Zu viele Gläser Wasser

In einem Roman, den ich gerade lese, geht der Erzähler ins Bad und trinkt “zwei Gläser Wasser” (S. 78). Das, finde ich, ist unglaublich pedantisch und regelrecht falsch. Man trinkt “zwei Glas Wasser”. Der Plural ist hier völlig unsinnig. (Der Duden bestätigt mich, indem er “zwei Glas Bier” aufführt). Später im Roman gibt es “dann noch zwei Gläser Bier” (S. 295). Und um die Sache noch schlimmer zu machen, trinkt der Erzähler nach dem Essen “höchstens noch ein Glas oder zwei Gläser Wein” (S. 64). Hier will  jemand zeigen, wie wahnsinnig klug er ist und tut dabei genau das Falsche. Und um sich selbst ad absurdum zu führen, bestellt er an einer anderen Stelle dann zwei “Glas Bier” (S. 293). Da hat der Pedant nicht aufgepasst. Aus dem Klappentext erfährt man, dass der Autor Professor für Kreatives Schreiben ist. Die armen Schüler! Der gesamte Roman ist eine sprachliche Kapitulationserklärung. Alle sprechen gleich, Erzähler und Figuren, alle sprechen im Imperfekt (wo man das Perfekt benutzen würde) und im Futur (wo man das Präsens benutzen würde). Das hört sich dann so an: “… du erklärtest mir alles … deshalb bestelltest du … du erzähltest plötzlich davon … du entdecktest neben der Tür” usw (S. 232-4). Wenn wirklich jemand so spricht, möchte man dem keinesfalls zuhören. Das Liebespaar erzählt einander von “Erzählungen oder Biographien, in denen anschaulich und ruhig, prägnant und in beinahe rührender Kleinlichkeit erzählt wurde” (S. 230). Zum Weglaufen. Und fühlen sich, in wörtlicher Rede, “dem irritierenden und vielbödigen Wesen der Zeit ganz nahe” (S. 231). Da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. (Ortheil, Hanns-Josef: Das Verlangen nach Liebe. München: BTB, 6/2009)

 

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