Jesus und die Essener

Wie die Essener hielt Jesus Besitz für gefährlich. Sein Lob für die Armen im Geiste ist sogar eine Huldigung an die Essener. Wie die Essener war er gegen das Prinzip, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Die soziale Note ist bei Jesus, wie bei Essenern, stärker betont als bei den Rabbinern. Im Gegensatz zu den Esseners, die eine apokalyptische revolutionäre Gruppe waren, war Jesus jedoch kein Revolutionär. Die Essener, die in Gütergemeinschaft und in Armut lebten, die den Tag mit Arbeit, Gebet, gemeinsamen Mahlzeiten und rituellen Bädern verbrachten, waren eine jüdische “Splittergruppe”. Sie sonderten sich vom übrigen Judentum, vor allem aber vom Priestertum und Tempelkult, von den “Söhnen des Verderbens”, entschieden ab. Jesus war auch kein Kämpfer gegen die römische Besatzungsmacht: “Gebt dem Kaiser, was der Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.” (Lk 20,26). Für Jesus – und darin unterschied er sich auch von Johannes – war das Reich Gottes auf Erden schon angebrochen, jedenfalls für Einzelne, für diejenigen, die sich Gottes Gesetz unterworfen hatten. Seine Devise war nicht “Gegen die Römer kämpfen, um das Reich Gottes auf Erden zu errichten”, sondern “Das Reich Gottes auf Erden errichten und damit jede Herrschaft unnötig machen”. (Flusser, David: Jesus. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 4/2006: 79-81, 89-94)

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