der NASA und der Weltraumstation Mir zu sehen. Irgendwie sieht die amerikanische Apotheke vertrauenswürdiger aus, auf jeden Fall aber moderner.

Auf dem Weg nach oben hängen über der Treppe Apothekenschilder, darunter die einer Adler-Apotheke aus Deutschland.

Oben sind Exponate zur Geschichte der Pharmazie zu sehen. Es geht in der Jungsteinzeit los. Hier sind verschiedene Mühlsteine zu sehen. Auf denen hat man Spuren gefunden, die beweisen, dass hier Substanzen zerrieben und zu Heilmitteln verarbeitet wurden.

Es gibt Exponate aus dem alten Ägypten, aus Griechenland und Rom, aus dem Islam, aus dem europäischen Mittelalter. Das ist alles interessanter, als man vermuten könnte.

Aus Ägypten gibt es einen echten Skarabäus. Auf der Unterseite sind Hieroglyphen eingeritzt. Er wurde den Toten auf das Herz gelegt und auch mit auf den Weg ins Jenseits gegeben. Medizin für die Toten. Ganz auffallend sind altamerikanische Figuren, ein Skelett, das wie das eines Affen aussieht, aber das eines Menschen sein soll. Daneben ein Priester, mit den typischen Merkmalen der Figuren aus den altamerikanischen Kulturen, irgendwie quadratisch, mit einem Gewand, an dem alle möglichen nicht zu identifizierenden rituellen Objekte hängen. In Amerika war es wie in Ägypten: Die Priester waren gleichzeitig Medizinmänner, die Heilkunst hatte etwas Magisches.

In allen Kulturen fällt die Mischung aus genauer Beobachtung und magischem Glauben auf. Es wimmelt nur so von Amuletten, Dämonen und Ritualgefäßen.

In der europäischen Abteilung steht das Horn eines Einhorns. Ein riesiges, senkrecht aufgestelltes Horn. Das Horn wurde zur Behandlung von Epilepsie, Impotenz, Pest und Pocken verwandt, war aber auch ein Kennzeichen für Apotheke, zumindest in Nordeuropa. Der Glaube an das Einhorn konnte sich so halten. Tatsächlich stammt das Horn vom Narwal, einer Art Zahnwal.

Irgendwo ist eine Pistole ausgestellt. Man fragt sich, was das mit Pharmazie zu tun hat. Als letztes Mittel? Es ist ganz anders. Auf dem Beschlag der Pistole ist, ganz fein ziseliert, das Bild einer Apotheke eingeritzt, einschließlich Apotheker, Kunde und Hund, neben all den Gefäßen in den Regalen.

Leider sind die Beschreibungen fast ausschließlich auf  Portugiesisch, und manchmal muss man raten. Gut zu erkennen ist aber ein Koffer für medizinische Geräte. Sieht wie ein Handwerkskoffer aus. Ist verschließbar, und für jedes Gerät, mehr als zwanzig, hat der Koffer eine Vertiefung, passgenau für jedes Gerät.

Auffällig zwei Keuschheitsgürtel. Auch die gehören in ein Pharmaziemuseum, unter der Rubrik „Vorbeugung“ vermutlich. Es sind Keuschheitsgürtel für Männer, aus Eisen! Sie haben eigene Vorrichtungen, in die die Organe hineingepasst werden. Bequem sieht es nicht gerade aus.

Ganz unscheinbar ist ein echter Schatz des Museums: ein Schimmelpilz. Man sieht ihn von vorn, auf einer Glasplatte, und durch einen Spiegel hinten die Aufschrift, von Fleming höchstpersönlich: Penicillium. Die Entdeckung, erfährt man, bleib anfangs so gut wie unbeachtet. Erst als im 2. Weltkrieg zwei andere Forscher Flemings Entdeckung wieder aufgriffen, begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Medizin, mit den Antibiotika.

Als ich aus dem Museum herauskomme, scheint mal wieder die Sonne. Auf dem Rückweg entdecke ich zufällig eine Buchhandlung, die auch in den Reiseführern steht, die Livraria Bertrand. Es handelt sich um die älteste (ohne Unterbrechung betriebene) Buchhandlung der Welt. Davon kündet auch eine Abbildung auf Fliesen an der Seite der Buchhandlung. Die Fliesen werden allerdings teilweise von Mülleimern verdeckt!

Ich lande in einem einfachen Lokal, einem der vielen, die von außen nach mehr aussehen. Es gibt passables Essen – aber wieder die obligate Gemüsesuppe und das obligate Schweinefleisch – und passablen Wein. Das Gericht kommt aus dem Alentejo, im Süden Portugals, der Wein – wie der Besitzer – aus Cerveira, im Norden Portugals.

Dann verlaufe ich mich mal wieder, komme aber auf dem Rückweg dabei zur Praça do Municipio. Kleiner als die anderen Plätze der Baixa und praktisch menschenleer. An der Stirnseite steht das schöne, zweistöckige Rathaus, ganz in Weiß. Auf dem Dach die portugiesische Flagge, im Giebel das Stadtwappen von Lissabon, ein Schiff mit zwei Raben. In halber Höhe ein Balkon, und der ist von historischer Wichtigkeit: Hier wurde 1910 die erste portugiesische Republik ausgerufen, ähnlich wie bei uns etwas später vom Balkon des Reichstags. Die portugiesische Republik hatte ein paar Webfehler. Sie verschliss 44 Regierungen in 16 Jahren. Davon profitierten ihre Gegner. Ein Militärputsch brachte ihr Ende und führte letztlich zu Salazars Estado Novo und der jahrzehntelangen Diktatur. Salazar nahm ein für einen Diktator wunderbar unheroisches Ende: Ein Liegestuhl brach unter seinem Gewicht zusammen, er erlitt eine Gehirnblutung, und von der erholte es sich nicht mehr.

27. Januar (Samstag)

Eine deutsche Frau bringt zum Frühstück ihr eigenes Glas Nutella mit. Die Vorstellung, ein paar Tage ohne Nutella zu leben muss unerträglich sein.

Das erinnert mich an meine hochgebildete Seminarleiterin, die völlig frustriert von ihrer ersten Klassenfahrt nach Spanien zurückkehrte. Die Schüler hätten sich für nichts interessiert, aber ständig geklagt, dass es in der Unterkunft nicht die richtige Sorte Ketchup gebe.

Beim Frühstück erinnere ich mich an eine Szene an einer Straßenbahnhaltestelle, dieser Tage, in Prazeres. Ein alter Mann sieht auf meine Sandalen, schüttelt den Kopf, hebt an, etwas zu sagen und wendet sich dann ab, mit einer wegwerfenden Handbewegung.

Die Taxis von Lissabon sind schwarz, aber nicht ganz. Sie haben ein Dach in einem auffälligen, merkwürdigen Grün. Das macht sie leicht zu erkennen.

Es ist viel kälter geworden, und es regnet den ganzen Tag. Fast den ganzen Tag. Immer wieder kommt zwischendurch ein Sonnenstrahl, dann klart der Himmel ganz auf und dann kommt wieder sintflutartiger Regen. Zweimal muss ich zwischendurch zur Pension, durchnässt. In einem Café ernte ich beim Betreten mitleidige Blicke.

Ich gehe die sanft ansteigende, breite Avenida da Libertade hinauf, in die „andere“ Richtung, nicht zum Tejo hinunter. Zwischen den drei Fahrspuren gibt es zwei breite Gehwege, palmenbestanden, wieder mit schönen Mustern im Pflaster. Sonne und Bäume sorgen für Licht und Schatten auf dem schwarz-weißen Boden. Ideal für Photos.

Die Avenida da Libertade mündet in die Praça Marquez do Pombal. Der Platz hat nichts zu bieten außer einem Kreisverkehr mit vielen Autos. Aber in der Mitte, viel zu hoch auf einem Sockel, steht die Statue des Marquez do Pombal. Der war eine der umstrittensten Figuren der Geschichte Lissabons. Er war der große Erneuerer, der, der die Sache nach dem Erdbeben von 1755 couragiert in die Hand nahm und die neue, pombalinische Stadt aufbaute. Ich fand zuerst alles, was ich von ihm gelesen habe, durch und durch positiv: den Elan, mit dem er sich ans Werk machte, den Mut, mit denen er Neuerungen betrieb. Brandmauern und Fluchtwege, Abwasserkanäle und Bürgersteige, eine erdbebensichere Fachwerkstruktur, einheitliche Maße, vorgefertigte Bauteile, mit denen der Aufbau beschleunigt wurde. Um die Standfestigkeit seiner Bauten zu prüfen, ließ er Holzmodelle erstellen und Soldaten im Gleichschritt drum herum laufen, um ein Erdbeben zu simulieren. Und mit der Stadterneuerung hatte er schon vor dem Erdbeben begonnen. Ich wundere mich nur, dass er nicht bekannter ist. Das ist alles vor Paris und Barcelona, vor Haussmann und Cerdà. Und politisch klingt auch alles, was er machte, progressiv, aufgeklärt: Schwächung des Adels und der Kirche zugunsten des Staates, Verbot von Hexenprozessen, Abschaffung der Sklaverei, Errichtung von Manufakturen. Warum ist er dann so umstritten? In seiner Vorgehensweise soll er nicht zimperlich gewesen sein, rücksichtslos seine eigenen Interessen verfolgt haben. Er schaltete seine Gegner aus, bemächtigte sich ihrer Besitztümer, ließ sie hinrichten. Den König, José I., scheint es nicht gestört zu haben. Er machte ihn, erst gegen Ende seines Lebens, zum Marquez. Aber seiner Tochter, die ihrem Vater auf den Thron folgte, war er ein Dorn im Auge. Sie entmachtete ihn und schickte ihn in die Verbannung.

Von der Praça Marquez do Pombal geht es immer noch weiter aufwärts, immer steiler. Man kommt zum Parque Eduardo VII. Nach dem britischen König benannt! Ja, hier war ich schon mal. Eine der wenigen Erinnerungen an die erste Reise, zusammen mit dem Elevador Santa Justa und der Torre de Belém, ist der Blick hier hinunter, von den in zackigen Formen geschnittenen Buchsbäumen des Parks bis zum Tejo in weiter Ferne. Ich kann den Park aber nicht weiter erkunden, denn es fängt wieder an zu regnen.

Oben treffen sich Radfahrer, eher ein seltenes Bild in Lissabon. Eine ganze Gruppe, alle mit Helm und ähnlichen Rädern. Das ist die geführte Stadtrundfahrt. Ich hatte davon im Reiseführer gelesen. Sie bekommen gerade ihre Instruktionen. Als ich auf halbem Wege nach unten bin, fahren sie an mir vorbei. Mir wird ganz anders, als ich sie lachend und rufend um sich sehend, mit über die rutschigen Fliesen nach oben rasen sehe. Und prompt legt sich einer hin. Er hat Glück gehabt und nur ein paar Schrammen abbekommen. Aber das Fahrrad ist total verzogen.

Am Nachmittag, als mal wieder die Sonne rausgekommen ist, spaziere ich in aller Ruhe durch das Burgviertel. Das lohnt sich. Es ist ein richtiges Wohnviertel, mit niedrigen Häusern und engen Gassen. Da kommen ein paar wunderbare Photos dabei heraus, von Türen, die dem Gefälle angepasst sind, von Fenstern, die mit Brettern vernagelt sind, vom Schatten einer Zypresse an der Burgmauer, von löchrigen Socken auf einer Wäscheleine vor einem Hauseingang.

Und das war’s dann schon mit Lissabon. Am Ende der Woche steht noch viel aus: das Römische Theater, das (von einem kunstsinnigen Kollegen empfohlene) Museo Calouste Gubelkain, das Convento do Carmo mit seinem Museum, das Nationaltheater, der Königspalast von Belém, die politischen und universitären Gebäude, das Stadion von Sporting als Gegenstück zu dem von Benfica, ganz zu schweigen von Estoril, Cascais oder Sintra. Aber es lohnt sich, wiederzukommen.

 

 

 

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