Salerno
21. August (Sonntag)
„Nach der Mahlzeit schlummere du wenig oder auch gar nicht. Trägheit und Fieber, ein Schnupfen gar samt Schmerzen des Kopfes. Solches erblüht dir all vom faulen Schlafe nach dem Mittag.“ Auszug aus dem Regimen sanitatis Salernitanum, einem europäischen Bestseller, veröffentlicht von der berühmten Medizinschule in Salerno.
Bei der Ankunft in Neapel ist es sowieso noch zu früh für einen Mittagsschlaf. Es ist aber schon so heiß, als wenn es Mittag wäre. Unter dem wolkenlosen Himmel schleppe ich meinen Koffer von der Flughafenhalle zur Haltestelle des Alibus. Alles ist gut beschildert und organisiert, und der Bus steht abfahrbereit.
Unterwegs kaputte Bürgersteige, überquellende Mülltonnen, schwere Eisengitter, Bauzäune. Das ist nicht gerade einladend, aber so stellt man sich Neapel vor. Die Geschäfte sind geschlossen, kaum jemand ist auf der Straße. In einem einsamen Frisörsalon wird ein einzelner Kunde auf einem roten Plastikstuhl bedient.
In einer knappen Viertelstunde sind wir schon am Bahnhof. Gedränge, fliegende Händler, Bettler, Touristengruppen, enge Wege an Baustellen vorbei. Unübersichtlich. Für einen Moment ein Gefühl von Unsicherheit, auch noch, als ich am Automaten die Fahrkarte löse. Aber das legt sich bald. Alles in Ordnung.
Ich muss lange warten, der Automat hat den nächsten Zug übergangen. In der einzigen Cafeteria teile ich mir den einzigen freien Platz mit einem Mann, der die Repubblica liest. Ob ich alleine sei. Ja. Keine Frau dabei? Nein. Glückwunsch! Er selbst habe zwei Ehen hinter sich, beide Frauen hätten ihn verlassen. Der Mann hat, wenn ich das richtig verstehe, in den USA und in der Schweiz gearbeitet, für eine Versicherungsagentur. Er lege Wert auf Pünktlichkeit. Ob ich nach Ischia wolle. In Ischia wären viele Deutsche. Eine Frau vom Nebentisch mischt sich ein, in fließendem Deutsch. Neapolitanerin. 24 Jahre Aschaffenburg. Sie ist auf dem Weg nach Sizilien. Der Mann fragt mich, ob ich wisse, warum Frauen länger leben als Männer. Ich weiß es nicht, und ich weiß es immer noch nicht, denn seine Antwort verstehe ich nicht. Irgendetwas hat es zu tun mit dem Schleppen von Getränkekästen. Das müssten immer die Männer machen. Aber ob die Lebensdauer alleine davon abhängt? Das Gespräch zieht sich noch eine ganze Zeitlang hin, mal mit ihm, mal mit ihr. Dann ist es Zeit für den Zug.
Der ist sauber, pünktlich und schnell. In einer halben Stunde ist man in Salerno. Die Vermieterin des Apartments weiß nichts von mir, als ich mich am Telefon melde. Sie hat auch auf eine SMS nicht reagiert. Ich solle zur Wohnung kommen und schellen.
Es geht schnurstracks eine breite Einkaufsstraße hinunter, mit eleganten Geschäften. Ein Bekleidungsgeschäft heißt Doppelgänger. Zwei Geschäfte verkaufen Mozzarella. Die stammt von hier, aus Kampanien.
An einem Platz wird aus der breiten, regelmäßigen Straße plötzlich eine schmale, unregelmäßige. Die Häuser auf beiden Seiten sind oben manchmal durch einen Bogen verbunden. Statt die Häuser zu verbinden, sind sie vermutlich eher dazu da, sie auseinanderzuhalten.
Eins der Seitengässchen ist die ‚Schneegasse‘, dem Vicolo della Neve. Die Eingangstür sieht eher schäbig aus, und das Treppenhaus ist düster und eng. Es ist sofort geöffnet worden. Oben steht eine junge Deutsche, eine Mitbewohnerin, die mir die Wohnung zeigt. Alles ist modern und gut eingerichtet. Es gibt ein kompliziertes Mülltrennungsprogramm mit Abholzeiten an verschiedenen Wochentagen. Es gibt keinen „Restmüll“.
Ich mache mich sofort auf die Suche nach Vorräten für den Kühlschrank. Aber es ist nichts zu finden. Am Ende entdecke ich hinter einer Ecke einen Gemüseladen. Die Tür steht offen, niemand da. Ich sehe mich um und gehe ganz vorsichtig hinein, über die Schwelle. Ich will gerade rufen, als ein Mann aus dem Kämmerchen hinter der Theke erscheint und mich anherrscht: was mir denn einfalle, es sei geschlossen, er würde doch auch nicht unaufgefordert in meine Wohnung kommen usw. Ich versuche, mir dadurch nicht die Laune verderben zu lassen und hoffe, dass das hier nicht die normale Kommunikationsform ist.
Es bleibt mir nichts übrig: Ich muss noch mal zurück zum Bahnhof. Aber auch hier ist nichts zu finden. Am Ende bekomme ich in einem Kiosk wenigstens Wasser und ein Sandwich. Aber ich finde jetzt die erste Orientierung. Die große Einkaufsstraße ist der Corso Vittorio Emmanuele. Er läuft parallel zum Meeresufer, zum Lungomare. Zwischen den beiden verläuft, etwas unregelmäßiger, der Corso Garibaldi, und der geht in die Via Roma über.
Ich gehe zurück, um irgendwo eine Pizza zu bekommen. Pizzerien gibt es zu Hauf. Die Pizza ist schließlich eine neapolitanische Erfindung. Aber jetzt ist es so spät, dass die Pizzerien schließen, alle zusammen, wie auf Kommando.
Ich mache einen Spaziergang am Lungomare entlang, mit Palmen und einer durchgehenden Steinbank, auf der es sich viele bequem gemacht haben. Die Uferpromenade ist vom Verkehr durch einen breiten parkähnlichen Streifen getrennt. Das muss das Resultat der städtebaulichen Maßnahmen sein, die ein engagierter Politiker vor einigen Jahren initiierte, unter Einbeziehung international bekannter Architekten, um aus dieser verfallenden Stadt wieder etwas zu machen.
Dann geht es in einen Park. Das ist die Villa Communale, nicht der Giardino della Minerva, wie ich glaube. Der liegt weiter oben. Es gibt ein paar exotische Pflanzen, einen Brunnen und auf hohen Sockeln stehende Statuen von Menschen, deren Namen man noch nie gehört hat.
Von hier aus hat man einen guten Blick auf Bonadies, den Hausberg Salernos, eigentlich eher einen Hügel. Man sieht ihn auch vom Zentrum aus und vom Meer aus, aber immer nur einen Ausschnitt, und da er mehrere Kuppen hat, sieht er immer anders aus. Auf einer ist ein Kreuz, die andere hat eine Kerbe, und auf der dritten steht eine mächtige Festung. Von hier aus blickt man außerdem auf die auffällige, mit bunter Majolika verkleidete Kuppel einer Kirche.
Gleich vor dem Eingang zur Villa Communale steht das Teatro Verdi, zur gleichen Zeit angelegt wie der Park. Es werden das ganze Jahr über, außer im Sommer, Opern gegeben, nur italienische, die meisten von Verdi.
Ich komme noch zum Dom, eher zufällig. Der ist ganz in der Nähe des Apartments, in der Altstadt. Auf einer engen, steil ansteigenden Gasse öffnet sich ein Platz mit einer barocken Freitreppe. Die führt zu einem Portal, und das wiederum in einen Innenhof, der irgendwie ein bisschen maurisch wirkt. Am Rande des Innenhofs steht ein freistehender Campanile.
Als ich irgendwo doch noch ein Sandwich und ein Bier bekomme, lese ich in einem Reiseführer, was die Römer hierher gebracht hat. Sie kamen, um die einheimische Bevölkerung auf die rechte Bahn zu bringen. Die hatte nämlich ein Bündnis mit Hannibal gemacht, und das konnten die Römer nicht dulden. Und dann ist noch von einer weiteren Invasion die Rede, einer modernen. Salerno war im 2. Weltkrieg Schauplatz der Landung von 200.000 alliierten Soldaten, wonach Salerno für kurze Zeit Hauptstadt Italiens war.
Von der Lektüre lasse ich mich immer wieder ablenken durch ein Gespräch zweier Männer am Nebentisch. Ich verstehe nichts, aber das ist eindeutig Italienisch. Neapolitanisch.
22. August (Montag)
„Seduti intorno ad un tavolo siamo io, il vicesostituto portiere Salvatore Coppola, il dottore Passalacqua … ed un signore sconosciuto che essendo venuto poco prima a chiedere informazoni su di un apartamento libero, ha deciso di trattenersi.” Das ist gleich am Anfang von Così parlò Bellavista, das ich als Ferienlektüre dabei habe. Wie viele Personen sind da vertreten? Drei oder vier? Nur der Kontext erweist es: vier.
Und noch mal Zahlen: „The two consuls, who sat next to him, asked whether they might be graciously permitted to share in it“. Wie viele Konsulen gibt es? Es sind zwei. Das zeigt das Komma. Ohne Komma wären es mindestens drei. Das ist aus Robert Graves‘ I, Claudius.
Im Unterricht werden die typischen Einsatz- und Umwandlungsübungen gemacht. Es geht scheinbar um Oper und Theater, in Wirklichkeit aber um den Imperativ. Alles ganz gut, aber zu umständlich, zu wenig kommunikativ. Ob man jetzt außerhalb des Unterrichts den Imperativ schneller und besser gebrauchen kann?
Am interessantesten, wie so oft, ein Detail, das nur am Rande und in diesem Fall rein zufällig zur Sprache kommt: La Smorfia. Das ist der Titel eines Theaterstücks. Dahinter verbirgt sich aber eine besondere Bedeutung des Wortes. Es bezeichnet ein neapolitanisches Zeichensystem, bei dem jede Zahl von 1-90 für ein Konzept steht: 1 = Italien, 4= Schwein, 22= bekloppt. Und die 17 steht, wie immer in Italien, für Unglück. Wie es der Zufall will, komme ich später in der Altstadt an einer Pizzeria vorbei, die so heißt: La Smorfia.
Nach dem Unterricht gehen wir in Zada Hadids Stazione Marittima, dem neuen Fährterminal. Über die Architektur erfährt man wenig. Der Angestellte, der uns führt, erklärt dagegen mit Begeisterung die moderne Funktionalität des Gebäudes, so wie das Transportband, das das Gepäck der Passagiere gleich vom Eingang des Gebäudes auf unterirdischen Wegen auf das Schiff bringt. Irgendwie kann man sich das alles schlecht vorstellen, und eine belgische Studentin stellt die entscheidende Frage: Ist das Terminal denn überhaupt schon eröffnet? Eröffnet ja, aber noch nicht in Betrieb. Wir besichtigen also ein leeres Haus. In der Eingangshalle ist ein Informationsschalter, aber sonst gibt es hier noch nichts.
Das Gebäude ist weitgehend aus Beton und Glas, und durch das Glas hat man schöne Blicke in alle Richtungen, auf den Bonadies, aufs Meer, auf den neuen, hinter dem Terminal entstehenden Platz. Innen hat man das Gefühl, das der Bau einem Schiff nachempfunden ist – ein Gang ist so uneben, dass man den Eindruck hat, man bewege sich auf dem bewegten Meer – aber aus der Ferne sieht der silbern glänzende Bau eher wie eine fliegende Untertasse aus. Die Architektin ist zwei Wochen vor der Eröffnung des Terminals gestorben.
Nach der Besichtigung versuche ich mein Glück in einem Supermarkt, aber der öffnet erst um 16.30 wieder. Also geht es zurück zur Schule zur Begrüßung der Neuankömmlinge. Das wird alles sehr professionell durchgeführt, alle sind sehr freundlich, aber der Informationswert ist eher gering.
Danach gehe ich in Richtung Giardino della Minerva. Man kommt in ein ganz eigenes Stadtviertel, obwohl das nur ein paar Minuten vom Lungomare entfernt liegt. Viel Graffiti an den Häusern, Müll an den Straßenecken, aber säuberlich getrennt, ein ovaler Brunnen, in den aus zwei rostigen Vasen Wasser fließt, zwischen denen eine kitschige Christusfigur steht. Beim Graffiti handelt es sich nicht oder jedenfalls nicht nur um Schmierereien, sondern auch um Zeichnungen, Sprüche und Gedichte, teils auf neapolitanisch. Da versteht man herzlich wenig, selbst geschrieben nicht. Unter den Zeichnungen besonders auffällig ein geflügelter Engel, der aus einem Fenster ein Papierschiffchen auf den Boden fliegen lässt.
Ein Aufzug geht zum Giardino della Minerva hinauf, und er funktioniert sogar. Aber der Garten hat montags geschlossen. Oben hat man wieder ein anderes Viertel. Hier ist es ganz ruhig, man sieht fast keine Zeichen von Alltagsleben.
Wieder in der Altstadt, komme ich noch an ein paar kleinen Geschäften vorbei, Handwerksbetrieben, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen: ein Schneider, ein Hutmacher, ein Schuhmacher, die ihre Ware selbst herstellen.
23. August (Dienstag)
Der Wind hat seit Sonntag ständig zugenommen. Besonders in den engen Gassen ist er sehr heftig. Heute Nacht war er so stark, dass man die Fenster schließen musste. Die Lehrerin erzählt, ihr seien zwei Bettlaken vom Balkon geweht worden.
Gegenüber der Schule ist eine Osteria mit dem Namen je, tueiss. Da steht man ratlos davor.
Einer der Mitschüler, ein Schweizer, hat als Designer Möbel, Uhren und Parfüm entworfen, für weltbekannte italienische Marken. Er spricht mit großer Selbstverständlichkeit darüber, ohne Präpotenz, und zeigt uns Photos von den Produkten auf seinem Handy. Besonders die Lampen gefallen mir gut, elegant, modern, schlank, und auch die Stühle, die Uhren weniger. Er hat vor der Ausbildung zum Designer schon eine Ausbildung zum Ingenieur gemacht und hat schon in verschiedenen Ländern gearbeitet. Demnächst geht es nach Südamerika.
Mir fehlen Vokabeln an allen Ecken und Enden, aber ansonsten geht es gut mit der Kommunikation. Außerhalb der Schule versteht man meist nicht, gar nichts, wenn man nicht irgendwie selbst am Gespräch beteiligt ist.
Die Aufgaben sind meist einfach. Bei einer Übung benutze ich zwei Formen von andare in einem Satz. Falsch. Das sei unlogisch, wird argumentiert. Aber mir fallen Formen wie I’m gonna go and have a bath ein.
Eine der Lehrerinnen hat /s/ statt /z/ in cosa, usato, numeroso. Was die Erklärung dafür ist, weiß ich nicht.
Nach dem Unterricht mache ich einen zweiten Anlauf, um den Giardino della Minerva zu sehen. Diesmal steht das Tor auf, aber es wird gerade für die Mittagspause geschlossen.
Unterwegs sehe ich, wie der Einkauf in einem Hochhaus in die obere Etage transportiert wird: An einem Seil wird ein Korb heruntergelassen, der wird beladen und dann oben vom Balkon aus hochgezogen.
Addò se vo‘ bene, là se more steht an einer Häuserwand. Auch das kann ich nicht entschlüsseln. Unter optischen Täuschungen bei den Wandmalereien fällt mir ein Fußballtor mit Netz auf. Erst wenn man ganz nahe dran ist, sieht man, dass es nicht dreidimensional ist. Auch gut ein alter, vermutlich verschlossener Durchgang mit einer Eisentür, auf der steht: Lasciare libero il passagio di idee. Die letzten beiden Wörter sind in Rot und nicht auf den ersten Blick zu sehen. Die Lektüre ändert sich, wenn man die ganze Nachricht liest.
Auch hier werden, wie in Griechenland, Trauernachrichten einfach an Wände oder an dafür vorgesehene Schwarze Bretter gehängt. Eine ist unterschrieben mit i tuoi cari nipoti. Das sind in diesem Fall Enkel, nicht Neffen. Das geht aber nur aus der Anrede hervor: caro nonno umberto.
Am Nachmittag gibt es ein Quiz in der Schule. Das Thema ist Italien. Die Fragen sind liebselig, aber man bekommt doch das eine oder andere mit: Sfolgiatello ist das beliebteste Dessert Kampaniens, und Ragù die wichtigste Speise, ein Vorspeise, die viele Stunden lang im Topf schmort. Pan d’oro ist nicht dasselbe wie Panettone, und beim Bier unterscheidet man zwischen rossa und bionda. Und was heißt essere al verde? Kein Geld haben. Blank sein!
Nach dem Quiz gehe ich zum Diözesanmuseum. Unterwegs komme ich durch das Quartiere dei Barbuti, das ‚Viertel der Bärtigen‘. Der Name, so heißt es, erinnere an die Herrschaft der Langobarden.
Das Diözesanmuseum hat eine Sammlung von Elfenbeintafeln, die wohl einzigartig ist. Es sind insgesamt 69 Tafeln aus dem Hochmittelalter, vermutlich von drei Künstlern hergestellt. Es gibt Szenen aus dem Alten Testament und Szenen aus dem Neuen Testament und Friese mit Ranken und Füllhörnern. Die Szenen aus dem Alten Testament sind horizontal angeordnet, immer zwei zusammen, die aus dem Neuen Testament vertikal, ebenfalls immer zwei zusammen. Die Darstellungen sind wunderbar, einerseits naiv, andererseits realistisch. Besonders das Thema der Arbeit kommt beim Alten Testament immer wieder vor: Arbeit auf dem Acker nach der Vertreibung aus dem Paradies, der Bau der Arche, der Bau des Turms von Babel. Dabei sieht man, wie die Arbeiter sich nach oben strecken, um Speis und Steine anzureichen. Beim Bau der Arche sieht man Axt, Hammer und Säge, alle offensichtlich mittelalterlich. Bei der Arbeit auf dem Acker sind Adam und Eva weit nach vorne gebeugt, so als würden sie eine Yoga-Übung machen. Die Szenen beim Alten Testament sind so figurenreich, dass kaum ein Zentimeter frei bleibt, vor allem bei der Brotvermehrung, bei der mehrere Reihen von Köpfen übereinander dargestellt sind.
Der Beschreibung zufolge haben die Künstler Anleihen bei apokryphen Schriften gemacht, vor allem beim Jakobevangelium, aber was das ist, wird leider nicht weiter ausgeführt.
Was für eine Funktion hatten die Elfenbeintafeln? Gehören sie alle zusammen? Die Frage habe ich mir schon die ganze Zeit gestellt. Am Ende gibt es eine Antwort, in Form von verschiedenen Hypothesen: Sie waren die Vorderwand einer Ikonostase, bildeten die Rückseite eines Altars, waren Teil eines Bischofsstuhls usw.
Das zweite Highlight des Museums sind Pergamentrollen, wieder mit biblischen Szenen bemalt, in leuchtenden Farben. Sie sind etwas jünger als die Elfenbeintafeln und wurden bei der Karsamstagsliturgie eingesetzt: Wenn eine Textstelle vorgelesen wurde, wurden sie, passend zum Text, über dem Kopf des Vorlesers hinuntergelassen. Eine moderne Verbindung von Wort und Bild, wie bei einem Diavortrag oder einem Dokumentarfilm. Ob man wirklich viel erkennen konnte, spielte vielleicht keine so große Rolle. Es ging wohl auch um den Showeffekt.
Früher hatte man angenommen, dass es nur die Bilder gab. Aber es gab wohl auch die dazugehörigen Texte. Die sind aber verloren, bis auf einen, den Anfang des Exsultet. Das kann man hier sehen, in gotischer Schrift: Exsultet iam angelica turba caelorum – Frohlocket, ihr Chöre der Engel.
Ich bin zu müde, um mir den Rest anzusehen und gehe lieber in ein kleines Café in der Via dei Mercanti, ganz in der Nähe des Apartments. Da habe ich beim Kaffee am Morgen vorbereitete Speisen gesehen, die verlockend aussahen. Ich nehme ein Stück von einem Auberginenauflauf mit einem frisch gezapften, lokalen Bier. Gut, aber viel zu teuer.
24. August (Mittwoch)
Am Morgen bekomme ich ein einer engen, düsteren Cafeteria, die zu allem Übel auch noch New York heißt, den bisher Cappuccino. Bisher habe ich es jeden Morgen woanders versucht. In einer Cafeteria hingen Bilder vom alten Salerno, eins davon ein Bild von Salerno mit verschneiten Straßen
In der Schule hat die Nachricht die Runde gemacht, dass es ein Erdbeben gegeben hat, in Mittelitalien. Vor allem die Marken sind betroffen.
Nach dem Unterricht schaffe ich es noch gerade rechtzeitig zur Touristeninformation. Es gibt reichlich Material und gute Erklärungen von einer jungen Frau mit Brille und Zahnspange, die offensichtlich gelangweilt ist und froh, dass es etwas zu tun gibt.
Von dort geht es gleich zur Bushaltestelle. Das Ziel ist die Festung oben auf dem Bonadies. Des Wartens müde, gehe ich in die unscheinbare Bar gleich hinter der Bushaltestelle. Hier bekomme ich einen eisgekühlten Kaffee, Wasser, Erdnüsse, Chips und einen ganzen Teller mit schön zubereiteten Kanapees (im Unterricht lerne ich später, dass das stuzzichini sind). Alles zusammen für 3 €.
Als ich schon fast entschlossen bin, es zu Fuß zu versuchen, kommt der Bus. Er quält sich die Landstraße hinauf, die in weiten Kurven zur Festung führt. Zwischendurch steigt ein Passagier aus. Wohin er will, ist nicht zu erkennen. Hier ist weit und breit kein Haus zu sehen.
An der Festung steigen nur Ausländer aus. Man muss noch ein gutes Stück zu Fuß gehen, bis man am Eingang ist. Der Empfang fällt eher verhalten aus. Und die Besichtigung ist eine ziemliche Enttäuschung. Man geht etwas verloren die Brüstung entlang und landet dabei immer wieder in einer Sackgasse. Beschriftungen gibt es gar keine, nur hier und da hängt in einem abgelegenen Raum ein Bildschirm, auf dem Bilder mit Erklärungen zur Festung erscheinen. Aber es gibt keine Sitzmöglichkeiten, und die ganze Sache ist einfach nicht sehr einladend. Von der Brüstung aus hat man einen guten Blick auf den Hafen, auf die Stadt und auf die Hügel der Umgebung oder die anderen Kuppen des Bonadies. Man sieht, dass der Eindruck von unten täuscht: Dies ist nicht die höchste Spitze. Die benachbarte Bergkuppe ist höher, und darauf steht noch ein einsamer Turm.
Die Festung heißt Castello Arechi, benannt nach einem langobardischen Fürsten. Die Langobarden riefen die Normannen zu Hilfe, gegen die Sarazenen, hatten aber nicht damit gerechnet, dass die Normannen danach keine Lust hatten, einfach wieder nach Hause zu fahren. Sie wollten ihre Belohnung. Aus Söldnern wurden Machthaber, die schließlich ihre Macht durch eine Heirat mit einer langobardischen Prinzessin konsolidierten.
Schon die Langobarden hatten die Festung nicht errichtet, sondern eine bereits bestehende byzantinische ausgebaut, und so hat die Festung ihr Aussehen immer wieder verändert. Die trapezförmige Grundform ist aber noch zu erahnen. Der graue Stein und die Lage hier ganz oben lassen die Festung abschreckend aussehen, und sie war hier ganz oben praktisch nicht zu erobern.
Da das Museum einen auch nicht gerade vom Hocker haut, trete ich den Rückweg zu Fuß an, immer der Landstraße entlang. Einen anderen Weg gibt es nicht. Der würde die Strecke viel kürzer machen. Hier oben gibt es Esel, Kühe und Ziegen. Die ruhen sich auf dem struppigen Gelände aus oder suchen unter einer Krüppelkiefer Schatten. Der Weg ist alles andere als schön und zieht sich hin. Unten steht neben einem achtlos weggeworfenen Müllbeutel eine riesige Ratte, die mit feindselig ansieht.
Mit Erleichterung komme ich an eine Kreuzung, aber hier geht es nicht richtig weiter. Die Straße geht zwar links weiter bergab, geht dann aber in eine Schnellstraße über. Also muss ich zurück. In der anderen Richtung gibt es nur einen kleinen Streifen, der mich von den Autos trennt. Glücklicherweise wird hier ganz zivil gefahren. Die Häuser sind direkt unter mir, aber man kommt irgendwie einfach nicht dahin.
Dann gibt es endlich einen kleinen Weg, der von der Straße wegführt. Es geht zwar noch eine ganze Weile hin und her und auf und ab, aber hier fühlt man sich sicher, und die Innenstadt rückt näher. Und dann stehe ich auf einmal vor dem Wegweiser zum Giardino della Minerva. Aller guten Dinge sind drei. Der ist auch diesmal geschlossen. Noch. In einer halben Stunde wird geöffnet. Ich komme mit einem Ehepaar aus Mailand ins Gespräch. Sie sind auf der Rückreise, haben aber noch eine Station in der Toskana, wo sie ein Ferienhaus besitzen. Sie sind sehr gesprächig und fragen interessiert nach meinen Plänen. Sie haben auch Deutschland bereist und wissen sofort mit Trier etwas anzufangen.
Ich lege noch eine Kaffeepause ein, gehe dann aber zum Giardino zurück. Der Garten ist terrassenförmig angelegt, auf vier Ebenen. Das Zauberwort hier ist Systematik. Alle Pflanzen haben einen wissenschaftlichen und einen volkstümlichen Namen und sind immer nur einmal vertreten. Die Bandbreite ist groß. Es geht von der Erbse über den Thymian bis zum Olivenbaum.
Die Systematik ist besonders ausgeprägt auf der unteren Ebene und folgt hier der mittelalterlichen Humoralpathologie. Die Pflanzen sind in vier Rabatten angelegt, die durch Wege voneinander getrennt sind. Die vier Rabatten entsprechen den vier Elementen – Feuer, Erde, Luft, Wasser – deren Namen in den Boden eingelassen sind. Den Elementen sind wiederum die vier Grundeigenschaften zugeordnet – feucht, trocken, warm, kalt – so dass jede Pflanze zwei Charakteristika hat. Die Rabatten sind wiederum durch Halbkreise in vier Teile geteilt, die den Grad der Beschaffenheit angeben, von I bis IV. So ist der Akanthus warm und feucht zweiten Grades, der Schierling – der tatsächlich nach Sokrates benannt ist – ist kalt und trocken dritten Grades.
Eine solche Systematik greift die Systematik der Medizinschule von Salerno auf. Deshalb sind hier unten nur Heilpflanzen vertreten. Mit denen war ein Heilmittel für alle Fälle vorhanden, d.h. für jeden der vier Humoraltypen – Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker, Melancholiker – bei denen das Gleichgewicht verloren gegangen ist und mit den Heilpflanzen wiederhergestellt wird.
Man vermutet, dass sich die mittelalterliche Medizinschule in dieser Gegen befand und hat deshalb den Garten, der bis vor kurzem noch eine provisorische Müllhalde war, im Rahmen des städtischen Reformprojekts der letzten Jahre wiederbelebt.
In den oberen Etagen gibt es dann Pflanzen aller Art, die sich teils über die Gänge erstrecken, wie das ein Zuckerrohr tut oder ein Orangenbaum. Überall rauscht Wasser, aus teils offenen, teils hinter Pflanzen versteckten Brunnen. Und man hat von hier aus einen schönen Blick auf die Stadt und das Meer. Mit etwas mehr Schatten und einer offenen Cafeteria könnte man hier länger bleiben, aber ohne die geht es wieder zurück in die Altstadt zu einer kalten birra alla spina.
25. August (Donnerstag)
Die Schule ist ein einem hochherrschaftlichen Haus untergebracht, einem palazzo, mit einer enormen hölzernen Portal, Messingschildern an den Klingeln, einem großzügigen Treppenhaus und einer zweiläufigen Marmortreppe und einem alten, vergitterten Eisenaufzug. Der Eindruck von Großräumigkeit, Großzügigkeit vergangener Tage geht sofort verloren, sobald in die kleinen, funktionalen Räume der Schule kommt, mit ihren Plastikmöbeln und Computern. Einzig auf den Balkonen stellt sich der hochherrschaftliche Eindruck wieder her.
Wir sind die Mozzarella-Klasse, lauter Bleichgesichter, einschließlich der Lehrerin. Einzig die junge Deutsche aus dem Apartment hat nach den vielen Wochen hier ein bisschen Farbe bekommen, aber sie gehört trotzdem dem gleichen Phänotyp an.
Hinter vorgehaltener Hand wird über die Exkursionen der Schule geschimpft. Die seien viel zu teuer, und das wiederum führe dazu, dass viele erst gar nicht stattfinden. Man solle lieber alleine fahren. Tatsächlich kostet Pompeji 40 €. Das kommt mir auch teuer vor. Ärgerlich auch die verspätete Information. Heute erfahre ich, dass es in den nächsten zwei Wochen sowohl zur Festung als auch in den Giardino della Minerva geht.
Außer dem vielgeliebten Konjunktiv steht heute das Thema Arbeit auf dem Programm. Bei allem, was die Lehrerin anführt, leuchtet es uns nicht so richtig ein, was daran typisch italienisch sein soll. Ein eigenes Haus, das sei ein italienischer Traum. Vielleicht. Es ist aber auch ein deutscher, ein Schweizerischer, ein belgischer Traum, ein britischer Traum, ein universaler Traum.
Gestern, als es um italienische Literatur ging, führte der Schweizer die Commedia dell’Arte an. Die Lehrerin wollte davon nichts wissen. Das gehöre nicht zur Literatur. Man hat den Eindruck, dass sie nicht weiß, worum es geht. Kann das sein?
Am Nachmittag gehe ich in die Pinacoteca Regionale, in einem pallazzo in der Altstadt untergebracht. Ich bin der einzige Besucher. Der Eintritt ist frei.
Es ist eine eher kleine Sammlung, und es gibt kaum Werke allererster Güte, aber es lohnt sich. In jedem Saal kann man etwas Schönes entdecken.
Im ersten Saal ein spätmittelalterliche Triptychon, mit einer Madonna im Zentrum, die ein Kind auf den Armen hält, das sie lächelnd ansieht. Die Madonna hat ein rotes Untergewand und ein blaues Obergewand. Das waren die beiden wertvollsten Farben. Die Heiligen an den Seiten, allesamt Mönche, tragen graue und braune Kutten. Einer hat ein dunkles Gesicht und sieht mit grimmiger Miene schräg auf den Boden. Ob es Franziskus oder Antonio ist, ist nicht auszumachen. Alle drei Mönche und der König, der sie ergänzt, halten ein Buch in der Hand, zwei geschlossene, zwei geöffnete. Da ist wie ein Studium der Darstellung des Buches. Die Perspektive ist voll gelungen. Die Bücher haben hölzerne Einbände und eiserne Klappen, mit denen man sie verschließen kann.
Die Wirkung der Bilder im nächsten Saal ist ganz anders. Die Bilder sind fast zwei Jahrhunderte jünger und auf Leinwand gemalt statt auf Holz. Auffällig ein alter Mann mit grauem Bart und Kappe, der sich über einem Topf die Hände wärmt. Die Hände sind rau und an einigen Stellen aufgeschürft. Es ist wie ein Portrait, aber die Beschriftung weist den Mann als Allegorie des Winters aus.
Im nächsten Raum kommen Stillleben, opulente Tafeln und Küchen. Besonders schön aber ein einfaches Stillleben mit einer aufgeschnittenen Melone, an der zwei Tauben picken. Am Rand zwei Zitronen, mit rauer Haut. Man glaubt, sie fühlen zu können.
Der letzte Raum hat abwechselnd impressionistische, realistische und romantische Bilder. Schön der Realismus einer Straßenszene eines Dorfs von der Küste, noch schöner der Ausschnitt eines alten Hauses. Man sieht nur eine Hälfte, ein kleines Fenster mit Dreipass, eine breite Treppe, die zur Haustür hinaufführt, eine Pflanze die sich an der Hauswand hinaufrankt, vor allem aber sieht man Wand. Den rauen Putz, die leicht changierende Farbe. Hinter dem Fenster brennt ein Licht, das nur durch einen fahlen Schimmer vertreten ist, und die Treppe liegt halb im Schatten, halb im Licht.
Als Ergänzung dazu zwei Portraits, die sich wiederum ergänzen, ein alter Fischer und ein alter Mann. Der Fischer, von dem nur die Büste zu sehen ist, mit festem Haarschopf und krausem Bart, sieht in die Ferne, vielleicht aufs Meer hinaus. Etwas trotzig, etwas stolz. Der muss in seinem Leben viel erlebt, hart gearbeitet haben. Der alte Mann, mit nacktem Oberkörper, ist zartgliedriger. Die Barthaare sind sehr fein, auch die auf der Brust. Man sieht die Venen an den Armen und die Rippen an der Brust. Der Blick geht vom Betrachter weg, in die Leere. Er muss viel ertragen haben in seinem Leben. Der Blick ist voller tiefer Traurigkeit. Aber ohne Resignation.
Nach dem Museum gehe ich noch ein bisschen durch die Straßen der Altstadt. Einige der Gassen, vor allem im oberen Bereich, sind heruntergekommen, die weiter unten sind belebter und besser in Schuss. In einem Café am Dom bestelle ich einen Granito de caffè und stelle fest, dass das kein Getränk, sondern eine Speise ist. Zerstoßene Eisstücke mit Kaffeegeschmack. Man löffelt sie aus. Wenn man lange genug warte, löst sich das Eis auf und man hat doch ein Getränk. Aber den Flüssigkeitsbedarf stillt das nicht, auch wenn es erfrischend wirkt. Und es ist viel zu teuer: 3,50 €.
Dann hat endlich auch das „Museum“ zu der Medizinschule von Salerno auf. Das Gebäude sieht sehr einladend aus und dürfte auch groß genug sein, aber drinnen bekommt man nur eine Art Diashow zu sehen. Die ist aber sehr informativ. Es funktioniert so, dass alte Abbildungen plötzlich lebendig werden. Der Dargestellte verwandelt sich in einen modernen Schauspieler, der die Rolle eines der an der Medizinschule Beteiligten spielt und sie erklärt.
Es geht um Diagnose und Behandlung. Die Ärzte der Medizinschule von Salerno machten keine Ferndiagnose. Sie gingen zum Patienten. Das war keine Selbstverständlichkeit. Die wichtigsten Diagnoseinstrumente waren der Puls und das Urin. Das Urin wurde, damit die Diagnose gestellt werden konnte, gefühlt, gerochen und getrunken! Zur Bestimmung des Krankheitsbilds gehörten auch der „Charakter“ und die „Leidenschaften“ des Patienten. Also eine ganzheitliche Methode. Wie das genau ablief, darüber hätte man gerne mehr erfahren.
Die Medizinschule von Salerno galt als ausgesprochen fortschrittlich. Sie war der Wegbereiter der modernen Medizin, und von hier aus wurden die Erkenntnisse nach ganz Europa gebracht.
Auch Frauen wirkten hier als Ärzte. Sie kümmerten sich in erster Linie um Frauen: Menstruation, Niederkunft, Stillen und Abstillen, aber auch Hautunreinheiten. Für alles wurden Salben und Flüssigkeiten verabreicht, aus einer Vielzahl von natürlichen Ressourcen hergestellt. Weil Frauen nicht so viel ausschwitzen konnten wie Männer, hatten sie, so war die Annahme, die Menstruation.
Bei den Behandlungsmethoden und den Instrumenten, die alle genau in den Traktaten der Zeit abgebildet sind, wird es einem ganz anders. Aber auf jeden Fall wurde alles in Angriff genommen, ob Auge, Zahn oder Darm. Zu den Behandlungsmethoden gehörten Aderlass und Schädeltrepanation. Manchmal waren gleich drei Behandelnde gleichzeitig am Werk. Von denen hielt einer den Patienten fest und ein anderer fing das Blut auf, während der Dritte den Eingriff vornahm.
Es gab aber auch eine schon sehr modern anmutende Betäubungsmethode. Ein getränkter Schwamm wurde einem Patienten immer wieder auf das Gesicht gedrückt, bis er das Bewusstsein verlor. Die Wirkung war so stark, dass nach dem Eingriff ein mit anderen Substanzen gefüllter Schwamm eingesetzt wurde, um die Narkose zu beenden.
Die Fortschrittlichkeit von Salerno erwies sich auch in der Anatomie, die nicht nur betrieben wurde, sondern deren Studium, einem Erlass Friedrichs II. zufolge, eine Vorbedingung war, damit man als Arzt praktizieren durfte. Die anatomischen Studien wurden an Schweinen vorgenommen. Die, so wurde argumentiert, waren den Menschen anatomisch sehr ähnlich.
Zum Schluss finde ich dann wenigstens eine der Kirche des Zentrums, von denen bei der Touristeninformation die Rede war, geöffnet: San Giorgio. Die Kirche gehörte zu einem Kloster, das bei der Einigung Italiens geschlossen wurde. Die ehemaligen Klostergebäude nehmen heute, links der Kirche, die Carabinieri ein, rechts der Kirche das Finanzamt.
Das Kloster wurde hier eingerichtet, um alle Nonnen desselben Ordens, die auf ganz Salerno verteilt waren, zusammenzuziehen. Konzentration der Kräfte.
Die einschiffige Kirche mit vielen Seitenaltären ist durch und durch barock ausgestaltet, mit Putten, Engeln, Fresken, Stuck und Gemälden. Fast keine Fläche ist freigeblieben. Die Deckengemälde stellen Wunder des Hl. Benedikt dar, trotz des Patroziniums der Kirche. Von Georg gab es vermutlich nicht so viel zu berichten.
Eine japanische Schallplattenfirma hat hier eine besondere Aufnahme von Werken Robert Schumanns machen lassen. Der Anlass für die Auswahl der Kirche waren die gute Akustik und die vielen Abbildungen von Engeln mit Musikinstrumenten.
Am Abend geht es, nicht wegen des Essens, sondern wegen des Namens, in die Pizzeria La Smorfia. Tatsächlich sind an den Wänden des winzigen Lokals Zahlen mit Beschriftungen und teils Abbildungen angebracht, die die Bedeutung der Zahl erklären: 42 = Kaffee, 24 = Pizza, 45 = Wein (o vino bbuono).
Die Kellnerin ist unfreundlich und sagt mir im Kasernenton, dass ich mich woanders hinsetzen soll. Erst ganz allmählich taut sie auf, spricht aber weiter in Einwortsätzen oder Zweiwortsätzen mit mir. Es gibt eine zweigeteilte Pizza, mit einer milden, mit Rucola gefüllten und einer würzigeren Seite mit Ziegenkäse. Dazu italienisches Bier in Flaschen. Die sind größer als bei uns: 0,66 Liter. Da ist eine Flasche zu wenig, zwei sind zu viel.
26. August (Freitag)
Den zweiten Teil des Unterrichts verbringen wir gemeinsam in einer Bar. Für die meisten ist heute der letzte Tag. Wir sitzen draußen. Es kommt in der ganzen Zeit keine Bedienung, und wir machen auch keine Anstalten, etwas zu bestellen.
Eine gute Einrichtung sind die Brunnen, die man in den Parks, aber auch auf Plätzen manchmal findet. Immer kühles, trinkbares Wasser. Ich mache es den Einheimischen nach und fülle hier meine Flaschen auf.