Scharfe Hunde

In einem Vortrag am Center for Metropolitan Studies in Berlin, „Der deutsch-deutsche Schäferhund“, enthüllte die Doktorandin Christiane Schulte, dass viele der Wachhunde in der DDR von den KZ-Wachhunden der Nazis abstammten. Nach der Wende waren einige dieser Hunde dann an den EU-Außengrenzen eingesetzt worden. Nach der Wende gab es im Westen auch eine große private Nachfrage nach diesen Hunden. Sie galten als besonders scharf. Im Osten dagegen waren sie nicht so begehrt. Schulte sieht die Osthunde als manipulierte Opfer der von Gewalt geprägten deutschen Geschichte. An der Mauer seien auch 34 Schäferhunde ums Leben gekommen. Das erste Maueropfer war sogar ein Schäferhund. Schulte forderte deshalb, in das geplante Einheitsdenkmal auch eine stählerne Hundeleine zu integrieren. Der Vortrag wurde mit Applaus aufgenommen und später in leicht veränderter Fassung in einer renommierten Zeitschrift veröffentlicht. Wenig später meldeten sich in einer Online-Zeitschrift Autoren und enthüllten, dass alles frei erfunden war. Sie waren eine Gruppe kritischer Wissenschaftler und wollten beweisen, dass jeder Quatsch eine Chance hat, veröffentlicht zu werden, solange er den gängigen Erwartungen entspricht. Sie hätten erzählt, was die Leute hören wollten. Die Wahrheit über die Schäferhunde in der DDR erzählt eher ein Artikel im Spiegel, der argumentiert, die Grenzhunde seien eher so etwas wie Attrappen gewesen, die der Abschreckung dienten, selbst aber ungewöhnlich zärtlichkeitsbedürftig waren. Dass das, was man in Fernsehen oder im Radio hört, nicht stimmen muss, ist bekannt. Aber das gilt auch für die Wissenschaft. (Martenstein, Harald: „Über Nazi-Schäferhunde und andere Lügengeschichten“, in: Zeitmagazin 11/2016: 8)

 

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