Autonomer Nachvollzug

Eine Studie der Universität Bern hat ergeben, das zwei Drittel aller Schweizer Gesetze von der EU-Gesetzgebung beeinflusst sind. Die meisten Regelungen übernimmt man ohnehin, und für den Export in die EU muss sich die Schweiz an die dort geltenden Regelungen halten (80% der Schweizer Exporte gehen in die EU). Auch der Schweizer Käse muss sich daran halten. Als die Europäische Union Bulgarien und Rumänien aufnahm, rief Bern seine Bürger zu einer Volksabstimmung auf. Jeder Schweizer sollte mitentscheiden, ob die mit der EU vereinbarte Freizügigkeit auch für Bulgaren und Rumänen gelten soll. Die Stimmung in der Schweiz war damals eindeutig gegen rumänische oder bulgarische Zuwanderer. Doch dann machte die EU der Schweiz klar, dass sie darüber nicht zu entscheiden hätte. Die Verträge gälten mit der EU insgesamt, man könne nicht einzelne Länder ausnehmen. Wenn die Abstimmung ein Nein ergebe, würden alle Vereinbarungen hinfällig. Die Schweizer würden die Freizügigkeit in der gesamten EU verlieren, die Schweizer Wirtschaft den Zugang zum Binnenmarkt, die Swiss Air könnte nicht mehr so frei über EU-Länder fliegen, und viele Studenten müssten ihr Studium im Ausland abbrechen. Daraufhin stimmten die Schweizer brav für die Öffnung ihrer Grenzen für Rumänen und Bulgaren. Dennoch wird die Fiktion der nationalen Autonomie aufrechterhalten. Autonomer Nachvollzug nennt sich dieser Prozess der Übernahme der Regelungen der EU. (“Zwischen Gipfeln und Abgründen”, in: SWR 2 Radioakademie, 26/05/12)

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