Messer – Gabel – Löffel

Messer, Gabel, Löffel: ein gutes Beispiel für die ziemlich willkürliche Zuordnung der deutschen Substantive zu den grammatischen Geschlechtern: das Messer, die Gabel, der Löffel – sächlich, weiblich, männlich. Wenn ich meine Studenten damit konfrontiere, versuchen die, jedenfalls die deutschen, unbedingt eine logische Begründung dafür zu finden, und schaffen es auch, sich selbst zu überzeugen. Nicht aber mich und die ausländischen Studenten. Der Blick über den Tellerrand, d.h. über die eigene Sprache, hinaus, belegt, dass man der Sache mit Logik nicht beikommen kann:
  • Messer – Gabel Löffel
  • coltello forchetta cucchiaio
  • cuchillo tenedor cuchara
  • couteau fourchette cuillère
  • μαχαίρι – πιρούνι – κουτάλι
  • нож – ви́лка – ло́жка

 

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Karthago, zum Dritten

Ein Manifest, das er 1951 verfasste, beschloss Brecht mit den Worten: Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten. (Kesting, Marianne: Brecht. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 81998: 138-139)

 

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Mädchen, Mäuse und Männer

In einem Seminar sagte einmal eine Studentin auf die Frage, wie denn im Deutschen der Plural von Substantiven gebildet werde: “Durch Anfügen von –s“. Die Aussage blieb unwidersprochen und mir als Ausweis der unfassbaren Ignoranz der Menschen über ihre eigene Sprache in Erinnerung. Ich habe daraufhin mal, ohne Nachschlagewerke zu konsultieren, eine vorläufige Liste von alltäglichen Wörtern gemacht, die mir spontan in den Sinn kamen und sie versuchsweise geordnet:

  • Schritt > Schritte, Pfad > Pfade, Tisch > Tische, Arm > Arme, Bein > Beine, Spiel > Spiele
  • Katze > Katzen, Blume > Blumen, Lage > Lagen, Name > Namen, Rolle > Rollen, Sünde > Sünden, Gabel > Gabeln, Auge > Augen, Seite > Seiten, Runde > Runden
  • Frau > Frauen, Held > Helden, Herz > Herzen
  • Feld > Felder, Kind > Kinder, Rind > Rinder
  • Drucker > Drucker, Richter > Richter, Mädchen > Mädchen, Esel > Esel, Messer > Messer, Löffel > Löffel, Förster > Förster, Fächer > Fächer
  • Star > Stars, Band > Bands, Taxi > Taxis
  • Maus  > Mäuse, Stuhl > Stühle, Kuh > Kühe, Gast > Gäste, Korb > Körbe, Ball > Bälle, Band > Bände
  • Vogel > Vögel, Laden > Läden, Vater > Väter, Mutter > Mütter, Acker > Äcker
  • Mann > Männer, Haus > Häuser, Holz >Hölzer, Fach > Fächer, Band > Bänder Die Liste zeigt:
  • die Komplexität der Pluralbildung
  • dass es neben einfachen Formen – Veränderung des Grundvokals, Anfügen von Endungen – auch Mischformen gibt: Mann > Männer
  • dass ein Singular verschiedene Pluralformen haben kann: Band > Bands, Band > Bänder, Band > Bände
  • dass zwei unterschiedliche Singularformen denselben Plural haben können: Fach > Fächer, Fächer > Fächer
  • dass der Plural oft morphologisch nicht markiert wird: Richter > Richter
  • die marginale Rolle des von der Studentin angesprochenen Musters, des Anfügens von –s. Selbst bei modernen Anglizismen, wo man das Muster vielleicht erwarten würde, trifft es nicht ein: Computer > Computer

 

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Kinder-Los

James Cook hatte sechs Kinder. Als er von seiner zweiten großen Entdeckungsfahrt zurückkam, war seine Tochter Elizabeth gestorben. Sie war noch ein Kind. Während der Reise war sein Sohn Joseph geboren worden. Es starb noch in demselben Jahr. Cook hat ihn nie gesehen. Während der Vorbereitungen zur dritten Reise starb sein Sohn George. Er wurde nur vier Monate alt. Sein Sohn Nathaniel starb als Seemann in einem Hurrikan in Jamaika. Sein Sohn Hugh, zum Geistlichen bestimmt, starb während des Studiums in Cambridge. Sein Sohn James, Commander bei der Marine, ertrank während des Dienstes. Cook überlebte sie alle. Seine Frau starb erst 1835. Sie überlebte ihren Mann um fünfzig Jahre. (Emersleben, Otto: James Cook. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1998)

 

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Mensch denkt. Wer lenkt?

An Bord der Caldas, eines kolumbianischen Zerstörers, der zu Reparaturarbeiten in Mobile in den USA gewesen war, befanden sich ein Seemann, der gar nicht zur Besatzung gehörte und nur zufällig auf die Caldas gestoßen war, weil er nach Kolumbien zurückwollte; ein Seemann, der während des Aufenthalts in Mobile keinen Penny für Vergnügungen ausgegeben und alles in Geschenke für seine Frau investiert hatte, die in Cartagena auf ihn wartete; ein Seemann, der in Mobile einen Film über einen Sturm gesehen und sich geschworen hatte, nach der Rückkehr nach Kolumbien nie wieder zur See zu fahren. Die Caldas erlitt Schiffbruch. Keiner der drei überlebte. (García Márquez, Relato de un náufrago. Bogotá, Barcelona u.a: Verticales de Bolsillo, 2008: 18-20)

 

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Gandhis anderes Gesicht

Gandhi zu mögen, dazu gehört nicht viel: der gewaltlose Widerstand, die Armut, seine Bescheidenheit, seine Persönlichkeit, das ist schon was. Dem kann man sich nicht so leicht entziehen. Gandhi zu kritisieren ist viel schwerer. Das tut jetzt Arundhati Roy, immer unerschrocken, immer selbständig im Denken. Sie klagt Gandhi an, das Kastensystem unterstützt zu haben. In einer Antwort auf eine (nie gehaltene, aber veröffentlichte) Rede von Bhimrao Ramji Ambedkar, einem Mitglied der Dalits, der untersten Kaste und einem der Kritiker Gandhis, in dem er den Hinduismus verwirft und das Kastensystem als brutale hierarchische Ordnung verwirft, antwortete Gandhi mit einer Verteidigung des Kastensystems. Arundhati Roy verfolgt Gandhis Meinungen zur Kastenfrage zurück auf seine Meinungen zur Rassenfrage, die er in Südafrika vertreten hat. Als Gandhi in der berühmten Szene in Pietermaritzburg aus dem Zug geworfen wurde, hat er sich nicht über die Rassentrennung an sich empört. Er saß in einem Abteil der Weißen, weil er glaubte, als Inder und Angehöriger einer höheren Kaste habe er ein Recht dazu. Er wollte nicht mit den Kaffern, wie er sie nannte, in einem Abteil reisen. Gandhi schrieb mit viel Verachtung über Afrikaner, Leibeigene, Unberührbare, Sklaven und Frauen. Er verbrachte die meiste Zeit in Südafrika damit, die Freundschaft des weißen Regimes zu werben. Arundhati Roy sieht in Gandhi nicht einmal nur einen sympathischen Spinner, sondern sieht da etwas Bösartiges am Werk. Gandhi beschränkte sich in seiner Kritik auf das Thema der Unberührbarkeit, griff aber nicht das System an. Das beinhaltet viel mehr als Unberührbarkeit: Recht auf Land, Dienstleistungen, Bildung. Gandhi hat darauf bestanden, dass keine Kaste als nobler gelten solle als eine andere, aber auch darauf, dass jede Kaste bei ihrer ererbten Arbeit bleiben sollten. In einer Antwort auf Ambedkar schrieb er über die idealen Qualitäten der Kaste der Latrinenarbeiter. Er glaubte, es wäre ihre göttliche Pflicht, anderer Leute Exkremente zu beseitigen. Sie sollten das für den Rest ihres Lebens tun und nicht daran denken, mit ihrer Arbeit Profit zu machen. So unterstützte er, Roy zufolge, ein angeblich gottgewolltes System, das ein Reservoir an billigen Arbeitskräften generiert und den Untersten sogar noch suggeriert, sie sollten sich über ihre Stellung freuen. (Ross, Jan: „Gandhis vergiftetes Erbe“. Interview mit  Arundhati Roy, in: Die Zeit 40/2014: 50)

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Anpassungsfähig

Eigentlich haben Störche im salzigen Wasser der Nordsee nichts zu suchen. Das ist in keinem zoologischen Fachbuch vorgesehen. Störche fischen in Seen und Flüssen, im Süßwasser, nach Würmern und Fröschen. Tiere, die sich ausschließlich von Meerestieren ernähren, haben in der Regel spezielle Drüsen, um überschüssiges Salz wieder auszuscheiden. Der Stoffwechsel des Storchs ist auf salzige Nahrung nicht eingestellt. Dennoch gibt es Störche auf Föhr, die ihre Nahrung im Wattenmeer suchen. Ihre Vorfahren sind „Romeo und Julia“, ein Storchenpaar, das von einem Tierschützer gepflegt und aufgezogen worden war. Beide waren vorübergehend flugunfähig. Julia war verletzt, und Romeos Flügel waren von seinem Besitzer gestutzt worden. Da sie ohne Eltern aufwuchsen, wussten sie nicht, was sich „gehört“, und als sie wieder fliegen konnten, haben sie sich das Nächstliegende ausgesucht: das Wattenmeer. Ihren Nachkommen haben sie die Vorliebe für Meerestiere mitgegeben. Heute leben 25 Störche auf Föhr. Und haben es mit ihrer ungewöhnlichen Vorliebe in die akademische Literatur gebracht. Im Herbst fliegen einige von ihnen Richtung Afrika, aber andere bleiben selbst in der kalten Jahreszeit im Norden. Im Gegensatz zu Seen und Flüssen friert das Meer nicht zu. Warum Tausenden Kilometer in den Süden fliegen? (Bäurle, Anne: „Romeo und Julia auf Krabbenfang“, in: Die Zeit 39/2014: 40)

 

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Weibliche Gefahr

Hurrikans mit weiblichen Namen sind gefährlicher als solche mit männlichen Namen. Jedenfalls fordern sie mehr Todesopfer. Das haben Forscher von der University of Illinois festgestellt. Das ist kein Zufall. Nähert sich ein Hurrikan mit weiblichem Namen, tendieren wir dazu, die Gefahr zu unterschätzen. Frauen gelten als weniger aggressiv. Am schlimmsten sind Hurrikans mit besonders femininen Namen, wie Belle oder Cindy. Sie fordern die meisten Todesopfer.

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Für dich, Professor!

In einer Kurzgeschichte von Moravia wird ein Mädchen vom Lande, eine Ciociara, an einen alten Professor der Archäologie als Hausmädchen vermittelt. Als sie zum ersten Mal, in Begleitung des Portiers, der sie vermittelt hat, das Haus des Professors betritt, übergibt sie ihm ein Körbchen mit frischen Eier als Gastgeschenk und sagt: “Tie’, professore, prendi, t’ho portato l’ova fresche”.  Der Portier ermahnt sie, man dürfe den Professor nicht duzen. Der aber nimmt das ganz gelassen hin. Die alten Römer hätten sich schließlich auch alle geduzt, wie in einer großen Familie. Sie hätten das Sie nicht gekannt. In einer weiteren Kurzgeschichte schickt Tullio, ein Mann vom Lande, einem jungen Städter, Remo, der sich gerade von einer Krankheit erholt, einen Brief und bietet ihm einen Sommeraufenthalt in seinem Haus auf dem Lande an. Dabei duzt er ihn. Remo nimmt das als sicheres Zeichen für die Unkultiviertheit von Tullio. Das Duzen scheint alles zu bestätigen, was er von den Landleuten erwartet: rustikale Trampel, die mit dem Blasebalg am Kohleofen stehen, die Schönheit von Eseln besitzen und sich zwischen Kastanienbäumen vor Langeweile verzehren. (Moravia, Alberto: Racconti romani. Römische Erzählungen. München: Dtv, 9/2011: 40 + 66-68)

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Geheimwaffe Thermometer

Es gibt viele Pioniere der Photographie. Der bekannteste ist Daguerre. Als Dekorationsmaler für Theater hatte er das Diorama erfunden, eine Schaubühne für große, gemalte Szenerien. Eine Camera obscura diente dabei als Hilfsmittel, um die Szenerien möglichst realistisch zu gestalten. Mit Photographie hatte das noch nichts zu tun, aber bald sann Daguerre darauf, mit der Camera obscura Bilder herzustellen. Er behandelte Silberplatten mit Joddämpfen, um damit eine lichtempfindliche Schicht zu erzeugen. Wenn man diese Platten in eine Camera obscura einsetzte, entstand nach sehr langer Belichtungszeit ein sichtbares Bild. So ein Bild dunkelte aber nach und wirkte aufgrund der langen Belichtungszeit seltsam unnatürlich. Beide Probleme löste ein glücklicher Zufall. Eines Tages wurde das Wetter plötzlich trübe. Daguerre nahm die Platten heraus und stellte sie in einen Schrank. Am nächsten Tag hatte er plötzlich das fertige Bild vor sich. Er ahnte, dass in dem Schrank etwas sein musste, was die Entstehung des Bildes verursachte. Durch systematische Suche fand er schließlich die geheime Substanz: Die Quecksilberdämpfe eines zerbrochenen Thermometers. So entstand die Daguerreotypie, das beste Verfahren, um Landschaftsbilder, Portraits und Stillleben zu erzeugen. Daguerreotypien wurden in kürzester Seit ungeheuer populär. Das Verfahren hielt sich dennoch nur etwas mehr als ein Jahrzehnt: Daguerreotypien lassen sich nicht vervielfältigen, sind seitenverkehrt und berührungsempfindlich. (Bohn, Markus: “Louis Daguerre stellt ein fotografisches Verfahren vor”, in: SWR Zeitwort: 18/08/2014)

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Katastrophal

Als es in Europa vor 200 Jahren zu einer Sommerkälte kam, machten einige die Abholzung der Wälder dafür verantwortlich. Die habe Wärme nach oben entweichen lassen. Andere machten die zahlreichen Erdbeben der vergangenen Jahre verantwortlich, wieder andere die Blitzableiter. Sie hatten das Innere der Erde so stark erhitzt, dass nun der natürliche Wärmefluss gestört war. In Japan wurde noch die Katastrophe von Fukushima als Strafe Gottes angesehen. Diese Erklärung hat auch in Europa Tradition. Bei dem Erdbeben von Lissabon 1755 übertrafen sich die Kirchen mit Schuldzuweisungen. Die Protestanten sahen in dem Erdbeben eine Strafe Gottes, die sich gegen die Katholiken richtete. Das Erdbeben war schließlich an einem 1. November, Allerheiligen, ausgebrochen. Eindeutig eine Strafe für den Heiligenkult der Katholiken. Der Glaube an den strafenden Gott ist immer noch aktuell. Der Hurrikan Katrina wurde als Strafe für den promiskuitiven Lebenswandel der Bewohner von New Orleans gedeutet. Aber auch weltlichen Deutungen liegt das gleiche Muster zugrunde: Nach Hochwassern wird gesagt, die Natur schlage zurück. Das ist letztlich eine Fortsetzung religiöser Strafvorstellungen. Es geht um Buße und Wiedergutmachung. Wir pflanzen einen Baum, fahren mit dem Rad oder essen Biofleisch und haben ein gutes Gewissen. (Frey, Andreas: „Die Natur kennt keine Katastrophe“, in: Die Zeit 37/2014: 35-36)

 

 

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Das Salz der Erde

Salz konserviert, nicht nur das, was es konservieren soll. Manchmal ist die Konservierung ein unbeabsichtigter Nebeneffekt, wie ich jetzt in einer Ausstellung eindrucksvoll vor Augen geführt bekam. Der Salzstollen aus dem Hallstätter Salzbergtal stürzte 1245 zusammen, wurde dann erneuert (aber erst 400 Jahre später) und stürzte dann endgültig ein. Der Stollen hat bewahrt, was sonst verloren gegangen wäre, gibt aber auch ein paar Rätsel auf. Man kann zum Beispiel einen Kinderschuh aus Leinen (Größe 30-31), eine Säuglingsmütze aus Fell und Tragesäcke aus Rinderhaut sehen, alle aus dem 13. Jahrhundert vor Christus! Die Säuglinge wurden offensichtlich mit in den Stollen genommen. Kinder mussten mitarbeiten. Erstaunlich, was die Forscher aus den Funden ableiten: Im Stollen arbeiteten Frauen und Männer. Das weiß man, weil sich die Skelette von Frauen und Männern aus dem Stollen ähneln. Die Menschen waren bei der Arbeit ständig überbelastet. Das weiß man, weil Gelenke abgenutzt und Knochen verändert sind, an den Stellen, wo die Muskeln ansetzen. Neben der harten Arbeit gab es Läuse (in Kleidern entdeckt), die Infektionskrankheiten übertragen konnten und Spülwürmer, die Durchfall, Koliken und Bauchschmerzen verursachen konnten. Man hat Pestwurz gefunden, der zu Bündel zusammengefügt wurde. Vielleicht diente er der Behandlung von Wunden, vielleicht als Medizin gegen Darmparasiten, vielleicht als Toilettenpapier! Durch die Exkremente weiß man etwas über der Ernährung. Ein Forscher schlägt aufgrund der Untersuchungen folgendes Rezept vor: Füße, Schwänze und Schwarten vom Schwein, Saubohnen, Gerste, Hirse. Weich kochen, mit Essig, Thymian und Bohnenkraut würzen und mit Zwiebeln servieren. Und natürlich salzen! Dieses Gericht, das Ritschert, wurde im Stollen selbst zubereitet. Als Beleg sieht man in der Ausstellung einen riesigen Holzlöffel und ein Kegelhalsgefäß, das 50 Liter fasste. Die Zubereitung von Essen im Stollen erklärt auch die zunächst rätselhaften Tonscheiben, die in den Stollen gefunden wurden. Die Technik der Salzgewinnung war hervorragend entwickelt. Die Stollen gehen bis zu 200 Meter in die Tiefe. Man sieht hier große, abgebrochene Grubenhölzer. Auch Werkzeuge sind zu sehen. Ein Rätsel gibt ein Pickel auf, mit einem langen, dünnen Stiel und einem spitzen Arbeitswinkel aus Metall. Wie wurde der genutzt? Man hat es in verschiedenen Improvisationen ausprobiert, aber keine Lösung gefunden. Für einen direkten Schlag wie mit dem Hammer ist der Winkel zu spitz. Für eine ziehende Bewegung ist der Stiel zu dünn. Für eine Benutzung als Brecheisen ist ebenfalls der Stiel zu dünn. Und eine Benutzung als Schlägel kommt nicht in Frage, weil man keine Schlagspuren finden konnte. Außerdem wurde eine hölzerne Treppe gefunden, die mobil war und deren Stufen man verstellen konnte. Hallstatt hatte sogar sein eigenes Markenzeichen: herzförmige Salzplatten. Die gab es nur hier! Man meißelte vermutlich zuerst herzförmige Rillen in die Wand und löste dann die Salzplatte durch Druck heraus. Das erforderte eine präzise Handhabung von Pickel und Meißel. Bis heute weiß man nicht, warum ausgerechnet dieser Stollen bearbeitet wurde. Er war schwer zugänglich, lag 400 Meter über dem See und 30 Meter in der Erde und war bis in den Sommer zugeschneit. 40 Kilometer weiter gab es besser zugängliche Stollen. Trotzdem kamen schon vor 7.000 Jahren Menschen hierher, um Salz zu gewinnen. Und schon vor 4.000 Jahren hab es arbeitsteilige Verfahren bei der Salzgewinnung. Hallstatt hatte ein richtiges Monopol. Die anderen Salzförderstätten waren weit entfernt: Volterra, Tusla, Wielicka, Schwäbisch Hall. Salz machte von Jahreszeiten unabhängig. Man konnte Lebensmittel haltbar machen. Das machte man auch hier, vor Ort. Man hat Surbecken gefunden, in die mindestens 200 Schweine passten. Dort wurden Speck und Schinken produziert, und die kamen in den Handel. All das bedeutete großen Reichtum. Den dokumentieren die 1.500 im Salzbergtal gefundenen Gräber, mit ihren reichen Grabbeigaben. So wurde Hallstatt zu dem Namen für eine ganze Kulturepoche. Die Grabbeigaben, die man hier sieht, stammen meist aus der älteren Eisenzeit (800-400). Das Gräberfeld ist eine Art global village, mit exotischen Grabbeigaben aus allen Himmelsrichtungen: eine skytische Axt aus Eisen, ein norditalienisches Messer, Glas von der Adria, eine Bernsteinkette, afrikanische Vasen, Keramik aus Slowenien. Das Prachtstück der Ausstellung ist ein Schöpfergefäß aus Bronze, bei dem der Griff eine Kuh ist, hinter der ein Kälbchen an dem Gefäß hochklettert. Vermutlich ein Ritualgefäß, zu schade für den täglichen Bedarf. Ein Rätsel der Gräber stellt das Gold da: Es gibt so gut wie keins. Gab es eine Salzelite, deren noch unentdeckte Gräber all das Gold enthalten? Oder hatte Gold keinen guten Ruf? Dazu würde Cassiodorus‘ Ausspruch passen: „Auf Gold kann man verzichten, auf Salz nicht“. Gefärbt wurde auch in Hallstatt, und zwar, wenn ich das richtig verstanden habe, sowohl Kleidung als auch Keramik. Blau gewann man aus Waid, Gelb aus Färbervanille oder Färberginster. Und Grün? Da lernt man etwas Erstaunliches: Keine Pflanze färbt grün! Grün ergibt sich aus der Mischung von Blau und Gelb. Die am schwersten herzustellende Farbe aber war Schwarz. Und das war genau die Farbe, die den Schmuck der Hallstätter am besten zur Geltung kommen ließ. („Das weiße Gold der Kelten“, in: Landesmuseum Herne)

 

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Pullover

Ich habe es immer geahnt und bin oft dafür belächelt worden: Frauen ziehen Pullover anders aus als Männer. Bei der weiblichen Technik kreuzt man die Arme vor dem Bauch, greift den unteren Saum und zieht den Pullover von unten über den Kopf. Bei der männlichen Technik greift man mit den Händen hinter den Kopf, bis man ein Stück des Pullovers zu fassen bekommt und zieht dann den Pullover von hinten über den Kopf. Meine Beobachtung wird jetzt in einer Zeitungskolumne bestätigt: Bei einer Befragung von 195 Männern und 136 Frauen ergab sich, dass drei Viertel der Frauen die weibliche Technik benutzen und 80% der Männer die männliche. Die Frage, warum das so ist, bleibt allerdings weiterhin offen. Und auch die Frage, die mich noch mehr beschäftigt: Wo lernt man das? Wer bringt einem das bei? (Drössser, Christoph: “Stimmt’s?, in: Die Zeit 34/2014: 32)

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Strapazierfähiger Tannenbaum

Im Radio hörte ich in einem Altkatholischen Gottesdienst ein Kirchenlied, das auf die (wunderbare) Melodie von Land of Hope and Glory gesungen wird, dem alten, jingoistischen Lied der britischen Imperialismus des 19. Jahrhunderts. In Schweden hörte ich ein Trinklied, Vi dricker en, das auf die Melodie von O Tannenbaum gesungen wird. Das ist auch die Melodie für The people’s flag, das Kampflied der Labour Party, der inoffiziellen Parteihymne, die am Ende jedes Parteitags gesungen wurde. Kurioser Kulturtransfer. Ob die Sänger wohl wissen, worauf sie sich da einlassen?

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Panamakanal: Glanz und Gloria?

Ferdinand de Lesseps und Gustave Eiffel im Gefängnis? Komische Vorstellung. Und doch nicht so weit hergeholt.  Beide wurden, im Zusammenhang mit dem Bau des Panamakanals, verurteilt, Eiffel zu zwei Jahren, Lesseps zu fünf Jahren. Die Urteile wurden später aufgehoben – wegen Formfehlern. Es handelte sich, dem Gericht zufolge, um den “größten Betrugsfall der Gegenwart”. Bei dem Prozess kamen ungeheuerliche kriminelle Praktiken ans Licht. Während de Lesseps feurige Rede hielt über den Fortschritt der Menschheit und die Größe Frankreichs, bestachen seine Hintermänner Hunderte von Parlamentsabgeordneten, damit die Wahrheit  über die katastrophalen Zustände an den Baustellen und die ausufernden Verluste nicht ans Tageslicht kam. Die Arbeiter an der Baustelle gingen an Mücken und Mikroben zugrunde. Insgesamt 22.000 kamen dabei um. Die meisten starben an Gelbfieber und Malaria sowie an Typhus und Cholera. Das Wüstenklima in Ägypten beim Bau des Suezkanals war ein Kinderspiel gewesen gegenüber der tropischen Hölle von Panama. Die Arbeiter – die meisten aus Jamaika, von den Bahamas und anderen karibischen Inseln – verendeten wie die Tiere und wurden auf einem Totenhügel verscharrt. In Frankreich waren 85.000 Kleinanleger dem charismatischen Lesseps auf den Leim gegangen und hatten Anteile, Anleihen und Lotteriescheine der Compagnie universelle du canal interocéanique de Panama gekauft und standen nun vor dem finanziellen Ruin. In Washington hatte man das französische Unterfangen im eigenen Hinterhof mit Misstrauen beobachtet und nahm das Scheitern mit Wohlwollen zur Kenntnis. 1902 beschloss der Kongress, die Konkursmasse zu übernehmen, für den Spottpreis von 40 Millionen Dollar. Die Amerikaner übernahmen den Bau und vollendeten ihn. Und hielten eine schützende Hand über den neuen Staat Panama, der sich 1903 für unabhängig erklärte. Die Kanalzone betrachtete man bis 1999 als einen Teil der USA, und als Senator John McCain, der in der Kanalzone geboren worden war, 2008 Präsidentschaftskandidat war, stellte sich niemand die Frage, ob er denn überhaupt amerikanischer Staatsbürger sei. (Rüb, Matthias: “Amerikas Triumph, Frankreichs Blamage”, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 188/2014: 3)

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