Drei Gründe für Französisch

Drei Gründe sprachen für das Erlernen des Französischen: Nutzen, Bildung, Distinktion. Nützlich war es vor allem für Händler, die ihre Waren in anderen Teilen Europas verkaufen wollten. Schon im 14. Jahrhundert gab es Bücher mit Sätzen und Ausdrücken für Alltagssituationen, für die Reise und für das Verkaufsgespräch. Ab dem Spätmittelalter wurde Französisch auch zu Bildungszwecken gelernt. Und zwar wie Latein und durch Latein. Die Sprache der Beschreibung der frühen Grammatiken war Latein! Französisch diente aber vor allem auch dazu, sich von anderen zu unterscheiden. Mit Französisch gehörte man zu den Happy Few. Französisch war ein Distinktionsmerkmal, das vor allem die Adeligen auszeichnete. Und das außerdem erlaubte, zu reden, ohne verstanden zu werden, wenn Diener anwesend waren! Die erste Schule, an der in Berlin (nach der Ausweisung der Hugenotten aus Frankreich) Französisch gelehrt wurde, hieß denn auch Collège Royale Français. Es diente der Prinzenerziehung, aber allmählich gewann auch die obere Bürgerschicht Interesse daran. Die Lehrer waren Muttersprachler, aber keine ausgebildeten Sprachlehrer, so dass die Grammatik eine untergeordnete Rolle spielte. Das änderte sich entscheidend erst, als Französisch Schulfach wurde. Die Texte, die dabei verwendet wurden, hatten in der Regel keinen Bezug zu Frankreich, sondern zur klassischen Antike, zum Teil sogar zur deutschen Geschichte. Es konnte also sein, dass man einen französischen Abituraufsatz über einen deutschen Fürsten schreiben musste! Wenn es mal einen Bezug zu Frankreich gab, dann wurde meistens gestichelt. So wurde in einer Anekdote von einem französischen Marquis berichtet, der so viel Zeit auf seine Toilette verwandte – französische Dekadenz – dass er die Sonnenfinsternis dieses Tages verpasste und daraufhin eine sofortige Wiederholung des Schauspiels verlangte! Jetzt gab es keine Dialoge mehr, keine mündliche Sprache, keine Alltagsszenen, jetzt ging es um Grammatik und auch darum, das Denken zu fördern. Denn Französisch wurde vermarktet als besonders rationale Sprache, als Sprache, die die natürliche Ordnung der Dinge reflektierte (la génie de la langue française). Das war eins der Verkaufsargumente für das Französische. Dazu kamen die Begeisterung für Aufklärung und, zumindest anfangs, die Französische Revolution, für die Möglichkeit, es dem Adel gleichzutun. Es gab aber auch gewichtige Gründe gegen das Französische: die Vormachtstellung des Lateinischen und die neue Begeisterung für das Griechische (durch die griechische Befreiungsbewegung). Das Französische, fand man, konnte man den Gouvernanten und Privatlehrern überlassen. Außerdem entwickelte sich neben der Frankreichbegeisterung auch eine regelrechte Frankophobie, vor allem, als Frankreich zur Besatzungsmacht wurde. Auch der einflussreiche Pietismus stellte sich gegen das Französische, die Kultur des Absolutismus und der dekadenten französischen Aristokratie. (Walter Kuhfuß „Französischunterricht um 1800 in Preußen – Von der Prinzenerziehung zum Schulfach“)

 

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