Differenzierung unerwünscht

Ein Geograph berichtet von einer Erfahrung, deren Bedeutung für unsere Welt, um es etwas pathetisch zu sagen, gar nicht überschätzt werden kann. Er hatte ein Buch darüber geschrieben, welche Pflanzen auf welchem Feld am besten für den Anbau in Kenia geeignet waren. Das Buch wurde ein Erfolg, aber der Autor selbst fand, dass das Buch die Naturbedingungen überbewertete. Er schrieb deshalb einen Ergänzungsband, der auch die Preise, die Marktbedingungen, die Infrastruktur und die sozioökonomischen Traditionen berücksichtigte. Kaum jemand interessierte sich dafür. Die Menschen wollten keine Komplikationen. (Jaetzold, Ralph: Inside Africa. Trier: Geographische Gesellschaft Trier, o.J: 88-89)

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Afrika-Klischee

Savanne mit Schirmakazien: unser typisches Bild von Afrika, von seiner Natur, geprägt von Buchdeckeln und Dokumentarfilmen. Aber das ist gerade die große Ausnahme, weitgehend auf das Herzstück der Serengeti beschränkt. Sonst fehlen meist die Bäume. Das Gras der Savanne nimmt das Wasser auf, bevor es zu den Wurzeln der Bäume durchdringen kann und diese eine Reserve für die trockenen Monate bilden können. Bäume können nur dann wachsen, wenn ein Gewässer in der Nähe ist. Und das ist in der Serengeti der Fall. (Jaetzold, Ralph: Inside Africa. Trier: Geographische Gesellschaft Trier, o.J: 108)

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Arme Apostel

Wo waren die Apostel, als Jesus gekreuzigt wurde? Warum gibt es keinen Aufruhr, als Jesus bei Letzten Abendmahl verkündet, einer von ihnen werde ihn verraten? Es gibt keine Empörung, keinen Streit, keine Prügelei. Warum passiert Petrus nichts, als er einem Knecht des Hohepriesters bei Jesus’ Verhaftung das Ohr abhaut? Warum haben die Apostel – bis auf den Selbstmörder Judas – überhaupt überlebt, nachdem ihr Anführer erbärmlich am Kreuz gestorben war? Lauter Fragen, die jeden verstandesorientierten Bibelleser zur Verzweiflung treiben. Und warum lassen sich die Apostel, wie ein paar dumme Trottel, ständig von Jesus zurechtweisen und herumkommandieren? In der Bibel kommen sie nicht sonderlich gut weg. Bestenfalls als Stichwortgeber für Jesus. Wie muss es ihnen ergangen sein, wenn Jesus in der Bergpredigt auf die Vögel des Himmels verwies, für die “euer himmlischer Vater” sorgte, wenn sie selbst hungrig waren? Wie müssen sie sich gefühlt haben, wenn sie mal wieder von misstrauischen Dorfbewohnern verjagt wurden? Arme Apostel! (Borger, Sebastian: “Schwache, treue Seelen”, in: Großbongardt, Annette & Pieper, Dietmar (Hg.): Jesus von Nazareth und die Anfänge des Christentums. München, Deutsche Verlags-Anstalt, 2/2012: 189-201)

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Teuflisch göttlich

Der Wein ist, dem Mythos zufolge, ein Gottesgeschenk: Dionysos übergab Ikarios, einem einfachen Mann, die Rebe und lehrte ihn, wie man Wein herstellt. Der Gott vergaß aber, ihn über den Effekt des Weines zu informieren. Ikarios servierte einer Gruppe von Hirten den Zaubertrank, und als die merkten, was mit ihnen geschah, glaubten sie, er habe sie vergiftet. Sie rächten sich an ihm und töteten ihn (Karabatea, Marilena: La mitología griega.Athen: Ediciones Adam, o.J.: 182-3). Teuflisch, dieses Gottesgeschenk.

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Elefanten räumen auf

Dass es Savannen gibt, das nimmt man normalerweise einfach hin. Warum auch nicht. Aber irgendwie müssen sie ja auch entstanden sein. Wenn man darüber nachdenkt, wie, kommt man auf Wirbelstürme, Klimaveränderungen, Überschwemmungen oder so etwas. Dass es auch zoogene, also von Tieren verursachte Savannen gibt, darauf wäre ich nicht gekommen. Habe ich aber jetzt gelernt. Elefanten stoßen die Bäume um, um besser an die Blätter zu kommen oder fressen ihre Rinde und bewirken dadurch, dass sie eingehen. So kann aus einem Feuchtwald eine Feuchtsavanne entstehen. (Jaetzold, Ralph: Inside Africa. Trier: Geographische Gesellschaft Trier, o.J: 106)

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Sykamore

Im Englischen begegnet man in der Literatur immer wieder einer Baumart, für die es im Deutschen keine eindeutige Entsprechung zu geben scheint: sycamore. Es gibt das deutsche Wort Sykamore, der wissenschaftliche Begriff für bestimmte Arten von Feigen wie der Maulbeerfeige. Allerdings wird sycamore auch für ‘Ahorn’ oder ‘Platane’ gebraucht. In Wikepedia findet man deshalb unter sycamore keinen deutschen Eintrag, wohl aber den englischen zu sycamore, wenn man unter Maulbeerfeige sucht. Kompliziert. Die Maulbeerfeige ist auch der Baum, auf dem Zachäus dem vorbeiziehenden Jesus erwartet. Die Maulbeerfeige ist ein Baum, der leicht zu erklettern ist.

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Drei Jahreszeiten

Im Englischen gab es eine Periode, wo nur drei Wörter für die Jahreszeiten gebracht wurden, nicht vier. Jetzt habe ich gelesen, dass man im antiken griechischen Mythos eine ähnliche Annahme findet: Persephone, von Hades in seinem unterirdischen Reich festgehalten, wird, nach dem Ratschluss der Götter, auf Bitten ihrer Mutter, Demeter, demnächst vier Monate bei ihrem unterirdischen Ehemann und acht Monate bei ihren überirdischen Mutter verbringen. Drei Jahreszeiten? Oder sogar nur zwei? Dafür gibt es gute Gründe. Wenn wir nicht “wüssten”, dass es vier Jahreszeiten gibt, würden wir möglicherweise in unseren Breiten nur drei annehmen. Die Vierzahl scheint sprachlich vorgegeben, nicht durch die Natur.

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Sofort bezahlen!

Im russischen Reisebüro: “Cherr Schäffer, chabben Sie eine andere Familie?” Ein Satz, der Aufnahme in ein Lehrbuch zur Sprache verdient. Nicht nur wegen der Aussprache. Russisch фамилия (familia) bedeutet nicht ‘Familie’, sondern ‘Nachname’. Und es geht nicht um einen anderen Nachnamen, sondern um einen weiteren. Doppelte Interferenz. Auch kulturell eine interessante Erfahrung: Die Rechnung kam ohne Anschreiben und Anrede, mit der alle westlichen Gepflogenheiten von Höflichkeit in den Wind schlagenden Aufforderung: “Sofort bezahlen!”

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Wundersame Ortsverschiebung

Der Ort, an dem sich die wundersame Brotvermehrung ereignet haben soll, liegt am Ostufer des Sees Genezareth. Irgendwann einmal war den Pilgern der Weg zu weit und die Gegend zu gefährlich, also wurde der Ort kurzerhand an das Westufer des Sees verlegt. (Großbongardt, Annette: “Am Tisch des Herrn”, in: Großbongardt, Annette & Pieper, Dietmar (Hg.): Jesus von Nazareth und die Anfänge des Christentums. München, Deutsche Verlags-Anstalt, 2/2012: 252)

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Gewaltige Maßnahme

Die Gewalt in Ostafrika ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Das ist in erster Linie das Resultat der Bevölkerungszunahme. Landmangel und ausbleibendes Industriewachstum treiben die Menschen in die Armut und damit in die Gewalt. Die Zahl der Raubüberfälle stieg. Die kenianische Regierung entschied, die Raubüberfälle zu bekämpfen, indem sie darauf die Todesstrafe setzte. Jetzt sind die Raubüberfälle noch grausamer. Die Opfer werden nicht nur überfallen, sondern gleich getötet. Die Todesstrafe droht sowieso, und wenn das Opfer tot ist, sinkt die Chance, dass der Raub herauskommt. (Jaetzold, Ralph: Inside Africa. Trier: Geographische Gesellschaft Trier, o.J: 74)

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Fragen an die kubanische Revolution

Wer wollte die Stationierung von Raketen auf Kuba, Kuba oder die Sowjetunion? Was hielt Fidel Castro von dem Rückzieher Chruschtschows? War er einverstanden? War er überhaupt informiert? Hat die feindselige Haltung der USA gegenüber der kubanischen Revolution Kuba erst in die Hände der Russen und in den Kommunismus getrieben? War die Bewaffnung Kubas mit Hilfe der Sowjetunion eine Folge der Invasion in der Schweinebucht? War die Explosion des französischen Schiffs La Coubre im Hafen von Havanna (1960) ein Sabotageakt der USA? Fürchtet Fidel Castro nichts so sehr wie die Entspannungspolitik, weil das seiner Kriegslogik und seinem autoritären Einheitssystem entgegen stünde? Wie kam Camilo Cienfuegos ums Leben? War der Flugzeugabsturz ein Unfall? Oder wollte Fidel sich eines politischen Konkurrenten entledigen, einem Helden der Revolution? War Che Guevara ein Opfer Fidels? Hat es einen Bruch zwischen dem Che und Fidel gegeben, der den Che dazu veranlasste, Kuba zu verlassen? Warum schickte Fidel keine Truppen nach Bolivien, um den Che zu unterstützen? Warum wurde er nicht vor einem möglichen Verrat der Kommunisten gewarnt?

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Tönende Maske

Maske Larve Scheme. Das Deutsche hat alle drei Wörter aus den romanischen Sprachen entlehnt. Und mit den Wörtern auch die Sache. Masken trug man in Deutschland erst seit dem 15. Jahrhundert. In anderen Kulturen gab es sie schon viel früher. Die frühesten Masken haben immer etwas mit dem Totenkult zu tun. Wenn man eine Maske trug, konnte man das eigene Ich eine Zeit lang verdrängen und damit eine andere Person, einen Toten, heraufbeschwören. Die frühesten belegten Masken bei uns waren Teufelsmasken. Die wurden nicht im Karneval, sondern bei Prozessionen getragen. Das waren mobile Schauspiele, bei denen Geschichten aus der Heilsgeschichte aufgeführt wurden. Engel und Heilige waren vertreten genauso wie Teufel, und die trugen Masken. Das ging dann in die Karnevalstradition ein. Da war der Teufel los. Die Maskierung war eine gute Möglichkeit, sich zu verbergen. Man nimmt eine andere Identität an und entzieht sich den gewohnten gesellschaftlichen Zwängen. Die Maske im Karneval ist materiell greifbar, die im Alltagsleben nicht. Nicht umsonst ist Person von einem Wort abgeleitet, das ‘Charakter’, ‘Rolle’ bedeutet, aber ursprünglich ‘Maske’. Durch die ‘tönt es durch’:    per-sonar.   („Volle Deckung – Warum wir uns tarnen“, Gespräch mit Volkskundler Werner Mezger, in: SWR 2 Matinee: 02/03/2014)

 

 

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Kluge Bauern

Wie sinnvoll ist überhaupt Entwicklungshilfe? Wie effektiv ist sie? Wem hilft sie? Würde es den Entwicklungsländern besser gehen, wenn es keine Entwicklungshilfe gäbe? Eine Episode aus dem Buch eines Afrikakenners belegt, dass sie zumindest oft ins Leere läuft. In Kenia war 1963 ein groß angelegtes landwirtschaftliches Musterprojekt angelegt worden. Es brachte aber keine Erfolge. Die Untersuchung ergab dann: Die Farm lag an einer der ungünstigsten Stellen. Die Böden waren ausgelaugt und humusarm. Deshalb war dieses Gebiet von den einheimischen Bauern vermieden worden. (Jaetzold, Ralph: Inside Africa. Trier: Geographische Gesellschaft Trier, o.J: 87)

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Material für die Pyramiden

Was brauchte man, um die Pyramiden zu bauen? Eine Schrift! Für die gigantische Baustelle müssen Tausende, vermutlich Zehntausende von Menschen abgestellt werden. Die müssen ernährt werden, wenn sie arbeiten sollen. Also muss die Nahrung woanders her. Von denen, die sich dem Ackerbau widmen, den Bauern. Dazu brauchte man ein System, mit Lieferzeiten, Liefermengen, Kontrollen, mit Steuerlisten und Quittungen. Und was brauchte man für Listen und Quittungen? Eben, eine Schriftsprache. (Janson, Tore: Språkens historia. o.O.: Norstedts, o.J.: 61-63)

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Kontaktlos?

Meistens findet man es schwer, die Fäden zusammenzuführen, aber gelegentlich hilft der Zufall, wie jetzt bei der Lektüre in drei ganz verschiedenen Büchern (Mythologie, Afrika, Sprachgeschichte). Hier kommt das erste Kuriosum: Als die Griechen unterwegs nach Troja sind, wird ihre Weiterfahrt durch eine Windstille behindert. Dafür hat Artemis gesorgt, die noch eine Rechnung mit Agamemnon, dem Führer der Griechen, offen hat. Kalchas, der Seher, weissagt, dass Agamemnon seine Tochter Iphigenie opfern müsse, um die Göttin zu besänftigen. Iphigenie wird herbeigeschafft, und der Altar wird vorbereitet. In dem Moment, wo Agamemnon sein Schwert erhebt, geht Artemis dazwischen, nimmt Iphigenie von dem Altar und ersetzt sie durch eine Hirschkuh (Karabatea: 117). Bekannte Geschichte? Ja, Abraham und Isaak ist gleich Agamemnon und Iphigenie. Die Frage ist: Woher kommt die Ähnlichkeit? Hat es Kontakte gegeben oder sind die Geschichten unabhängig voneinander entstanden? Wenn sie unabhängig voneinander entstanden sind: Was sagt uns das über das menschliche Denken? Sind wir alle gleich gestrickt? Bei der zweiten und der dritten Kuriosität stellt sich die gleiche Frage. Einmal geht es um die Entstehung des Menschen. Es hat offensichtlich zwei Ansätze gegeben, einen in Ostafrika und einen in Südafrika. Die Frühmenschen in Südafrika hatten jedoch keinen Bestand und sind ausgestorben (Jaetzold: 110). Wie kann es sein (wenn man die Abstammung des einen von dem anderen ausschließt), dass so eine Besonderheit sich zweimal unabhängig voneinander ereignet? Und wenn das der Fall ist, warum hat sich das nicht dutzendfach wiederholt? Das dritte Kuriosum betrifft die Entwicklung der Schrift. Die ist in Mesopotamien (vor ca. 5.000 Jahren), in China (vor ca. 3.500 Jahren) und in Mittelamerika (vor ca. 2.300 Jahren) entwickelt worden. Die drei Schriftsysteme haben viel gemeinsam. Wie kommt das? Hat es Kontakte gegeben? Vom Mittelmeer nach Ostasien, ohne dass unterwegs Spuren hinterlassen wurden? Über den Atlantik oder den Pazifik nach Amerika, fast 2.000 Jahre vor Kolumbus? Das klingt noch unwahrscheinlicher als die andere Erklärung, nämlich, dass man ganz unabhängig voneinander so eine bahnbrechende Erfindung gemacht hat, vielleicht die wichtigste in der Geschichte der Menschheit (Janson: 58).

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