Herzensgut

Er war ein gebildeter Mann, mit einem Faible für alternative Medizin. Er war ein anerkannter Psychiater, der sich auf Gruppentherapien spezialisiert hatte. Er fühlte sich wohl unter Akademikern, sprach fließend Englisch, trug oft Maßanzüge. Der Verhandlungstisch war ihm angenehmer als der Kasernenhof. Er nahm nie eine Waffe in die Hand, hat in seinem Leben keinen Tag als Soldat gedient. Wie es in der Armee zuging, bliebt ihm fremd. Dem Ort, in dem er aufwuchs, widmete er eins seiner frühen Gedichte. Auch seine späteren Gegner zollen ihm Respekt: Er habe einen Zauber entfaltet. Er habe Parteifreunde umarmt und auf die Wange geküsst. Er habe Gefühle in die Politik gebracht. Sein Name: Radovan Karadžić. (Willeke, Stefan: „Ein guter Mensch“, in: Die Zeit 15/2016: 10)

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