Sprachimport

Das Deutsche, hieß es vor kurzem in griffigen Meldungen in Zeitungen und Nachrichten, komme “aus der Türkei”. Dabei berief man sich auf die Ergebnisse eines Forscherteams aus Neuseeland, das die Ursprünge des Indo-Europäischen untersucht und mit Rechenmodellen nachgewiesen haben soll, dessen Ursprünge lägen in der Türkei. Indoeuropäische Sprachen werden von Island bis Sri Lanka, von Sibirien bis Lateinamerika, von Australien bis zum Nordkap gesprochen. Sie haben alle einen gemeinsamen Ursprung. Wo lag dieser gemeinsame Ursprung? Die Antwort “Türkei” ist gleich im doppelten Sinne irreführend. Der Name suggeriert eine Verwandtschaft mit den Turksprachen, aber die gehören gerade nicht zu den indoeuropäischen Sprachen. Das Türkische kam erst später in die Türkei. Und es geht auch nicht um die Türkei. Wenn überhaupt, geht es um Anatolien. Von da aus, etwa aus der Gegend um das heutige Antalya, soll sich die indoeuropäische Sprache, den neuesten Nachrichten zufolge, ausgebreitet haben, und zwar mit dem Ackerbau. Diese These ist allerdings nicht neu, sondern wird seit Jahren von dem britischen Archäologen Colin Renfrew vertreten. Sie ist außerdem umstritten: Den meisten Forschern gilt weiterhin die südosteuropäische Steppe, die Gegend um Schwarzes Meer und Kaspisches Meer, als die Heimat des Indoeuropäischen.  (Schloemann, Johan: “Wo die Streitwagen fuhren”, in: Süddeutsche Zeitung 28/08/2012)

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