Gewaltige Erfahrungen

Entweder vor oder nach der Tat. So wird die Tötung Holofernes durch Judith in der Malerei meistens dargestellt. Holofernes hatte versucht, sie zu vergewaltigen. Die unmittelbarste Darstellung der Tat, den Moment der Tat erfassend, in all seiner Grausamkeit, stammt ausgerechnet von einer Malerin, von Artemisia Gentileschi, einer der wenigen bekannten Malerinnen. Gentileschi wurde als junge Frau selbst vergewaltigt. Sie brachte die Vergewaltigung zur Anzeige, der Täter bekam seine Strafe. Und dann heiratete Gentileschi ihn! Man hat immer wieder versucht, eine Verbindung zwischen der persönlichen Erfahrung der Gewalt und deren Darstellung in ihren Bildern zu sehen. Aber es gibt natürlich keine 1:1-Entsprechung. Die psychologische Disposition ist im Werk nicht unmittelbar zu erkennen. Viele Künstler, die Exzesse darstellten, hatten eine ruhige, bürgerliche, friedvolle Existenz. Dennoch könnten die Erwartungen an den Künstler und die Selbsterwartungen des Künstlers, dem eine besondere Erfahrungstiefe zugetraut wird, eine Disposition zur Transgression von Normen fördern. (“Zwischen Genialität und Grausamkeit. Der Künstler als Verbrecher”, in: Forum, SWR 2: 09/01/2015)

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