Lost Boys

Wenn sie nicht bei den Attacken der arabischen Milizen auf ihr Dorf in den Hütten verbrannt waren, wenn sie dann auf ihrem Treck nicht von Löwen gefressen wurden oder von Krokodilen, wenn sie nicht an Malaria starben oder an Typhus, wenn sie nicht an Überanstrengung oder an Hunger starben, wenn sie nicht ertranken oder in einen Krater fielen, wenn sie sich nicht bei den nächtlichen Märschen im Wald verirrten und den Kontakt zu der Gruppe verloren, wenn sie nicht im Training der SPLA zu Tode gehetzt wurden, wenn sie nicht von Flugzeugen der Regierungstruppen aus beschossen wurden, wenn sie nicht von Soldaten der SPLA einfach abgeknallt oder als Verräter hingerichtet wurden, und wenn sie dann wirklich den Gilo, den Grenzfluss nach Äthiopien überqueren konnten, dann konnten sich die Lost Boys aus dem Süden Sudans einige Monate schlecht und recht im Flüchtlingslager von Pinyudo durchschlagen. Wenn sie dann nicht bei den Massakern durch die lokale Bevölkerung umgekommen und, nach dem Machtwechsel in Äthiopien, bei der Vertreibung der Flüchtlinge nicht erschossen wurden und es wieder über den Grenzfluss schafften, und wenn sie dann auch noch den nächsten Gewaltmarsch überstanden, dann landeten die Lost Boys in Kenia, in einem neuen Flüchtlingslager, quasi einer improvisierten Stadt mit 40.000 Flüchtlingen und verschiedenen Stadtteilen. Dieses Flüchtlingslager, Kakuma, blieb für Jahre ihre Heimat. Kakuma hatte keinen Fluss, Kakuma hatte keinen Wald, wie sie es aus dem Sudan und aus Pinuydo kannten. Kakuma war heißer, trockener, windiger, staubiger. Kakuma war, wie sie erfuhren, dass kenyanische Wort für ‚Nirgendwo‘.

 

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