Wenn man in Hongkong junge Leute auf der Straße auf Englisch anspricht, hat man oft keinen Erfolg. Bei den älteren sieht das anders aus. Das britische Erbe ist in Hongkong noch überall anzutreffen: Straßennamen, Rechtssystem, Linksverkehr. Aber das sprachliche Erbe schwindet. Laut einem internationalen Ranking (Education First) befindet sich Hongkong mit seinen Englischkenntnissen nur noch im Mittelfeld, hinter Indien, Tschechien und Argentinien. Englisch ist weiterhin eine der zwei Amtssprachen Hongkongs, neben Chinesisch, und zwar dem kantonesischen Chinesisch. Bis 1997, bis zur Rückgabe der Kronkolonie an China, erfolgte der Schulunterricht in der Regel auf Englisch. Seitdem wird in der Regel auf Kantonesisch unterrichtet. Die chinesischen Nationalisten wandten sich gegen die Sprache der Kolonialherren. Das war ein Missverständnis, denn Englisch hatte längst seinen Status verändert und war nicht mehr die Sprache der Kolonialmacht, sondern längst internationale Verkehrssprache. Parallel zum Verfall des Englischen gewinnt die Hochsprache des chinesischen Festlands, Mandarin, immer mehr an Boden, durch Zuwanderung und Tourismus. Hongkong verspielt seinen Vorsprung, das historische Geschenk der Englischsprachigkeit. Das Gegenstück zu Hongkong ist Singapur, das früher oft mit Hongkong verglichen wurde, auch, was die Englischkenntnisse angeht. Da liegt Singapur, wo Englisch seit 20 Jahren gefördert wird, heute weit vor Hongkong. Außerdem holt jetzt das chinesische Festland, wo Englisch auch sehr gefördert wird, in Sachen Englisch auf. (Rimmele, Markus: „‘No comment‘ in der Ex-Kronkolonie: Hongkong verliert sein Englisch“, in: Deutschlandradio Kultur: 06/02/2014)