Hidden resemblance

It is not difficult to see that German and English are related when you look at simple words: house and Haus, sheep and Schaf, book and Buch, sun and Sonne, we and wir, seven and sieben, and and und. Such words, so called cognates go back to one and the same word. They were identical in form and meaning, before English became English and German became German. Sometimes there are words which are not quite so obviously related: wife and Weib, tide and Zeit, knave and Knabe. But about town and meal and cup and fee and horse and timber? It takes some serpentine thinking to find the solution. They are Zaun and Mehl and Kopf and Vieh and Ross and Zimmer.

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Atemberaubend

In den Nachrichten ist die Rede von einem “mitreißenden türkischen Journalisten”, der sich im Schlepptau eines französischen Journalisten befunden habe.

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Feierabendintegration

Petros Markaris, der griechische Krimiautor, spricht in einem feinen, einfühlsamen nachdenklichen Artikel über Flüchtlinge und Einheimische, beginnend mit den Griechen, die nach der “kleinasiatischen Katastrophe” und dem folgenden Völkeraustausch von der Schwarzmeerküste und aus Kleinasien nach Griechenland gekommen sind. Sie seien dort nicht willkommen gewesen. Viele Schiffe mussten von einem Hafen zum nächsten fahren, weil die Bewohner die Häfen besetzten und den Ausstieg der Einwanderer verhinderten. Verständlich, sagt Markaris. Das Land lag in Scherben, die einheimischen Griechen mussten selbst ums Überleben kämpfen. Ihre Haltung sei kein Ausdruck von Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit gewesen. Sie konnten ihr karges Brot nicht mit den Neuankömmlingen teilen. Es habe nicht einmal für sie und ihre Kinder gereicht. Er selbst hatte in seiner Jugend das friedliche Zusammanleben verschiedener Völker in Istanbul erlebt, aber hier hatte es keine Neuankömmlinge gegeben. Alle waren “schon immer” da. Aber auch das sei keine multikulturelle Gesellschaft gewesen, genauso wenig wie die heutigen Gesellschaften. Das multiethnische Zusammenleben begrenzte sich auf das Geschäfts- und Straßenleben. Das Familien- und Privatleben blieb davon unberührt, wie in vielen „multikulturellen“ Gemeinschaften, die eigentlich multikommunale Gemeinschaften seien, mit mehreren Gemeinden, die ihre Sprache, Kultur, Religion und Tradition behalten wollten und eine Mischkultur ablehnten. Die “Tagesintegration” sei eine Sache, eine andere die “Feierabendintegration”. Hier begännen die Schwierigkeiten, und zwar sowohl auf Seiten der Gäste als auch auf Seiten der Gastgeber. Er selbst habe gute Beziehungen zu seinen Mitschülern in Istanbul gehabt, aber er sei während der ganzen Jahre nicht einmal in eine türkische Familie eingeladen worden. Genauso wenig habe er selbst jemals einen türkischen Klassenkameraden zu sich eingeladen. Der private Bereich blieb getrennt. Immer wieder höre er heute die Klage, die Gäste wollten sich nicht integrieren. Sie würden in Enklaven leben und sich abschotten. Das stimme zwar, aber dafür gebe es gute Gründe. Die Einwohner kämen in ein fremdes, ihnen unbekanntes Land. Es sei einleuchtend, dass sie ihre Landsleute suchten, um Angst und Verunsicherung zu überwinden. Aber auch die Einheimischen wollten im Grunde die Ausgrenzung der Gäste. Wenn sie schon in der gleichen Stadt leben müssten, dann doch bitte so weit weg wie möglich. Markaris weiß, wovon er spricht. Er hat selbst einer Auswandererbiographie. Seine Familie reiste nach der Ausweisung der Istanbuler Griechen aus – ausgerechnet nach Griechenland. (Markaris, Petros: „Leben in einem fremden Land“, in: Süddeutsche Zeitung 237/2016: 15)

 

 

 

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Natürlich

Sie leben in Einklang mit Baum und Tier, in Freiheit und Harmonie mit den anderen, einfacher, aber sinnerfüllter und gesünder, freier im Sex, sie führen einfach das bessere Leben: edle Wilde, nicht korrumpiert von den Versuchungen und Zwängen der Zivilisation. So das schöne, falsche Klischee, das sich in den Köpfen der Großstädter der westlichen Welt mit großer Zähigkeit hält, der Mythos vom edlen Wilden. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Und daran haben auch die Touristen der zivilisierten Welt ihren Anteil, die auf Photosafaris zu den indigenen Völkern reisen, die noch in relativer Isolation leben. Das hat zum Beispiel bewirkt, dass der Lippenteller der Frauen bei den Mursi im äußersten Südwesten Äthiopiens noch weiter gewachsen ist. Als Reaktion auf das photographische Interesse. Wer eine größere Lippe hat, bekommt mehr Klicks und mehr Geldscheine. Aber dieser Schattenverkauf berührt die eigentliche Frage nur marginal. Wichtiger ist, dass die Wirklichkeit der indigenen Völker ganz anders aussieht als unsere hehre Vorstellung von ihnen. Und unsere Überzeugung, ihre Lebensweise müsse auf jeden Fall bewahrt werden. Ist das wirklich so wünschenswert? Die Lebenserwartung bei den indigenen Völkern ist aufgrund schlechter Hygiene meistens niedrig, Hexenglauben und Gewalt sind an der Tagesordnung, Freundschaften sind zweckorientiert, Nahrungsmitteltabus führen zu schlechter Ernährung, religiöse Vorstellungen zu unnötigen Ängsten, die Sexualität ist reglementierter als in westlichen Gesellschaften. Und auch mit der Umwelt gehen die sogenannten Naturvölker nicht immer schonend um. Die Maori verbrannten anfangs des 14. Jahrhunderts fast den gesamten Wald Neuseelands. Bei vielen Naturvölkern hat Gewalt einen hohen Stellenwert. Bei manchen Gruppen im Omo-Tal in Äthiopien muss ein Mann einen anderen Mann getötet haben, um überhaupt heiratsfähig zu sein, bei den Hamar werden alle Frauen zur Initiation ausgepeitscht, bei dem Volk der Arbore werden den Mädchen die mittleren unteren Schneidezähne aus dem Kiefer gebrochen. Ganz zu schweigen von der allgegenwärtigen Verstümmelung der Vulva, mit Rasierklinge oder Küchenmesser von medizinisch ahnungslosen Laien durchgeführt. Ethnologen erklären solche Praktiken mit der inneren Logik dieser Gesellschaften: Die Altentötung oder Aussetzung der Alten bei den Kalahari diene dem Überleben der Gruppe. Aber muss man das deshalb gut finden? Jedenfalls gibt es keinen Grund, Naturvölker zu idealisieren. Auch wenn bei ihnen die Kinder autonomer aufwachsen als bei uns, auch wenn hier niemand einsam ist, auch die Alten nicht, auch wenn immer jemand für einen da ist. Weber, Christian: „Dschungelmärchen“, in: Süddeutsche Zeitung 239/2016: 36-37)

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Des Pudels Kern

Wir wünschen jemanden zum Teufel, wir geraten in Teufels Küche, wir malen den Teufel an die Wand (oder bitten vielmehr andere, es nicht zu tun), wir sprechen von einem Teufelskerl, aber auch von einem armen Teufel, aber auch von einem Satansbraten, wir sagen, dass jemanden der Teufel reitet und der Teufel ist los und wir verteufeln jemanden. Der Teufel hat die Phantasie des Menschen angeregt (und Ängste geschürt), und das hat sich in der Sprache niedergeschlagen, auch in den vielen Namen, die wir ihm gegeben haben: Teufel, Satan, Luzifer, Beelzebub, Mephistopheles und Euphemismen wie Gottseibeiuns. In der Botanik gibt es die Teufelskralle, die Teufelsbeere,  die Teufelsmilch, den Teufelsbart, die Teufelskirsche, und in der Zoologie die Teufelsnadel (eine Libelle), die Teufelsklaue (eine Schnecke), die Teufelsblume (eine Heuschrecke), die Teufelskatze (die Raupe des Feuchtspinners) und den Teufelsrochen.

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Rauchzeichen

Anhand des Rauchens kann man eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts schreiben. Um 1900 waren Zigaretten, Zigarren und Pfeifen den oberen Schichten vorbehalten, und zwar fast ausschließlich den Männern. Der 1. Weltkrieg brachte dann eine Demokratisierung des Rauchens, allerdings nur unter den Männern. Im Dritten Reich befand sich der Tabakkonsum auf dem Rückzug, denn die Nazis fürchteten Schaden am Volkskörper durch den Tabakkonsum. Nach dem 2. Weltkrieg begannen dann auch die Frauen zu rauchen. Rauchen war Mode, es wurde überall und ständig geraucht, und niemand beklagte sich. Der Verbrauch pro Person und Jahr stieg auf über 2.000 Zigaretten. Dann ging es im Zuge  der Gesundheitsbewegung langsam bergab mit dem Rauchen. Heute ist der Verbrauch auf unter 1.000 Zigaretten pro Person und Jahr gesunken. Und es gibt eine deutliche soziale Komponente: Jugendliche rauchen immer weniger, der Tabak ist einfach nicht mehr in, und Gymnasiasten und Studenten rauchen weniger als Hauptschüler und Realschüler. Der Tabak wird zu einem Privileg der Armen.

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Nero (3)

Neun Millionen Euro beträgt die Versicherungssumme für die Nero-Statue aus dem Louvre, die den jungen Nero zeigt. Er trägt eine Knabentoga. Die Toga zu tragen war ein Privileg. Die Knabentoga wurde mit 14 gegen die Toga der Erwachsenen getauscht. Nero wurde schon mit 13 für volljährig erklärt. Nero hält eine Schriftrolle in der Hand, als Zeichen von Bildung, und hat um den Hals ein Schutzamulett, Zeichen des Freigeborenen. Für das Amulett gab es eine Schatulle. Davon wird ein Exemplar neben der Skulptur gezeigt. Das Obergewand hat noch Farbreste, Purpur, auch ein Zeichen von Klasse. Nicht nur wegen der Versicherungssumme ist diese Skulptur eins der meistbeachteten Ausstellungsstücke.

Im gleichen Raum der Kopf einer Statue von Agrippina, der Mutter Neros, einer schönen Frau mit kunstvoll geflochtenem Haar und schönen, großen Augen. Man traut ihr die Ungeheuerlichkeiten, die ihr nachgesagt werden, gar nicht zu. Jedenfalls tat sie alles dafür, dass Nero Kaiser wurde. Sie heiratete ihren Onkel Claudius, den Kaiser. Dann sorgte sie dafür, dass Nero mit Octavia verheiratet wurde, der Tochter Claudius‘. Dafür musste die zuerst von einer anderen Familie adoptiert werden, um das Verbot der Geschwisterehe zu umgehen. Außerdem musste eine bereits bestehende Verlobung Octavias aufgehoben worden. Dazu wurde der Verlobte des Inzests beschuldigt. Schließlich sorgte sie dafür, dass Nero Vorzug gegenüber Britannicus bekam, dem Sohn Claudius‘. Das Verhältnis zu Britannicus blieb kompliziert, gespannt. Nero entstammte also einer Patchworkfamilie. Sein Vater, Ahenobarbus, ‚Bronzebart‘, war gestorben, als Nero zwei Jahre alt war.

Die Geburt Neros fiel genau mit dem Sonnenaufgang zusammen. Das wurde merkwürdigerweise als schlechtes Omen angesehen, jedenfalls von den späteren Schriftstellern, die das Urteil über ihn längst gesprochen hatten. Ebenso wurde seine Steißgeburt als schlechtes Omen gewertet. Man komme mit dem Kopf zuerst auf die Welt, befand man. Mit den Füßen zuerst trete man den Weg ins Jenseits an.

Schon früh wurde dafür gesorgt, dass Nero in Position gebracht wurde, was die Thronfolge angeht. Man sieht hier Münzen, auf denen sein Portrait mit dem Titel Princeps Iuventutis erscheint. Das war so etwas wie die Pole-Position für das Kaiseramt. Damit Nero Kaiser werden konnte, musste allerdings erst Claudius von der Bühne abtreten. Dafür sorgte, wie es hieß, eine Pilzvergiftung. Und die kam Agrippina und ihren Plänen so entgegen, dass die Mutmaßungen über einen Giftmord verständlich sind.

Tatsächlich wurde Nero mit 16 Jahren Kaiser! Er war der 5. und letzte Kaiser der julisch-claudischen Dynastie. Danach folgten die Soldatenkaiser. Auf einem Relief sieht man, wie Agrippina, mit dem Füllhorn ausgestattet, Nero krönt. Das war zwar nicht wörtlich wahr, wohl aber im symbolischen Sinn. Sie setzte alles daran, dass er Kaiser werden würde. An den Münzen ist abzulesen, wie sich das Verhältnis zu Agrippina im Laufe der Jahre veränderte: Auf den frühen Münzen erscheinen beide im Portrait, gleichberechtigt, einander ansehen, dann erscheinen beide im Profil, Agrippina halb von Nero verdeckt, und dann erscheint Nero alleine.

Die ersten fünf Jahre von Neros Amtszeit, das Quinquennium Neronis, galten als goldene Zeit. Aus dieser Zeit stammt ein Wandgemälde aus Pompeji, eins der bemerkenswertesten Exponate der Ausstellung. Man sieht den Ausschnitt einer Stadtlandschaft, mit einem hölzernen Kiosk, einem Gebäude mit Zeltdach, Bäumen und dem Amphitheater im Zentrum. Zum Amphitheater führen zwei große Freitreppen hinauf, und zwar direkt auf die höchsten Ränge. Im Amphitheater wird noch gekämpft, aber außerhalb sieht man Hooligans, die sich die Köpfe einschlagen. Genau das war passiert nach einem Spiel zwischen Pompeji und dem Nachbarort Nuceria. Es war zu blutigen Krawallen gekommen. Nero schritt ein und verbot die Spiele für zehn Jahre.

Dann geht es um Neros erste Residenz, den Palast auf dem Palatin, den er hatte ausbauen lassen und der sich bis zum Esquilin hinstreckte. Man sieht ein Stück der bunten Marmorverkleidung des Palastes, mit sehr schönen, geometrischen Figuren, die sich manchmal zu floralen Motiven zusammenfügen.

Dieser Palast, Domus Transitoria, wurde bei dem berühmten Brand von 64 vollständig zerstört. Brände waren in Rom an der Tagesordnung, aber diesmal waren die Windverhältnisse ungünstig, und der Brand war nicht in einem Privathaus, sondern im Circus Maximus ausgebrochen. Und schließlich war Wasser aus der öffentlichen Wasserleitung abgezweigt worden! Von den 14 römischen Stadtbezirken blieben nur 4 verschont, 3 wurden völlig zerstört. Schon seit Augustus gab es eine gut ausgerüstete Feuerwehr, 7000 Mann stark! Dazu sieht man hier wunderbare Exponate: einen Löscheimer aus Bronze, eine Axt aus Eisen, einen hydraulischen Pumpe aus Bronze, die einzige aus der Zeit erhaltene. Dazu gibt es verrußte Keramikteile und ein völlig verzogenes Eisengitter, Teil eines Eisentors. Unglaublich, dass sich so etwas erhalten hat!

Neros Krisenmanagement war vorbildlich. Einige Maßnahmen werden in der  Ausstellung auf Münzen dargestellt: Senkung der Getreidepreise, Verteilung von Geldmitteln, Wiederaufbau des Vesta-Tempels auf eigene Kosten. Vor allem aber traf er Maßnahmen zur Vorbeugung, alles sehr modern: Die erlaubte Häuserhöhe wurde verringert, die Häuser durften keine gemeinsamen Wände mehr haben, der Anteil von Holz bei den Häusern wurde verringert, verbindliche Löschmittel wurden festgelegt. Außerdem wurden die Wasserleitungen verbessert. Man sieht hier ein Wasserrohr aus Blei, auf dem der Name Nero zu sehen ist, und ein Steinquader, auf dem das erneuerte Aquädukt zu sehen ist. Nero traf Vorrichtungen, die verhindern sollten, dass Wasser für Privatzwecke abgezapft werden konnten.

Anstelle der Domus Transitoria errichtete Nero sich die noch prächtigere Domus Aurea, sehr zum Schaden seines Nachruhms. Deren luxuriöser, achteckiger  Festsaal ist hier nachgeahmt. An der Decke bewegliche Elfenbeinplatten, die das Himmelsgewölbe darstellen. Durch Löcher in den Platten konnten Rosenblätter auf den Boden geweht oder angenehme Aromen ausgeschüttet werden.

In der Mitte des Raumes steht ein rätselhafter Globus, wohl der älteste seiner Art. Er ist aus Messing und zeigt 48 Sternbilder. Was der allerdings mit der Domus Aurea zu tun hat und wo in dem Globus die Erde, vermutlich als Scheibe, versteckt ist, wird nicht klar.

Die Auffindung der Fresken in der Domus Aurea am Beginn der Neuzeit gab der Kunstgeschichte ein neues Wort: Die Fresken, die sich in der Kellern, in den „Grotten“ des Hauses befanden, hießen fortan Grotesken. Das hat nichts mit grotesk zu tun.

Im Eingangsbereich der Domus Aurea stand die sagenumwobenen Kolossalstatue Neros, von der das später auf diesem Gelände entstandenen Kolosseum seinen Namen erhielt. Von der Statue ist so gut wie nichts übrig, aber man kennt sie durch Abbildungen auf Gemmen und Kameen. Die Statue war 35 m hoch, aus Bronze, und Nero engagierte den berühmten Bronzegießer Zenodoros für ihre Herstellung. Hier sieht man eine Kopie im Kleinformat, mit dem Gerüst der Bauarbeiter als Maßstab an der Seite. Nachdem Nero in Ungnade gefallen war, entfernte man seine markanten Gesichtszüge und verehrte die Statue als die des Sonnengottes.

Unter dem Titel in Saus und Braus gibt es Exponate zu den Festmählern. Die spielten bei Nero eine große Rolle. Auf einer Wandmalerei aus Pompeji sieht man ein Trinkgelage, das nach einem Gastmahl stattfand. Sklaven bewirten die Gäste, ein Sklave zieht einem gerade eingetroffenen Gast die Schuhe aus, ein anderer hilft einem Betrunkenen auf die Beine!

Dann sieht man ein bauchiges, blaues Glasgefäß, ein Gefäß, in dem der Wein mit Wasser und Gewürzen gemischt wird. Es ist das größte erhaltene seiner Art. Nero selbst war begeisterter Weintrinker. Er bevorzugte Falerner Wein, Wein aus Kampanien.

Als Imitat sieht man Ess- und Trinkgeschirr aus Silber. Daneben ein Tischchen mit drei Füßen, auch aus Silber, das zusammenklappbar ist.

Auf einem Mosaik sieht man einige der beliebtesten Speisen der Zeit: grüner Spargel, Geflügel, Meerestiere, Datteln. Zu den beliebten Vorspeisen gehörten auch Siebenschläfer. Die wurden mit Honig und Mohn gegessen. Ein wirklich ungewöhnliches Ausstellungsstück ist ein großes Keramikgefäß, das zur Aufzucht der Siebenschläfer diente, mit Schalen und Griffen an den Innenwänden.

Nero war passionierter Anhänger von Musik und Theater. Er trat selbst auf der Bühne auf und spielte die Kithara. In dem Raum, der sich diesem Thema widmet, sieht man Theatermasken. Die Originalmasken waren aus Leder, Stoff oder Holz und sind nicht erhalten, wohl aber Nachahmungen aus Gips, die als Dekorationselemente verwendet wurden. Alle Masken sind sehr expressiv. Alle Schauspieler trugen Masken.

Auch originale Musikinstrumente sind zu sehen, Teile einer Wasserorgel, zwei Flöten, eine aus Bronze und Bein, eine aus Silber und Bein, und vor allem eine riesiges, rundes Horn, mit einer großen Schallöffnung am Ende. Auf einem Mosaik sieht man, wie ein Musiker das Horn spielt. Zwei Statuetten zeigen Flötenspieler, einer davon mit einer Doppelflöte.

Am Ende des Raumes in einer gesonderten Vitrine eine Kalksteinsäule mit einer Inschrift, eine Grabstele, die den ältesten komplett erhaltenes profanen Liedtext enthält, mit griechischen Buchstaben. Über dem Text finden sich Symbole, Buchstaben und Striche, die die Melodie wiedergeben.

Nero hatte ein großes Faible für Griechenland. Er reiste 66 mit großem Gefolge dorthin. Dabei machte er den ersten Spatenstich zum Bau des Kanals von Korinth. Dazu ist hier eine etwas verzogene, ursprünglich vergoldete Schaufelhacke zu sehen, mit der dieser erste Spatenstich gemacht worden sein soll. Nach Neros Tod wurde das Projekt wieder aufgegeben.

Nero nahm auch an allen möglichen Spielen teil und gewann eine Unzahl von Preisen. Die Termine der Spiele mussten seinetwegen verlegt werden. Zu den Spielen sieht man hier eine hochinteressante Grabstele, die eines Sportlers, der bei acht verschiedenen Spielen Kränze gewann. Solche Kränze sind auf der Stele abgebildet: ein Lorbeerkranz aus  Delphi, ein Kranz aus Olivenblättern aus Olympia, ein Kranz aus Schilf aus Actium, ein Kranz aus Getreideähren aus Neapel, ein Kranz aus Eichenlaub aus Smyrna usw.

Nero gewährte, als er in Griechenland war, den Griechen die Freiheit, und das beinhaltete auch Steuerfreiheit, eine Maßnahme, die in Rom für viel böses Blut sorgte. Auf einer Kalksteinplatte ist in dicht gesetzten Buchstaben der gesamte Text der schwülstigen Rede wiedergegeben, die Nero anlässlich der Verleihung der Freiheit im Stadion hielt.

Neros Stern ging immer weiter hinunter. Sein Desinteresse an Politik, Fehlentscheidungen, Mangel an Diplomatie, zahlreiche Verfehlungen brachten ihn die Bredouille. Allerdings war das Sündenregister nicht größer als bei anderen Herrschern, aber ihm wurde es stärker angekreidet.

Verlorene oder verlustreiche Kriege, Aufstände und schließlich die Tötung der beliebten Octavia beschleunigten seinen Niedergang. 68 wurde er vom Senat zum Staatsfeind erklärt. Er entzieht sich der für ihn vorgesehenen grausamen Hinrichtung durch Selbstmord. Allerdings hat er nicht den Mut, den Dolch in die Brust zu führen und muss seinen Begleiter Epaphroditos um Hilfe bitten. Er bekommt kein offizielles Begräbnis. Nur seine beiden Ammen und seine Geliebte Acte begleiten den Toten.

Bald setzte die Damnatio memoriae ein. Sein Name wurde aus Inschriften getilgt, wie man hier an einer Steinplatte sehen kann, oder seine Gesichtszüge wurden verändert, wie man hier anhand einer Büste sehen kann, die eigentlich Nero, dann aber Domitian darstellte. Auch auf Münzen sieht man, wie sein Profil mit Hämmern bearbeitet wurde. Auf einer Münze hat man seine Haartracht entfernt. Kaiser mit Glatze.

(Sonderausstellung im Landesmuseum)

 

 

 

 

 

 

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Nero (2)

Nero folgte seinem Adoptivvater Claudius auf den Thron. Er wurde damit der 5. Römische Kaiser. Er beging schon mit 30 Selbstmord. Mit seinem Tod ging eine  friedliche und für die einfachen Menschen gute Kaiserzeit zu Ende.

Die Ausstellung zeigt nicht den „wahren“ Nero, sondern das – oft verzerrte – Bild, das man sich im Laufe der Jahrhunderte von ihm gemacht hat. Nero war für die Nachwelt einerseits ein lächerlicher Möchtegernkünstler, andererseits der Inbegriff des Bösen.

Einer der Schwerpunkte der Ausstellung ist das Nachleben von Nero auf der Bühne und im Film und im Buch. Gleich zu Anfang gibt es eine beeindruckende Menge von Werbeplakaten für Filme, die Nero zum Gegenstand haben, auch wenn er nicht immer im Titel erscheint: Mio figlio Nerone, The History of Mankind, Le calde notte di Popea. Auch einer der ersten Filme überhaupt, ein Film, der nur eine Länge von einer Minute hat, hatte Nero zum Thema. Es gibt sogar ein Brettspiel, das Nero heißt. Und dann gibt es natürlich Quo vadis? Das Buch, für das Sienkiewics den Nobelpreis bekam, gibt es hier in verschiedenen Ausgaben. Und Szenen aus dem Film mit Peter Ustinov. Der Film verbindet die legendäre Begegnung von Jesus und Petrus („Quo vadis, domine?“) mit Motiven der Christenverfolgung. Viele der Filme sind billige Machwerke, aber es gab auch schon in den fünfziger Jahren Filme, die sich kritisch mit dem eigenen Thema auseinandersetzten.

Das negative Image geht schon auf die ersten Biographen zurück. Der Mord an Britannicus, der Selbstmord Senecas, die Hinrichtung der Christen, der Brand Roms standen im Vordergrund. Flavius Josephus machte es sich zur Aufgabe, diese Vorstellung zu relativieren, aber das wirkte nicht nach. Die allererste Beschreibung Neros stammt von Sueton. Demnach war Nero eher schön als fein, hatte einen feisten Nacken und einen Schmerbauch. Die Beschreibung entstand aber erst spät nach Neros Tod.

Mittelalterliche Auslegungen nahmen antike Quellen als Ausgangpunkt und schmückten sie nach Belieben aus. Nero wird vor allem als Lüstling dargestellt. Er soll Sex mit der Mutter und der Schwester gehabt und einen Mann zur Frau gehabt haben.

In einem Tarotspiel sieht man eine Karte, auf der Nero beim Brand von Rom ein Kind in die Flammen wirft. Nero war, als der Brand ausbrach, allerdings gar nicht in Rom. Er hielt sich auf seinem Landsitz in Antium auf. Der Brand vernichtete ein Drittel Roms. Nero kam sofort zu Hilfe, öffnete seine Privatgärten als Notunterkünfte, ließ Lebensmittel herbeischaffen. Und sein eigener Palast wurde zerstört. Allerdings ließ er dann die noch viel größere und prächtigere Domus Aurea errichten (von deren Kolossalstatue das Kolosseum seinen Namen hat), und das brachte ihn in den Verdacht, von dem Brand profitiert zu haben.

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit galt Nero einfach als Ungeheuer. In der Apokalypse des Beato de Liébana erscheint er als apokalyptischer Tyrann. In der Weltchronik des Jans Jansen wird ein Thema aus der Geheimen Offenbarung aufgenommen, in der von der Geburt einer Kröte die Rede ist. Aus der Chronik wird  ein Bild in hellen Farben gezeigt, das Nero liegend darstellt, mit einer kindlich wirkenden Krone auf dem Kopf. Zu seinen Füßen ein Bottich mit der Kröte. Der Legende nach hatte Nero versucht, schwanger zu werden und ein Kind zu gebären, um seine Göttlichkeit unter Beweis zu stellen, denn nur den Göttern war es vergönnt, das Geschlecht zu wechseln. Das sahen die Christen als Sakrileg an, als  Verstoß gegen die gottgewollte Ordnung. Die Legende wurde etymologisch untermauert, indem man unterstellte, das Wort Laterana basiere auf dem Wort für ‚Kröte‘. Die Kröte stand gleich für drei Todsünden: Habsucht, Hochmut, Wollust.

Seinen Durchbruch als Thema schaffte Nero in der frühen Neuzeit. Aus dieser Zeit sind Kupferstiche, Federzeichnungen, Radierungen vertreten. Nero, ziemlich realistisch dargestellt, nach dem Vorbild der Darstellung auf antiken Münzen, mit zusammengebissenen Lippen, vorgeschobenem Kinn, Hakennase, angestrengter Mimik. Auch ein Stuckwerk von der Rathauslinde in Köln zeigt ihn so.

Claudius hatte Neros Mutter Agrippina geheiratet und ihn als Adoptivsohn angenommen. Sein ärgster Konkurrent war Britannicus, der Sohn Claudius‘. Der soll von Nero vergiftet worden sein. Dazu gibt es hier ein wunderbares, großformatiges Ölgemälde von Sylvestre, in dem das Gift an einem Sklaven ausprobiert wird. Der Sklave windet sich unter den Augen Neros und der Giftmischerin Locusta am Boden, im Todeskampf. Locusta, dunkelhäutig, mit Zopf und Ohrringen, an eine Zigeunerin erinnernd, stützt einen Arm vertraulich auf das Bein Neros. Das Gift gegen Britannicus soll bei einem Festessen eingesetzt worden sein. Allerdings ignoriert die Legende, dass es damals noch gar kein so schnell wirkendes und unauffälliges Gift gab!

Nero nahm sich das Leben, indem er sich einen Dolch in die Kehle stieß. Das wird hier auf einem dramatischen Ölgemälde dargestellt. Ein ganzes Bündel von Menschen stürzt sich auf ihn wie Ringer, um ihn vom Selbstmord abzuhalten. Historisch, sagt man, sei er eher zum Selbstmord angestiftet worden.

Ein verwandtes Motiv ist der Selbstmord Senecas. Seneca wurde als Erzieher Neros von Agrippina an den Hof geholt. Verzicht und Askese waren seine Leitmotive. Selbst war er aber einer der reichsten Männer Roms. Seneca soll von Nero zum Selbstmord angestiftet worden sein. Der Selbstmord wird auf einem Ölgemälde von Honthorst (XVII) in dramatischem Chiaroscuro dargestellt. Ein Arzt schlitzt mit einem Messer die Venen Senecas auf, ein anderer reicht ihm den Schierlingsbecher. Aus den Armen läuft Blut. Senecas Füße ruhen in einer Schüssel mit Wasser. Das soll den Prozess beschleunigen. Seneca, mit entblößter Brust und gepflegtem Bart, hat eine würdige Haltung. Das Licht, dessen Quelle nicht sichtbar ist, aber das Teile des Bildes stark erhellt und schwere Schatten wirft, fällt auf ihn.

Dasselbe Motiv erscheint auf einem anderen Ölgemälde. Altomonte, der Maler, verlegt die Szene ins Freie! Hier ist Nero bei dem Selbstmord Senecas präsent, in einer Sänfte sitzend, auf der linken Seite des Gemäldes. Seneca erscheint auf der rechten Seite. Farblich sind die beiden Bildhälften voneinander abgesetzt. Links dominieren Braun und Rot, rechts dominieren Grün und Weiß. Die Gesten der Beteiligten sind manieriert, trotz des dramatischen Ereignisses.

Ein besonders schönes Gemälde hat den Brand von Rom zum Thema. Das Gemälde, von Hubert Robert, dem „Ruinenmaler“, zeigt das nächtliche brennende Rom im Hintergrund, aus der Ferne durch einen erhöhten Arkadengang betrachtet. Die roten Flammen heben sich von dem dunklen Hintergrund ab und haben ihre eigene Schönheit. Bei einem solchen Gemälde erfährt der Betrachter, laut Burke, das „Erhabene“, das „Sublime“, ein wonnevolles Grauen angesichts der Darstellung von Gefahr oder Schmerz.

Eine interessante Geschichte hat eine Gipsfigur von Emilio Gallori (XIX), die Nero in Frauenkleidern darstellt, mit männlichen Gesichtszügen, aber weiblicher Pose. Sie erregte Unmut und wurde von der Wiener Weltausstellung ausgeschlossen, unter dem Vorwand, es handele sich um eine Gipsfigur und es würden nur Marmorfiguren akzeptiert. Bis heute ist schwer zu entscheiden, was die Figur eigentlich darstellt. Ist es Nero auf der Bühne? Man weiß, dass Nero mehrmals auch in Frauenrollen auftrat. Oder ist es eine Anspielung auf seine Hochzeiten? Er vermählte sich zweimal mit freigelassenen Sklaven, Sporus und Pythagoras. In einem Fall übernahm er die Rolle des Bräutigams, in dem anderen die der Braut.

Eine Bronzefigur (der Abguss eines Originals, das ebenfalls aus Gips war) zeigt Nero mit Seneca. Seneca hat eine Schriftrolle auf dem Schoß. Er weist mit einem Finger darauf. Nero sitzt ihm gegenüber, lässig zurückgelehnt, eher gelangweilt. Seneca macht dagegen einen konzentrierten, engagierten Eindruck. Hinter ihm steht eine Trommel, die weitere Schriftrollen enthält.

Im oberen Stockwerk ist das goldbestickte Seidengewand der Kaiserin Kunigunde (Reproduktion) mit Szenen aus der Petrus-Vita zu sehen. Hier sieht man, wie Nero von Wölfen gerissen wird. Der christlichen Legende zufolge hatte er aus Rom flüchten müssen und war in den Wald geraten, nachdem es einen Aufstand gegeben hatte wegen der Hinrichtung von Petrus und Paulus.

Auf einem kleinformatigen Bild wird dargestellt, wie Sporus auf Befehl Neros entmannt wird. Er hatte Sporus in Frauenkleider gesteckt und nach Frauenart geschmückt. Dies gehört zu den historisch nicht nachgewiesenen Grausamkeiten Neros. Historisch verbürgt sind die Ermordungen von Agrippina, seiner Mutter, und von Octavia, seiner ersten Ehefrau. Die soll auf Betreiben seiner damaligen Geliebten Poppea getötet worden sein. Auf einem Gemälde wird dargestellt, wie dem im Halbdunkel auf einer Bank sitzenden Paar das Haupt der getöteten Octavia auf einem Tablett präsentiert wird, eine Szene, die an die Geschichte um Salome erinnert.

Historisch nicht verbürgt ist die Tötung von Poppea, Neros zweiter Ehefrau. Sie ist hier mit einem sehr schönen Portrait vertreten, mit feinen Gesichtszügen und einem hauchdünnen, weißen Schleier, der ihr vom Kopf über die Schulter fällt. Nero soll sie durch einen Fußtritt in den Unterleib während ihrer Schwangerschaft getötet haben. Heute geht man eher von Schwangerschaftskomplikationen als Grund für ihren Tod aus.

In einem Kupferstich (XVI) sieht man Messalina, Neros dritte Frau. Mit ihr reiste er nach Griechenland, zu den Olympischen Spielen. Sie hatte keine so große Nachwirkung wie Poppea, seine zweite Frau.

Aus dem Rahmen fällt ein Gemälde von Smirnow, einem russischen Maler, das den Tod Neros schildert. Nero liegt auf dem gepflasterten Boden, wohl im Freien, vor einer Marmorstufe. Blut läuft aus seinem Kopf. Er ist nicht als Kaiser kenntlich gemacht. Hinter ihm, auf einem Gehweg, sind zwei Frauen mit einer Trage zu sehen, mit verzierten Griffen. Sie sind gekommen, um den Toten zu bestatten. Im Zentrum des Gemäldes steht seine letzte Geliebte, eine befreite Sklavin, die einzige, die ihm die Treue gehalten hat. Sie trägt Ohrringe und einen Schleier und blickt sinnierend auf den toten Nero.

Dieses Gemälde gehört noch in die letzte Phase des Nero-Booms, den es im 19. Jahrhundert gab, parallel zur Historienmalerei der Epoche. Im 18. Jahrhundert war Nero ins Abseits geraten. Davor gab es seit der Renaissance Dramen über Nero, meist mit zeitgenössischem Bezug. Von zentraler Bedeutung was Britannicus von Racine. Die Aufführungspraxis änderte sich im Laufe der Zeit, u.a. durch die Einführung historischer Kostüme statt zeitgenössischer Kostüme, und auch das Bild von Nero änderte sich. Führende französische Schauspieler traten in dem Stück auf, darunter Talma, den man hier als nachdenklichen Nero mit Lorbeerkranz in antikem Kostüm auf einem Gemälde von Delacroix sieht. Die Darstellung erinnert auch an Napoleon, den Talma verehrte.

In der Oper war Nero vor allem in Italien von Bedeutung, in Dramen vor allem in England und Frankreich. Liebesgeschichten und Hofintrigen standen im Vordergrund. Auf einem Ölgemälde sieht man das aufwändige Bühnenbild der Oper Nero von Mascagni, in der es um Nero als Künstler ging. Eine riesige Palastanlage, in der ein römisches Gelage stattfindet, bildet den Vordergrund. Im Hintergrund läuft auf einer erhöhten Bühne eine Szene aus der Oper, vor einer reichen, bunten Kulisse mit klassischen Säulen. Auf der Bühne sind fast so viele Figuren vertreten wie bei dem Gelage. Musikalisch wurde das Thema auch von Händel, Monteverdi und Boito behandelt. Aus Händels Oper sieht man hier einen Teil der Partitur.

Die einzig komische Variante ist Quo vadis?, eine Zarzuela von Chapí, Sie handelt von einem Arbeitslosen, der durch ein magisches Brötchen eine Zeitreise antritt, auf der er Nero, dem Cid und dem Emir von Cordoba begegnet.

Eine ganz exzentrische Behandlung des Themas stammt von vier russischen Künstlern, darunter Malevich. Die Besonderheiten der Oper waren eine unverständliche Handlung, gewolltes Falschsingen, nicht gestimmte Instrumente und dadaistische Texte. Die Oper hieß Sieg über die Sonne. Sie erlebte nur zwei Aufführungen.

Am Schluss der Ausstellung gibt es noch moderne Karikaturen zu Nero. Immer wird das Motiv des leierspielenden Nero vor dem brennenden Rom aufgenommen, eine weltweit bekannte Ikone. Als Nero erscheinen in den Karikaturen heutige Berühmtheiten wie Berlusconi, Bush oder Blatter. (Sonderausstellung im Stadtmuseum Trier)

 

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Nero (1)

Ein verstörendes Exponat findet sich mitten in der Ausstellung. Es ist eine in Kalkputz geritzte Darstellung der Kreuzigung, eine der ältesten überhaupt. Aber sie stammt nicht von den Christen! Es ist eine Spottzeichnung. Christus wird mit dem Kopf eines Esels dargestellt! Für die „heidnischen“ Römer war der Esel ein verachtenswertes Tier, die Kreuzigung die schändlichste aller Hinrichtungsarten, etwas für Schwerverbrecher und Sklaven.

Den Römern muss das Christentum befremdlich erschienen sein. Das Gebot der Nächstenliebe wirkte wie eine Aufforderung zu sexueller Ausschweifung, die Eucharistie wie Kannibalismus.

Das bringt einen zu Petrus und Paulus. Sie wurden vermutlich unter Nero hingerichtet, aber ob im Zusammenhang mit dem Brand Roms oder nicht, ist unklar. Petrus wurde, auf eigenen Wunsch, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt. Für Paulus kam eine Kreuzigung nicht in Frage. Er war römischer Bürger und hatte „etwas Besseres“ verdient. Er wurde enthauptet.

Ganz zu Beginn der Ausstellung sieht man (in Kopie) ein riesiges Ölgemälde eines polnischen Künstlers. Es zeigt, wie Nero auf einer Sänfte zu einer Hinrichtung  getragen wird. Christen, die Brandstifter, werden getötet, sie werden verbrannt! Warum ein polnischer Künstler? Die Polen identifizierten sich nach der Teilung Polens mit den unter Nero hingerichteten Christen!

Ein weiteres ganz besonderes Exponat ist das Mindener Kreuz. Auf der Vorderseite ist im Zentrum eine Kamee mit dem Profil eines Kaisers. Es ist Nero! Wie kommt Nero auf ein christliches Kreuz? Man wusste nicht, dass es Nero war, man glaubte, es wäre Karl der Große, und der war der Gründer des Mindener Doms! Auf der Rückseite, dort, wo auf der Vorderseite Nero ist, befindet sich ein Kreuz. Nero, der vermeintliche Christenverfolger, auf einem christlichen Kreuz! Vermutlich stammt die Kamee von einem Vorgängerkreuz. An der Vorderseite sind an den vier Kreuzesenden die vier Evangelisten zu sehen, auf der Rückseite die vier Kirchenväter.

In einem Kupferstich sieht man Christen als menschliche Flammen. Es kursierte das Gerücht, Nero habe sie zur Beleuchtung Roms aufgestellt. Trotz der Ablehnung der Christen durch die Römer waren solche Gerüchte dazu angetan, Mitleid mit den Christen zu erwecken.

In einem Blatt der Trierer Apokalypse, noch ganz in der antiken Tradition stehend, erscheint die Hure Babylon, voll vom Blut der Märtyrer, in der Gesellschaft von Sieben Königen, Königen, die sich ihr unterworfen haben. Dies ist eine Referenz auf einen Auszug aus der Geheimen Offenbarung. In der christlichen Tradition wurde die Hure oft mit Nero identifiziert, auch das aus dem Meer aufsteigendem Untier und die Zahl 666 wurden mit Nero identifiziert. Nero war der Antichrist.

Im Zentrum der Ausstellung stehen Exponate zur christlichen, zur jüdischen und zur römischen Religion.

Die römische Religion war eine Opferreligion. Auf den Glauben kam es nicht an, auch nicht auf den Lebenswandel. Im Grunde war die römische Religion eine tolerante Religion, die allerdings Blutopfer und Kaiserkult einforderte.

Der Opferaltar stand vor dem Tempel, im Tempel stand das Kultbild der Gottheit. Neben Tieren wurden auch Statuetten, Blumen und Münzen geopfert. Es gab Altäre ohne Tempel, aber keine Tempel ohne Altäre.

Bei Tieropfern wurde das Tier vor dem Opfer mit einem Hammer betäubt. Das sieht man hier auf einem wunderbaren Gemälde, auf dem neben dem Opferstier ein Mann mit erhobenem, langstieligem Hammer steht.

Für die Münzopfer gab es auch besondere Vorrichtungen, wie hier an der Figur einer Tyche zu sehen, die einen Schlitz zwischen den Händen hat, in dem man die Münzen warf. Das war der Vorläufer des christlichen Opferstocks und des kapitalistischen Sparschweins.

Die Toleranz der römischen Religion zeigt sich auch in den verschiedenen Mischformen und im Import fremder Götter. Dazu gehörten Kybele und Isis. Einheimische Götter wurden mit römischen vermischt oder verbreiteten sich unter anderen Vorzeichen. Hier sieht man ein Relief der keltischen Göttin Epona, auf einem Pferd sitzend, mit einer Schale mit Früchten in der Hand. Sie war eine Göttin der Fruchtbarkeit, wurde dann aber im ganzen Reich verehrt, bis nach Afrika, aber als Heeresgöttin!

Ein besonderes interkulturelles Paar bildeten Rosmerta und Merkur. Der wurde in den Provinzen mehr als jeder andere Gott verehrt. Sein typisches Attribut ist der Caduceus, ein Stab mit zwei Flügeln und zwei Schlangen. Oft erscheint er in der Gesellschaft von Rosmerta, hier vertreten mit einem schönen Bronzekopf (auf dem noch Spuren der Vergoldung zu sehen sind), der vermutlich Teil einer lebensgroßen, verlorengegangenen Statue war. Sie sieht traurig aus, nachdenklich, den Kopf leicht gesenkt. Das Haar ist kunstvoll geflochten und hat vorne eine Schleife. Die Statue wurde in einem Merkurgrab gefunden.

Im Zentrum der römischen Religion stand die Kapitolinische Trias, Jupiter zwischen Minerva und Juno, in der Ausstellung durch eine Kalksteinstatue vertreten. Obwohl nicht ganz erhalten, kann man deutlich den Unterschied zwischen den beiden Göttinnen sehen, und es kommt mir so vor, als seien hier zwei Seiten der Weiblichkeit dargestellt.

Neben den offiziellen Göttern gab es private Götter, Laren, Penaten und Genien, Schutzgötter, die oft auf die individuelle Familie zugeschnitten waren oder auf eine Gemeinschaft. Man konnte sie sich sozusagen aussuchen. Auch hier steht das Christentum mit seinen Heiligen, aus denen man sich auch seine Favoriten aussuchen konnte, in der heidnischen Tradition. Auch der Opferaltar einer römischen Familie, der hier nachgebildet ist, lässt schon die christlichen Hausaltäre erahnen.

Unter byzantinischem Einfluss kam später auch die Verehrung des Kaisers als Gott nach Rom. Auf einem Kalkstein befindet sich eine Inschrift, die einen Mann als Priester des Augustus nennt.

Die Juden hatten zunächst eine angesehene Stellung im Römischen Reich. Ihr Einfluss ging bis ins Kaiserhaus. Sie waren von Kaiserkult befreit! Die Christen nicht. Dann gab es die ersten Attacken gegen die stadtrömischen Juden. Es ging ums Geld. Um die Tempelsteuer. Und dann, unter Vespasian, gab es den ersten jüdischen Krieg. Auf einer Kopie sieht man die berühmte Szene auf dem Titus-Bogen, wo Menora und Silberpfeifen aus Jerusalem abtransportiert wurden, mit der brennenden Stadt im Hintergrund.

Juden und Christen waren sich ursprünglich sehr nahe. Dass sie sich dann begannen, voneinander abzusetzen, sieht man hier an Alltagsgegenständen: Eine Öllampe zeigt die Abbildung der Menora.

Die Ähnlichkeit ist auch erkennbar an den Modellen einer Synagoge und einer Kirche, beide aus einer antiken Stadt in Syrien: Beide waren ursprünglich Wohnhäuser und wurden erst später umgewidmet. Beide sehen ähnlich aus. Und sie standen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander.

Die Christen kannten im Gegensatz zu den anderen Religionen keine Blutopfer. Christ wurde man durch die Taufe. Hier ist ein Graffiti ausgestellt, in Liebfrauen gefunden, aus dem alten Dom stammend, das eine Anspielung auf die Taufe enthalten könnte. Aber in den ersten Jahrhunderten gab es noch keine Taufrituale. Das änderte sich dann, und man glaubt, dass die Vorbereitung auf die Taufe bis zu drei Jahre dauern konnte.

Im Gegensatz zum Judentum war im Christentum der Missionsgedanke zentral. Deshalb verbreitete es sich so schnell, von Palästina über Ägypten, Syrien, Kleinasien, Griechenland nach Rom.

Der Missionsgedanke steht auch hinter der (die Chronologie völlig missachtenden) Legende der Aussendung des ersten Trierer Bischofs, Eucharius, durch Petrus. Eucharius und Maternus waren bereits auf dem Rückweg nach Trier, als Maternus unterwegs der Tod ereilte. Eucharius ging zurück nach Rom, bekam von Petrus den Bischofsstab, ging zurück, erweckte Maternus mit dem Bischofsstab wieder zum Leben und ging mit ihm weiter nach Trier. Der Bischofsstab kam nicht nach Rom zurück, und deshalb trägt bis heute der Papst keinen Bischofsstab! Der Stab war ursprünglich vermutlich ein antiker Senatorenstab. Nach einigen Verwicklungen wurde er in drei Teile geteilt, von denen einer in Prag, einer in Köln, einer in Limburg (früher Trier) ist. Der Limburger Stab gehört zur Ausstellung, ist aber jetzt wegen der Einführung des neuen Bischofs von Limburg entfernt worden.

Eine weitere Besonderheit des Christentums war das Märtyrertum. Dazu gibt es hier ein ganz besonderes Ausstellungsstück mit lokalem Bezug. Es ist ein barocker Schrank, ein Schränkchen eher, eine Art Sekretär, der leergeräumt worden ist, um einer Heerschar von Wachsfiguren Platz zu machen, die auf verschiedenen Ebenen drei Szenen darstellen, alle verbunden mit der Thebäischen Legion. Das waren, der Legende zufolge, römische Soldaten aus Nordafrika, die sich zum christlichen Glauben bekannten und in Trier, zusammen mit zahlreichen Trierer Bürgern, den Märtyrertod starben. Ziemlich sicher ist das eine Legende, denn für die Zeit, die Regierungszeit Diokletians, sind keine Christenverfolgungen in Gallien bekannt.

Im oberen Teil, dem Hauptteil, vor der gemalten Stadtansicht von Trier, spielt sich die Szene der Tötungen ab, hochdramatisch ausgestaltet: Ein Soldat erhebt das Schwert, um einen knienden Mann zu enthaupten, ein Soldat schlägt mit einer Axt auf eine liegende Frau im Brokatkleid ein, ein Soldat überrennt mit seinem Pferd eine zu Boden stürzende Frau. Ein Gemetzel. Der genaue Ort des Geschehens ist durch ein Kreuz gekennzeichnet, das noch heute an gleicher Stelle steht, vor St. Paulin.

In der mittleren Ebene wird in merkwürdigem Kontrast dazu die Anbetung des Osterlamms dargestellt, in der unteren Ebene der Abtransport der Leichen. Auf Schubkarren werden Leichen entsorgt; der Boden ist mit Knochen und Körperteilen bestreut.

Unter Nero, und das ist eine der „Lehren“ dieser Ausstellung, gab es, entgegen der landläufigen Vorstellung, keine Christenverfolgung. Die Aktion gegen die Christen wegen des Brands war eine Strafmaßnahme. Die Christen, eine obskure Sekte, von deren Existenz er selbst möglicherweise gar nicht wusste, kamen ihm als Sündenböcke gerade recht. Dabei kamen ihm die allgemeinen Vorurteile gegen die Christen zugute, die sich abgesondert hatten und als Außenseiter oder Staatsfeinde galten. Die wichtigste Quelle für den Brand von Rom ist Tacitus. Er selbst hielt die Christen für eine gefährliche Sekte, aber hielt sie nicht für schuldig an dem Brand.

Die ersten Maßnahmen gegen Christen gab es unter Trajan. Aber es war noch keine systematische Verfolgung. Die Christen blieben unbehelligt, solange sie nicht angeklagt wurden. Nicht der Staat brachte die Anklage vor, sondern einzelne Bürger. So fördert man Denunziantentum. Die Christen brauchten aber, wenn angeklagt, nur das Opferritual vollziehen, dann war alles in Ordnung.

Ein prominentes Opfer der Verfolgung unter Trajan ist der Hl. Ignatius. Er wurde der Legende nach den Löwen vorgeworfen. Auf einer Ikone sieht man ihn, im vollen Bischofsornat und einem Buch in der Hand, von zwei Löwen umgeben, einen zu seinen Füßen, einen auf seiner Schulter. Die Löwen haben merkwürdig menschliche Gesichter.

Die erste systematische, reichsweite Christenverfolgung gab es unter Decius. Sie war politisch bedingt. Die logische Verknüpfung was so: Decius führte Kriege gegen Perser und Germanen. Das verursachte Ebbe in der Staatskasse. Also waren die Götter zornig. Und daran waren die Christen schuld, denn sie opferten den Göttern nicht. Alle mussten vor einer Kommission erscheinen und das Opfer darbringen. Dazu gibt es zwei wundervolle Ausstellungsstücke: Opferbescheinigungen auf Papyrusstreifen. Der Text war vorgefertigt, und es musste nur noch der Name des Christen eingetragen werden. Das klingt alles sehr vertraut, und auf verquere Art modern. Ebenfalls vertraut ist ein anderer Aspekt: Es gab Christen, die sich die Bescheinigung erkauften. Und römische Beamte, die das Spielchen mitmachten.

Ein prominentes Opfer der Verfolgung unter Decius ist die Hl. Agatha. Von ihr gibt es hier eine Terrakotta-Figur, die sich mit entblößter, blutender Brust an einem Marterpfahl darstellt.

Unter Valerius ging es nicht mehr um den Einzelnen, sondern um das Christentum an sich. Es wurde systematisch bekämpft. Zu den Maßnahmen gehörten ein Versammlungsverbot und das Verbot des Betretens christlicher Friedhöfe. Außerdem wurden Christen vom Senatorenamt ausgeschlossen und verloren andere Rechte.

Ein bekannter Märtyrer aus der Zeit des Valerius ist Laurentius. Er ist hier vertreten mit einem Relief aus der Liebfrauenkirche in Trier. Laurentius führt dem Kaiser den geforderten „Schatz der Kirche“ vor. Statt einer Truhe mit Geld bringt er ihm Arme, Kranke und Schwache, den Schatz der Kirche.

Die Verfolgungen endeten mit dem Toleranzedikt von Galerius (311). In Anspielung auf diese Zeit gibt es eine Sandsteinfigur des Eucharius mit einem an einer Kette gefesselten Ungeheuer. Der Symbolcharakter ist nicht zu übersehen.

Und daneben, zum Schluss der Ausstellung, noch mal ein ganz außergewöhnliches Exponat. Dem sieht man seine Bedeutung nicht an. Im Gegenteil, man fragt sich, was das hier zu suchen hat. Es ist das Korso einer ehemals voll ausgebildeten Statue. Die stellte vermutlich Venus dar. Es ist nur noch der abgerundete Rumpf und der irgendwie formlose Unterkörper zu sehen. Man glaubt sich an eine moderne Skulptur erinnert. Wie kam es zu der Beschädigung, die fast eine Form von Zerstörung ist? Es ist eine Form von Ikonoklasmus. Die Statue stand vor St. Matthias in Trier und wurde jahrhundertelang von Pilgern mit Steinen beworfen – als Götzenbild.

(Sonderausstellung im Dommuseum Trier)

 

 

 

 

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Spitz(el)

Ein Spitzel ist, etymologisch gesehen, spitz, und zwar gleich in dreifacher Weise: Ein Spitzel ist spitz im Sinne von ‘listig’ (wie in spitzfindig und Spitzbube), ein Spitzel spitzt die Ohren, ein Spitzel ist wie ein Spitz, d.h. wie ein wachsamer und durch sein Kläffen denunzierender Hund. Das Wort spitz selbst ist abgeleitet aus Spieß, und auch das hat eine Reihe von Wörtern mit verächtlichem Beigeschmack hervorgebracht wie Spießgeselle oder Spießbürger. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 392-398)

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Der Barthasser

Er trage einen Bart wie ein Ziegenbock, sagt er von sich selbst. Dabei könne er doch sein Kinn glatt und zart haben wie die jungen Männer und damit bei den Frauen punkten. Und außerdem sei so ein Bart doch ausgesprochen störend beim Küssen und eine Wohnstatt für die Läuse. Aber damit nicht genug, er habe auch noch eine wilde Mähne auf dem Kopf und Haare auf der Brust. Er sei eben ein Banause, ungehobelt, rau, bäuerisch. Er, der Kaiser, gehe nicht ins Theater und nicht in den Zirkus. Bei ihm sei Schmalhans Küchenmeister, und er habe keine Heizung, selbst im Winter nicht. Damit habe er sich hier, in Antiochia, dieser dynamischen, modernen, prosperierenden Stadt, dieser Perle des Ostens, nur Feinde gemacht. Man verachte ihn wegen seiner Unkultiviertheit. Das schreibt, selbstironisierend, Kaiser Julian, einer der Nachfolger Konstantins auf dem römischen Kaiserthron. Und ironisch, ironischer geht es nicht, ist auch der Titel des Schreibens, mit dem er sich an die Antiochier wendet: MisopogonDer Barthasser. Bei aller Ironie, es ist ihm ernst mit seinem Schreiben, bei aller scheinbaren Selbsterniedrigung, die Verachtung beruht auf Gegenseitigkeit. Die Antiochier, findet Julian, sind oberflächlich und dekadent, sie geben riesige Summen für das Bankett am Maifest aus, aber für die Stadt, für das Gemeinwohl haben sie nichts übrig. Und dann ist da noch ihre Religion. Er, Julian, habe den hier grassierenden Atheismus bekämpft, er habe den wahren Glauben wiederaufleben lassen. Und tatsächlich: Julian ließ niedergerissene Tempel wiederaufbauen und sorgte für die Rückgabe des konfiszierten Tempelguts. Damit machte er das rückgängig, was die „Atheisten“ angerichtet hatten. Diese „Atheisten“, das waren – die Christen! Die waren für Julian die Abweichler, diejenigen, die den alten Götterglauben abgeschafft, die Gebote und Gebräuche der Vorväter missachtet hatten. Diese “Atheisten” rächten sich später an ihm, indem sie ihm den Beinamen verpassten, unter dem er bis heute bekannt ist: Apostata, der ‚Abtrünnige‘. (Julian Apostata: Der Barthasser, herausgegeben und übersetzt von Marion Giebel. Stuttgart: Reclam, 1999)

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Sprachtest

Das älteste Königsgrab der Kathedrale von Krakau ist das von Władysław I., „Władysław Ellenlang“. Der erfand einen Sprachtest zur Identifizierung der ungeliebten Ausländer: Man musste die polnischen Wörter für ‚Linse‘, ‚Rad‘, ‚mahlt‘ und ‚Mühle‘ aussprechen, soczewica, kolo, miele, młyn. Das, so glaubte man, könne kein Ausländer.  Bei der “Sizilianischen Vesper”, der Erhebung gegen die französische Herrschaft des Hauses Anjou, wurden die Feinde dadurch identifiziert, dass sie ciceri aussprechen mussten. Wenn sie das nicht konnten, ging es ihnen an den Kragen. Im Französischen gibt es kein /t∫/. Diese gruselige Art von Sprachtest hat ihren Vorläufer im Alten Testament (Richter 12,5-6). An der Furt des Jordans wurde jeder, der hinüber wollte, aufgefordert shiboleth zu sagen. Wer das nicht konnte, verriet sich als Ephraimit und wurde erschlagen. Die Ephraimiten kannten kein /∫/. Das Wort Schibboleth hat Eingang ins Deutsche und andere europäische Sprachen gefunden, mit der Bedeutung ‘Erkennungszeichen’, ‘Losung’. Mit dem Wort cicero hängt sowohl unsere Entsprechung, Kichererbsen, zusammen als auch der Name Cicero. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 373-374)

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Rabe und Rappe

Bett und Beet, schlaff und schlapp, Reiter und Ritter, Knabe und Knappe, Schneider und Schnitter, Statt und Stätte, feist und fett, Rabe und Rappe bedeuteten ursprünglich – dasselbe. In schweizerischen Bibelausgaben ersetzte man z.B. Luthers Raben durch Rappen. Beide Wörter verbreiteten sich, aus verschiedenen Mundarten kommend, über ein gemeinsames Sprachgebiet, mit derselben Bedeutung. Das sieht man auch an Rappen als Wort für die Schweizer Münze. Der Rappen war ursprünglich eine in Freiburg gepägte Münze mit einem Adlerkopf. Der Adler war aber nicht ohne Weiteres als solcher zu erkennen und wurde vom Volk als Rappen (also als Rabe) verspottet. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 356)

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Kermani Superstar

Alle Welt schwärmt von Kermani. Und er bekommt Preise über Preise. Muss doch gut sein, dachte ich. Was für eine Enttäuschung. Jedenfalls nach Große Liebe zu urteilen. Was für ein Schmarrn! Eine selbstverliebte, inkohärente, kitschige Beschreibung der ersten Liebe, in hundert Kapiteln. Die hundert Kapitel voll zu bekommen, aber auch nicht zu übertreffen ist ständiges Anliegen des Autors. Das teilt er mit dem geplagten Leser. Der muss sich dann immer wieder die Überlegung anhören, ob es denn jetzt nicht bald Zeit werde für den ersten Kuss oder die erste Nacht. Der Inhalt ist nervtötend, aber die Sprache ist kein bisschen besser. Es werden alle Register gezogen, aber völlig willkürlich und wild durcheinander. Mal hört sich der “Roman” wie ein Auszug aus dem Protokoll einer Stadtratsstzung an, mal wie ein Jugendbuch, mal wie ein Leserbrief, mal wie ein unbeholfener Liebesroman aus der Erotikabteilung. Die Satzstellung ist oft merkwürdig gezwungen, die Ausdrucksweise künstlich obsolet, dann wieder flapsig-modern. Zitate können die Qualität der Sprache besser belegen als Argumente:

  • … den der verdiente Orientalist Fritz Meier aus Basel in einer Studie zu Baha-e Walad … erwähnt (50)
  • … nahmen jene Schüler nicht für voll, die keinen Menschen je groß geliebt (49)
  • Den Wein, den sie vor ihrem Lachanfall getrunken und den Joint, den sie gemeinsam geraucht.  (50)
  • … die ihm mit dem Kuss endgültig zuteil geworden (54)
  • … tiefer vorgedrungen als je ein Sufi, der Bücher noch schrieb (48)
  • … dass alles Suchen seither Sehnsucht nur ist (48)
  • Aus gegebenem Anlass möchte ich … (82)
  • … bedarf keines Hinweises mehr (72)
  • Weil ich eine Dröhnung aus eigener Anschauung kenne … (82)
  • … nicht den geringsten Schimmer (80),
  • … einen mordsmäßigen Aufstand machte (86)
  • … weil ich das Bändchen besorgt und nach dreißig Jahren noch einmal studiert habe (72)
  • … das Prinzip von Ying und Yang, über das ich seither eine ganze Menge las (80)
  • … nach Marihuana mehr als nur roch (80)
  • … wodurch für die Verzweiflung immer noch vierzig Seiten blieben, und schlösse ich heute … die Wegstrecke ab (40)
  • Ich kann mich auch erinnern, dass er achtgab, mit seinem Hosenschlitz nicht an den ihren zu stoßen, weil sich der Stoff schlagartig auswölbte (32)

 

 

 

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Typisch ungarisch

Als die ungarische Bühenschauspielerin Franziska Gaal zum ersten Mal in einem deutschen Film mitwirkte, beschloss man, dass sie wegen ihres Akzents eine Ungarin darzustellen habe. Außerdem sollte der Film einen ungarischen Titel haben, und so machte man das “ungarischste” aller Wörter zum Titel des Films: Paprika. Nur ist Paprika gar kein ungarisches Wort: Es ist eine slawische Verkleinerungsform von gr. piperi, ‘Pfeffer’, und das geht wiederum auf altind. pippali, ‘Beere’, zurück. Wie wäre es denn mit Husar als Ersatz für das ungarischste aller Wörter? Husar ist eine südslawische Vermittlung aus dem Romanischen und eigentlich eine Doublette von Korsar. Und Pusta? Auch Pusta ist ein Lehnwort und enthält die slawische Wurzel pust, ‘leer’. Bliebe noch Csárdás, ein Wort, das sich in der ganzen Kulturwelt als ein Stück echten Magyarentums durchgesetzt hat. Aber auch mit dem Magyarentum von Csárdás ist es nicht weit. Es ist eine Ableitung von csárda, ‘Heideschenke’. Das Wort ist erst 1790 zum ersten Mal belegt und ist ein Lehnwort slawischer Herkunft. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 311-320)

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