Dein Name sei Penner

Im deutschen Sprachraum trifft man gelegentlich auf den Nachnamen Penner. Umgangssprachlich steht Penner für einen, der viel schläft oder einen, der nichts mitbekommt oder einen Pennbruder auf der Parkbank. Man könnte versucht sein, diese Bedeutungen mit dem zu Namen assoziieren. Ganz weit hergeholt ist das nicht, denn Nachnamen sind wirklich oft von einer auffälligen Eigenschaft eines Ahnen abgeleitet: Kurz, Breit, Groß, Klein usw. Aber da stellen sich Zweifel ein: Die modernen Bedeutungen von Penner sind vermutlich zu neu für den Namen. Also sucht man nach anderen Erklärungen. Dabei ist der Kopf hilfreich. Umgangssprachlich heißt es oft Kopp. Nicht umsonst. Die umgangssprachliche, niederdeutsche Variante ist die ältere Form, gegenüber dem hochdeutschen Kopf. Das ist die Form, die sich erst nach der Lautverschiebung gebildet hat, eine Lautverschiebung, die das Niederdeutsche genauso wenig mitgemacht hat die wie anderen germanischen Sprachen. Also haben wir engl. pipe, schw. pipa, aber Hochdeutsch Pfeife, engl. pepper, schw. peppar, aber Hochdeutsch Pfeffer, also immer /p/ gegenüber /pf/. Wenn man das jetzt auf den (niederdeutschen) Penner anwendet, dann wird aus dem ein hochdeutscher Pfenner, und man ist der Sache schon näher. Jetzt muss noch berücksichtigt werden, dass Rechtschreibung traditionell nicht maßgebend ist und gleiche Laute regional unterschiedlich wiedergegeben wurden. Dann kann man <e> durch <ä> ersetzen und ist beim Pfänner. Der Penner hatte also etwas mit einer Pfanne zu tun. Aber mit welcher Pfanne? Einer Bratpfanne? Es gibt ja auch den Nachnamen Koch und viele andere Namen, die Berufsbezeichnungen sind.  Das ist auch hier der Fall, aber beim Penner war es eine andere Pfanne, nämlich die Salzpfanne. Der Penner arbeitete in einem Salzbergwerk. Wie wichtig Salz war, nicht nur als Würze, sondern auch als Konservierungsmittel, lässt sich heute noch an geographischen Bezeichnungen wie Salzuffeln, Salzburg, Salzach und an der Salzstraße vieler Städte ablesen.  Ebenso aber auch an Halle, Hallein und Reichenhall. Die führen alle das keltische Wort für ‘Salz’ im Namen.

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Dein Name sei Holyband

Die ersten Bücher zum Erlernen von Englisch als Fremdsprache wurden von Franzosen geschrieben, darunter The French Schoolmaster von Claudius Holyband. Der hatte einen englischen Nachnamen adoptiert, angelehnt an seinen eigentlichen Nachnamen de Sainliens (oder Desainliens). Diese Details sind nicht nur von akademischem Interesse, denn Holyband gehörte zu den Flüchtlingen, die sich soweit an das neue Land anpassten, dass sie ihren Namen änderten. Er mag dabei auch kommerzielle Interessen verfolgt haben, angesichts der stillen Vorbehalte, auf die die immer größer werdende Zahl von Flüchtlingen traf. (Howatt, A.P.R.: A History of English Language Teaching. Oxford: Oxford University Press, 1984: 19-20)

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Dein Name sei Adorno

Theodor W. Adorno hatte eine glückliche Kindheit. Das lag vor allem an seiner geliebten Mutter und an seiner Tante. Nicht umsonst nahm er später den katholischen Nachnamen seiner italienischen Mutter an, während der jüdische Nachname des Vaters, Wiesengrund, auf das W. reduziert wurde. (Hartwig, Ina: „Arlette und ihr Adorno“, in: Die Zeit 41/2012: 58-9)

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Dein Name sei Eco

Wenn man anfängt, sich für etwas zu interessieren, trifft man an jeder Ecke auf etwas aus diesem Gebiet. So ging es mir jetzt bei Namen. Darauf bin ich viermal innerhalb von kürzester Zeit gestoßen, in den unterschiedlichsten Zusammenhängen. Zuerst auf Umberto Eco. Sein Vater war ein Findelkind. Dem wurde von einem Gemeindediener nach jesuitischer Tradition der Nachname Eco gegeben: Ex coelo oblatus, ‘vom Himmel geschenkt’. (Nerlich, Michael: Umberto Eco. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2010: 7)

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Peeptoes und Fleshtunnels

Wenn man beruflich mit Englisch zu tun hat, wird man immer wieder von Freunden und Bekannten auf englische Wörter angesprochen, die plötzlich im Deutschen auftauchen. Meistens muss ich da passen. So geschehen in dieser Woche mit und peeptoes, Schuhen, die die Zehen freilassen, und fleshtunnel, Schmuckstücke, die wie Ohrringe aussehen, aber wohl eine Form von Piercing sind. War mir beides nicht bekannt, weder aus dem Deutschen noch aus dem Englischen. Obwohl mir das Wort fleshtunnel unbekannt war, war es die Sache nicht. Ganz ähnlich Formen von Piercing habe ich Dutzende Male in altamerikanischen Skulpturen und Abbildungen gesehen. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Das wissen aber die Träger der fleshtunnels nicht.

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Vater und Mutter

Was heißt Vater und Mutter auf Englisch? Die Frage scheint zu läppisch, um überhaupt beachtet zu werden, und ich kann mich auch nur auf mein Sprachgefühl berufen, aber trotzdem: Meines Erachtens stehen Mutter & Vater und Vater & Mutter im Deutschen nebeneinander, genauso wie Mama & Papa und Papa & Mama. Im Englischen dagegen klingt Mother & Father eingängiger als Father & Mother und Mum & Dad viel eingängiger als Dad & Mum, das geradezu falsch klingt. Im Japanischen, habe ich mir von einem befreundeten Experten sagen lassen, sind chichi & haha (umgangssprachlich) und otousan & okasan (formal) die gängigeren Varianten, mit dem Vater vorne! Anders herum, heißt es, klinge es sehr unnatürlich. Ähnlich bei Französisch Papa & Maman (feststehende Reihenfolge), während es bei Père & Mère etwas mehr Spielraum gibt, aber auch hier mit dem Vater vorne als Vorzugsvariante. Wenn das so ist, was hat das zu bedeuten? Und hat es überhaupt etwas zu bedeuten? Wir haben auch Maße und Gewichte gegenüber weights and measures (Umkehrung in beiden Fällen praktisch unmöglich). Da könnten wir uns leicht mit “Konvention” als Erklärung zufriedengeben. Aber gilt das auch für Vater und Mutter?

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Touristen und Studenten

Touristen wollen zweierlei: ihre Vorstellungen krass widerlegt (“Wer hätte das gedacht?”) oder eindeutig bestätigt (“Hab ich mir doch gedacht!”) sehen. Alles dazwischen verwirrt nur.  So sieht es der Autor eines Buches, der über seine Erfahrungen als “Stadtbilderklärer” auf einem Ausflugsboot in Berlin berichtet (Tilman Birr, On se left you see se Siegessäule. München: Goldmann, 2012). Das erinnert mich irgendwie an meine Studenten.

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Schnelle Schweden

“Wir gingen alle miteinander zu Fuß den anderthalb Meilen langen Weg nach Stockholm in weniger als drei Stunden.” So steht es in einem Buch, das ich gerade lese, Ernst Brunners Biographie des schwedischen Sängers Carl Michael Bellmann. Da fragt man sich, warum das schnell sein soll, anderthalb Meilen in drei Stunden. Die Erklärung ist, wie eigentlich immer, sprachlich. Eine schwedische Meile ist zehn Kilometer. Also schaffen sie fünfzehn Kilometer in drei Stunden. Das ist wirklich schnell, vor allem, wenn man den Rest des Satzes dazu nimmt: “… und dabei schafften wir es noch, den Probst Honther in Spanga zu besuchen.” (Brunner, Ernst, Ich lebte von Liebe und Wein. Berlin: List, 2006: 122)

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Witwer? – Witwer!

In einer russischen Kurzgeschichte lese ich folgenden Dialog: “‘Ist er Witwer?’, flüsterte ich mechanisch. ‘Witwer’, antwortet Pelageja Iwanowna leise.” So spricht vielleicht ein Russe, aber kein Deutscher. Das ist eine Übersetzung, die sich zu eng am Original hält (Es sei denn, man wolle eine Interlinearübersetzung machen, die die Charakteristika der Ausgangssprache erhellt). Die Antwort auf eine solche Frage ist im Deutschen ganz einfach “Ja.” Sprachen, die kein Wort für ja haben – Latein gehört wohl dazu – müssen andere Modalitäten finden wie etwa die Wiederholung eines Wortes aus der Frage, und das ist im Russischen, vermutlich aus historischen Gründen, durchaus Standard, und so ist es auch im Original: Im Deutschen aber nicht. Man würde das wenigstens als fremd, wenn nicht als exaltiert empfinden. (Michail Bulgakow, ” Полотенце с петухом – Das Handtuch mit dem Hahn”, in: Последнее свидание. Рассказы – Letztes Wiedersehen. Russische Erzählungen. München, DTV, 3/2011: 64-5)

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Bluttransfusion

Im Fernsehen wird gezeigt, wie die Massai in Tansania ihren Tieren, vor allem den Ochsen, aus kürzester Entfernung einen Pfeil in den Hals schießen. Warum machen die das? Es geht nicht darum, die Tiere zu schlachten. Auch nicht darum, ihnen überhaupt Schaden zuzufügen. Den Tieren kann die Prozedur nichts anhaben, und sie wird jeden Monat wiederholt. Es geht um das aus der Wunde fließende Blut. Das wird aufgefangen und den Kindern und den Kriegern als Getränk verabreicht – zur Stärkung. Die Kinder trinken das Blut mit sichtlicher Freude und zeigen lachend ihre roten Zähne.

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Diplom mit Note Fünf

In einer russischen Kurzgeschichte lese ich von einem jungen Arzt, der eine Stelle in einem Krankenhaus antritt. Während der Fahrt dorthin und noch mehr nach der Ankunft macht er sich Gedanken, ob er dieser Aufgabe gewachsen sei. Er sieht nur seine Unkenntnis und die schwierigen Fälle, die auf ihn zukommen könnten. Dabei hat er doch, tröstet er sich, ein Diplom, und fünfzehn Fünfen in der Abschlussprüfung. Das hört sich für einen Deutschen nicht so toll an, aber es sind, auf deutsche Verhältnisse übertragen, fünfzehn Einsen.(Michail Bulgakow, ” Полотенце с петухом – Das Handtuch mit dem Hahn”, in: Последнее свидание. Рассказы – Letztes Wiedersehen. Russische Erzählungen. München, DTV, 3/2011: 56-7)

 

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Geschlecht: unsichtbar

In der schwedischen Vorschule Egalia – der Name ist Programm – werden die Personalpronomen han, ‘sie’ und hon, ‘er’ durch das neu kreierte, neutrale hen ersetzt, lese ich in der Zeitung (Maas, Marie-Charlotte: “Sei, was du willst”, in: Die Zeit 34/2012: 62). Damit, so wird behauptet, würden geschlechtsspezifische Vorstellungen abgebaut. O sancta simplicitas! Wenn’s so einfach wäre. Nach dieser Rechnung bräuchte man nur ein paar Stellschrauben der Sprache verstellen, und schon hätten alle eine “reine Gesinnung”. Sprache und das Verhältnis von Sprache und Denken sind aber komplizierter. Jeder Euphemismus ist Beleg dafür. Andere Sprachen haben die Unterscheidung zwischen hon und han erst gar nicht. Dazu gehören Japanisch und Türkisch. Also gibt es dort auch keine Geschlechterklischees?

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Naughtie mistake?

James Naughtie, einer der Moderator von Today im Radio 4 der BBC, ist bekannt für seine langen Fragen und seinen markanten schottischen Akzent. Er ist auch bekannt für einen Verprecher in einer Sendung im Dezember 2010, als er ankündigen wollte, dass er später mit Jeremy Hunt sprechen werde, dem britischen Kulturminister, ihn dabei aber versehentlich Jeremy Cunt nannte. Das Wort cunt ist ein ziemlich derbes Wort für das weibliche Sexualorgan und ein ebenfalls ziemlich derbes Wort für einen Idioten. Es kam zu wütenden Protesten einiger Zuhörer, aber andere fanden es einfach witzig, vor allem die Art und Weise, wie Naughtie versuchte, sein eigenes Lachen hinter einem Hustenanfall zu verbergen. Naughtie entschuldigte sich später bei den Hörern. Parallel dazu wurde ein Leserbrief vorgelesen, der den Fehler nicht als Freudschen Fehler interpretierte, sondern einfach eine phonologische Erklärung lieferte. Der Name des Premierministers, Cameron, fängt mit dem Laut an, mit dem auch cunt anfängt. Die vielen Reaktionen veranlassten die BBC, kurz nach Today eine Diskussion über den Versprecher anzusetzen. Deren Moderator war Andrew Marr. Viel Aufwand wegen eines kleinen Versprechers, aber es lohnte sich: Andrew Marr wiederholte während der Diskussion aus Versehen genau den Versprecher, den Naughtie gemacht hatte!

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Geregelter Anarchismus

Beim Internationalen Anarchistentreffen in der Schweiz, höre ich im Radio, ist es verboten, Hunde mitzubringen.

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Fleischeslust

Deutsche Männer essen doppelt so viel Fleisch wie deutsche Frauen und trinken viermal so viel Alkohol wie deutsche Frauen. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung. Diese Männer! Aber Vorsicht: Die Ergebnisse der Untersuchung beruhen auf Selbstauskunft. Man wird gefragt, wie viel man isst und trinkt, und das gilt. Da kommt natürlich das Selbstbild ins Spiel. Wie verlässlich ist das? Kann durchaus sein, dass die Männer übertreiben und die Frauen untertreiben, und in Wirklichkeit beide näher aneinander liegen, als die Umfrage nahelegt. Und wie genau sind die Werte, wenn man gefragt wird, wie viel Fleisch man pro Jahr ist? Wie kann man das einschätzen? Ich hätte jedenfalls keine Ahnung, wie das bei mir aussieht. (All dieses wunderbare Wissen verdanke ich einer Radionsendung auf SWR2.)

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