Dein Name sei nicht Ulrica

Der Protagonist einer italienischen Kurzgeschichte, die ich gerade gelesen habe, entwickelt schon in der Schule eine Aversion gegen den Buchstaben U. Weder die Form noch der Klang gefallen ihm, und es fällt ihm schwer, den Buchstaben richtig zu schreiben. Aus der Aversion wird eine Obsession.  Er streicht jedes U in den Heften seiner Mitschüler aus und wird von der Schule verwiesen. Später gelingt es ihm, in die Schule zurückzukehren, aber er wird wieder verwiesen, weil er weitere Aktionen gegen das U unternimmt, wird wieder zugelassen und dann endgültig verwiesen. Er schreibt eine Kulturgeschichte des U und demonstriert, dass alles menschliche Unglück ursächlich damit zusammenhängt, schafft es aber nicht, die Abhandlung zu publizieren. Dann verliebt er sich in eine junge Frau, die ebenso schön wie gut ist, muss aber feststellen, dass sie Ulrica heißt und trennt sich daraufhin von ihr. Das wiederholt sich mit der nächsten Freundin, Giulia, aber dann lernt er endlich Annetta kennen. Sie beschließen, zu heiraten, aber auf dem Standesamt muss erfahren, dass Annetta ihr Kosename ist und sie tatsächlich Susanna, Susannetta heißt. Und außerdem fünf weitere Vornamen hat: Postumia Uria Umberta Giudetta Lucia. Er zerreißt den Ehevertrag und kehrt zu Ulrica zurück. Sie heiraten. Er versucht, sie dazu zu bewegen, ihren Namen zu ändern, aber sie lächelt nur still und antwortet nicht. Auch ein zweiter Versuch misslingt, und beim dritten Mal wird er rasend, stürzt auf sie und schlägt mit einem Stock auf sie ein. Er wird festgenommen und in ein Irrenhaus eingewiesen. (Tarchetti, Iginio Ugo: “La lettera U”, in: Capricci. Skurrile Geschichten. Herausgegeben von Ragni Maria Gschwend. München, dtv, 2009: 106-123)

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