Klein, aber oho!

Was haben Pinsel, Kapsel und Pegel miteinander gemeinsam? Die Endung gibt einen (verstecketen) Hinweis. Es sind lauter Diminutive. Das ist heute kaum noch erkennbar, weil es sich bei den Verkleinerungsformen um fremde Elemente handelt, die wir bereits als Diminutive übernommen haben. Man mag kaum glauben, in wie vielen Wörtern so eine verblasste Diminutivform steckt: Pupille, Mantel, Libelle, Bazillus (Grundform baculum, wegen ihres stabartigen Aussehens), Kapitell, Tabelle, Brezel, Kanzel, Schüssel,  aber auch Pistole, Kartoffel (Grundwort tartufo, ‘Trüffel’, selbst ein Diminutiv), Vanille (von vaina, verwandt mit Vagina), Toilette (Grundform toile) und viele andere. Dass bei den fremden Suffixen der Diminutiv nicht mehr erkennbar ist, mag ja noch angehen, aber bei den einheimischen Wörtern sieht es nicht anders aus: Angel, Schaukel, Knödel, Stummel, Trommel, Schenkel, Eichel, Enkel (Verkleinerungsform von ano, von dem auch Ahne als Bezeichnung des Großvaters abgeleitet ist – Großvater und Enkel sprachen sich gegenseiteig gleich an) sind genauso Verkleinerungsformen wie Ärmel (Grundform Arm, hier kann man es noch erahnen), Sperling, Forelle oder Eule (in der alten Form, uwila, ist der Diminutiv noch zu erkennen). Ein besonderes Schmankerl ist die Nelke, eine Verkleinerungsform von Nagel. Stift und Blume heißen also gleich. Wie kommt das? Der Nagel wurde zuerst auf die als Gewürz verwendeten Blüten eines Baumes aus den Molukken verwendet, und zwar wegen des Aussehens, und dann ging die Bezeichnung vom Gewürz auf die Gartenblume über, wegen des Duftes. Eine doppelte Übertragung. Auch der Klüngel hat es in sich. Es ist von klunga abgeleitet, ‘Knäuel’, ‘Garnknäuel’. Das wurde dann übertragen auf den lose vom Kleid herabhängenden Fetzen. Daraus resultierte dann die Bedeutung ‘nachlässige Behandlung’, ‘Missstand’. Und dann war es nicht mehr weit bis zu den durch Cliquenwirtschaft hervorgerufenen Missständen! (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 528-543)

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