Er trage einen Bart wie ein Ziegenbock, sagt er von sich selbst. Dabei könne er doch sein Kinn glatt und zart haben wie die jungen Männer und damit bei den Frauen punkten. Und außerdem sei so ein Bart doch ausgesprochen störend beim Küssen und eine Wohnstatt für die Läuse. Aber damit nicht genug, er habe auch noch eine wilde Mähne auf dem Kopf und Haare auf der Brust. Er sei eben ein Banause, ungehobelt, rau, bäuerisch. Er, der Kaiser, gehe nicht ins Theater und nicht in den Zirkus. Bei ihm sei Schmalhans Küchenmeister, und er habe keine Heizung, selbst im Winter nicht. Damit habe er sich hier, in Antiochia, dieser dynamischen, modernen, prosperierenden Stadt, dieser Perle des Ostens, nur Feinde gemacht. Man verachte ihn wegen seiner Unkultiviertheit. Das schreibt, selbstironisierend, Kaiser Julian, einer der Nachfolger Konstantins auf dem römischen Kaiserthron. Und ironisch, ironischer geht es nicht, ist auch der Titel des Schreibens, mit dem er sich an die Antiochier wendet: Misopogon – Der Barthasser. Bei aller Ironie, es ist ihm ernst mit seinem Schreiben, bei aller scheinbaren Selbsterniedrigung, die Verachtung beruht auf Gegenseitigkeit. Die Antiochier, findet Julian, sind oberflächlich und dekadent, sie geben riesige Summen für das Bankett am Maifest aus, aber für die Stadt, für das Gemeinwohl haben sie nichts übrig. Und dann ist da noch ihre Religion. Er, Julian, habe den hier grassierenden Atheismus bekämpft, er habe den wahren Glauben wiederaufleben lassen. Und tatsächlich: Julian ließ niedergerissene Tempel wiederaufbauen und sorgte für die Rückgabe des konfiszierten Tempelguts. Damit machte er das rückgängig, was die „Atheisten“ angerichtet hatten. Diese „Atheisten“, das waren – die Christen! Die waren für Julian die Abweichler, diejenigen, die den alten Götterglauben abgeschafft, die Gebote und Gebräuche der Vorväter missachtet hatten. Diese “Atheisten” rächten sich später an ihm, indem sie ihm den Beinamen verpassten, unter dem er bis heute bekannt ist: Apostata, der ‚Abtrünnige‘. (Julian Apostata: Der Barthasser, herausgegeben und übersetzt von Marion Giebel. Stuttgart: Reclam, 1999)
Zitate
In this world there are only two tragedies. One is not getting what one wants, and the other is getting it.
— Oscar Wilde-
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