Rabe und Rappe

Bett und Beet, schlaff und schlapp, Reiter und Ritter, Knabe und Knappe, Schneider und Schnitter, Statt und Stätte, feist und fett, Rabe und Rappe bedeuteten ursprünglich – dasselbe. In schweizerischen Bibelausgaben ersetzte man z.B. Luthers Raben durch Rappen. Beide Wörter verbreiteten sich, aus verschiedenen Mundarten kommend, über ein gemeinsames Sprachgebiet, mit derselben Bedeutung. Das sieht man auch an Rappen als Wort für die Schweizer Münze. Der Rappen war ursprünglich eine in Freiburg gepägte Münze mit einem Adlerkopf. Der Adler war aber nicht ohne Weiteres als solcher zu erkennen und wurde vom Volk als Rappen (also als Rabe) verspottet. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 356)

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Kermani Superstar

Alle Welt schwärmt von Kermani. Und er bekommt Preise über Preise. Muss doch gut sein, dachte ich. Was für eine Enttäuschung. Jedenfalls nach Große Liebe zu urteilen. Was für ein Schmarrn! Eine selbstverliebte, inkohärente, kitschige Beschreibung der ersten Liebe, in hundert Kapiteln. Die hundert Kapitel voll zu bekommen, aber auch nicht zu übertreffen ist ständiges Anliegen des Autors. Das teilt er mit dem geplagten Leser. Der muss sich dann immer wieder die Überlegung anhören, ob es denn jetzt nicht bald Zeit werde für den ersten Kuss oder die erste Nacht. Der Inhalt ist nervtötend, aber die Sprache ist kein bisschen besser. Es werden alle Register gezogen, aber völlig willkürlich und wild durcheinander. Mal hört sich der “Roman” wie ein Auszug aus dem Protokoll einer Stadtratsstzung an, mal wie ein Jugendbuch, mal wie ein Leserbrief, mal wie ein unbeholfener Liebesroman aus der Erotikabteilung. Die Satzstellung ist oft merkwürdig gezwungen, die Ausdrucksweise künstlich obsolet, dann wieder flapsig-modern. Zitate können die Qualität der Sprache besser belegen als Argumente:

  • … den der verdiente Orientalist Fritz Meier aus Basel in einer Studie zu Baha-e Walad … erwähnt (50)
  • … nahmen jene Schüler nicht für voll, die keinen Menschen je groß geliebt (49)
  • Den Wein, den sie vor ihrem Lachanfall getrunken und den Joint, den sie gemeinsam geraucht.  (50)
  • … die ihm mit dem Kuss endgültig zuteil geworden (54)
  • … tiefer vorgedrungen als je ein Sufi, der Bücher noch schrieb (48)
  • … dass alles Suchen seither Sehnsucht nur ist (48)
  • Aus gegebenem Anlass möchte ich … (82)
  • … bedarf keines Hinweises mehr (72)
  • Weil ich eine Dröhnung aus eigener Anschauung kenne … (82)
  • … nicht den geringsten Schimmer (80),
  • … einen mordsmäßigen Aufstand machte (86)
  • … weil ich das Bändchen besorgt und nach dreißig Jahren noch einmal studiert habe (72)
  • … das Prinzip von Ying und Yang, über das ich seither eine ganze Menge las (80)
  • … nach Marihuana mehr als nur roch (80)
  • … wodurch für die Verzweiflung immer noch vierzig Seiten blieben, und schlösse ich heute … die Wegstrecke ab (40)
  • Ich kann mich auch erinnern, dass er achtgab, mit seinem Hosenschlitz nicht an den ihren zu stoßen, weil sich der Stoff schlagartig auswölbte (32)

 

 

 

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Typisch ungarisch

Als die ungarische Bühenschauspielerin Franziska Gaal zum ersten Mal in einem deutschen Film mitwirkte, beschloss man, dass sie wegen ihres Akzents eine Ungarin darzustellen habe. Außerdem sollte der Film einen ungarischen Titel haben, und so machte man das “ungarischste” aller Wörter zum Titel des Films: Paprika. Nur ist Paprika gar kein ungarisches Wort: Es ist eine slawische Verkleinerungsform von gr. piperi, ‘Pfeffer’, und das geht wiederum auf altind. pippali, ‘Beere’, zurück. Wie wäre es denn mit Husar als Ersatz für das ungarischste aller Wörter? Husar ist eine südslawische Vermittlung aus dem Romanischen und eigentlich eine Doublette von Korsar. Und Pusta? Auch Pusta ist ein Lehnwort und enthält die slawische Wurzel pust, ‘leer’. Bliebe noch Csárdás, ein Wort, das sich in der ganzen Kulturwelt als ein Stück echten Magyarentums durchgesetzt hat. Aber auch mit dem Magyarentum von Csárdás ist es nicht weit. Es ist eine Ableitung von csárda, ‘Heideschenke’. Das Wort ist erst 1790 zum ersten Mal belegt und ist ein Lehnwort slawischer Herkunft. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 311-320)

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Dark Blue vs. Light Blue

The University Boat Race, the race between the universities of Oxford and Cambridge, is an annual national event in Britain. You watch the Boat Race even if you are not interested in rowing (or in sports, for that matter). 250,00 spectators watch from the banks of the river, the Thames, an estimated 15 million watch on TV. The race has been run since 1845. Cambridge have won 82 times, Oxford 79, but Oxford have won more frequently since 2000. Cambridge also have the longest unbeaten run in Boat Race history (1924-1936) and they also hold the course record: 16 minutes, 19 seconds (in 1998). Oxford were the winner of the closest race, winning by 30 cm only (in 2003). Curiously, the heavier crew is more likely to win (8 out of the last 11 races). There has been one dead heat, and six times a boat has sunk. The length of the course is 6.8 kilometres, and the race is rowed upstream and timed to coincide with the incoming flood, so that the crews are rowing with the fastest possible current. There are two different starting points: Middlesex and Surrey. There have been 75 wins from Middlesex Station and 73 from Surrey Station. Who starts from where is decided by tossing a coin. Though this is an essentially British event, the rowers come from a number of nations, six in 2013: UK, USA, Australia, Canada, New Zealand, Czech Republic. What all Britons know (but hardly a foreigner) is what the colours stand for: Dark blue stands for Oxford, Light Blue stands for Cambridge.

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Wunderbare Wortvermehrung

Zum ersten Mal machte mich ein Student darauf aufmerksam: Manchmal stammen verschiedene Wörter in unserer Sprache von ein und demselben Wort in einer anderen Sprache ab. Aus dem lateinischen bilanx stammen sowohl Bilanz (durch Vermittlung über das Italienische) als auch Balance (durch Vermittlung über das Französische). Es gibt unzählige solcher Doubletten: Keller und Zelle, Hospital und Hotel, Slawe und Sklave, proben und prüfen, Pacht und Pakt, Ziffer und Chiffre, Möbel und mobil, Teppich und Tapete, Metal und Medaille, Partei und Partie, Kerker und Karzer, Küste und Kotelett, Alarm und Lärm, Parabel und Parole, Zither und Gitarre, Trumpf und Triumph, Kumpan und Kompagnon, Major und Meier, Kompott und Kompost, Linie und Leine, Pulver und Puder, Kolonne und Kolumne usw. Damit nicht genug: Manchmal sind es sogar drei Wörter, die aus einem stammen: Teint, Tinte und Tinktur, Boutique, Bodega und Apotheke, Staat, Status und Etat. Das Beispiel, das mir der Student nannte, war auch so eine Triplette: Pfalz, Palast und Palais. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 271-274)

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Reines Bier?

Nach dem Reinheitsgebot von 1516 durften nur noch Hopfen, Gerste und Wasser verwendet werden beim Brauen. Und das hatte seinen Grund. Bis zum späten Mittelalter gab es Hopfen nur im Norden, im Süden wurde er durch Kräuter ersetzt. Darunter waren Schleihe, Wacholder, Kümmel, aber auch Stechapfel und Bilsenkraut, und die waren giftig. Außerdem bekam das Bier seine Farbe nicht immer durch den Hopfen, sondern auch durch Baumrinde oder Ruß. Das Reinheitsgebot war also dringend notwendig. Es war eine gesundheitspolitische Maßnahme. Aber auch eine wirtschaftliche. Dadurch, dass nur noch Gerste verwendet werden durfte, verhinderte man, dass Weizen zum Einsatz kam. Denn den brauchte man für das Brot.  Auf das Reinheitsgebot schwört jeder deutsche Biertrinker. Hört sich ja auch gut an. Aber das Reinheitsgebot hat seine Tücken. Das alte Reinheitsgebot war eher ein Verbraucherschutzgesetzt oder ein Drogengesetz. Das Problem beim Bier war nämlich, dass es viel Nachfrage und nicht genug Rohstoffe gab. Deshalb wurde gepanscht, und das ging auf Kosten der Gesundheit. Und das Reinheitsgebot kannte immer schon Ausnahmen. Auch wenn gesagt wird, es bestehe schon seit 500 Jahren. Schon bald nach dem Gesetz von 1516 wurden wieder Salbei, Koreander und Lorbeer erlaubt. Und Ausnahmen gab es auch später immer wieder. Und den Begriff Reinheitsgebot gibt es sowieso erst seit dem 19. Jahrhundert. Auch heute gibt es in Deutschland Ausnahmen vom Reinheitsgebot. Auf Antrag kann man historische Biere brauen, die ohne Beachtung des Reinheitsgebots gefertigt werden. Das Reinheitsgebot verstößt vermutlich auch gegen EU-Recht, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die erste Klage dagegen eingereicht wird. Bis dahin kann es aber dazu kommen, dass ausländische Biere in Deutschland prämiert werden, aber nicht vertrieben werden können. Absurd.  (“Nationalmythos Bier”, in: SWR 2 Forum: 21/04/2016)

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Unerhört

Wapiti sind die größten Hirsche der Erde. Angesichts ihrer Körpermaße sollten sie tiefe, röhrende Töne ausstoßen. Größere Tiere tendieren zu tieferen Tönen, kleinere zu höhern. Das nennt man Allometrie. Das ist aber bei den Wapiti nicht der Fall. Die Wapiti produzieren hohe, pfeifende Töne. Forscher aus Essex wollten der Sache auf den Grund gehen. In Neuseeland gibt es eine Zuchtstation für Wapiti, und da konnten sie die Tiere aus nächster Nähe aufnehmen. Bei der Analyse der Tondaten gab es eine Überraschung: Jedesmal, wenn man ein Wapiti hörte, mit seinen hohen Tönen, hörte man auch einen Rothirsch, mit seinen tiefen Tönen. Nur: Es gab dort gar keine Rothirsche. Die Erklärung: Die Wapiti selbst produzieren sowohl die hohen als auch die tiefen Töne. Jetzt versuchen die Forscher herauszufinden, wie und warum die Wapiti beide Töne ausstoßen. Es gibt aber noch eine andere Frage, die über das Thema hinausgeht: Warum haben andere Studien das Röhren der Wapiti nicht beachtet, sondern immer nur das hohe Tuten behandelt? Beide Töne waren in den Daten präsent, aber die Forscher haben den tiefen Ton nicht bemerkt. Das wirft ein interessantes Licht auf die Wissenschaft: Wir sehen nur das, wonach wir suchen. Wenn man aber einmal weiß, dass es da ist, kann man das Röhren der Wapiti nicht mehr überhören. (Haas, Lucian: “Das Paradoxon der Wapiti. Hirschruf mit Doppel-Effekt”, in:  DLF 21/04/2016) 

 

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Das große Zittern

Wie fängt man einen Zitteraal? Ohne deren elektrische Schläge zu bekommen? Humboldt lernte es auf seiner Amerikaexpedition von den Indianern. Sie trieben Pferde in den Bach, die die Zitteraale aufstörten und von denen elektrische Schläge empfingen, bis deren elektrische Energie aufgebraucht war. Dann wurden sie von den Indianern gefangen. (Meyer-Abich, Adolf: Alexander von Humboldt. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 131998: 78)

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Haarscharf daneben

Lerner von Fremdsprachen, von ihrem Lehrer aufgefordert, langsamer zu sprechen, um Fehler zu vermeiden, machen tatsächlich mehr Fehler! Das nur eine von vielen Erkenntnissen in einer Präsentation in einem Seminar. Eine weitere: In Kanada lebende Russen, die spezielles Training erhielten, um die englischen Konsonanten zu aspirieren, schnitten am Ende schlechter ab als die, die kein spezielles Training erhielten! Chinesen, Polen und Spanier waren der Meinung, ihre Landsleute besser zu verstehen als die anderen, wenn sie Englisch sprechen, aber als sie die Texte transkribieren sollen, stellt sich heraus, dass sie die anderen gleich gut verstehen, dass es eher auf den individuellen Sprecher ankommt. Eine vietnamesische Englischlehrerin, verzweifelt, als ihre Schüler nach speziellem Training nicht mehr fee statt feet, sondern fees statt feet produzierten, wurde von einem erfahreneren Kollegen getröstet, der sagte, hier liege tatsächlich Fortschritt vor – die Silbenstruktur sei nun richtig. Der Wert, der einer guten Aussprache beigemessen wird, wenn Muttersprachler die Kompetenz von Ausländern bewerten, ist ausgesprochen hoch. Dem wird der Sprachunterricht nicht gerecht. Gute Aussprache ist in dieser Hinsicht vergleichbar mit einer guten Handschrift. (Derwing Tracey M. & Murray J. Munro: Pronunciation Fundamentals. Evidence-based Perspectives for L2 Teaching and Research. Amsterdam & Philadelphia: John Benjamins, 2015)

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Keltische Pinguine

Was haben die Pinguine mit den Kelten zu tun? Oder die Kelten mit den Pinguinen? Eigentlich gar nichts. Und doch scheinen die Pinguine einen keltischen Namen zu haben. Das Wort ist abgeleitet, wie es scheint, von keltisch pen gwyn, ‘weißer Kopf’. Das kam so. Als die europäischen Entdecker den Pinguinen begegneten, erinnerten sie die Vögel an die heimischen Alke und sie gaben ihnen denselben Namen. Noch heute bezeichnet fran. pingouin sowohl den Alk als auch den Pinguin. Dabei haben die Tiere nichts miteinander zu tun. Pinguine kommen nur auf der Südhalbkugel vor, Alke nur auf der Nordhalbkugel. Pinguine sind Flossentaucher, Alke Flügeltaucher. Alke können fliegen, Pinguine nicht. Sie sind nicht miteinander verwandt.  Aber das wussten die europäischen Forscher nicht. Andererseits sind sie auf den ersten Blick ähnlich, vor allem in der Körperhaltung, und das sahen die europäischen Forscher natürlich. Daher der Name.  Und es störte sie auch nicht, dass die Pinguine schwarze Köpfe haben, keine weiße, wie die Alke. So heißen Vögel mit schwarzen Köpfen ‘Weißkopf. Aber wir sprechen ja auch von einer Plombe, obwohl die oft auch Gold oder anderen Materialien ist und nicht aus Blei. Und auch Gulden waren meistens nicht aus Gold. (Storfer, Adolf Josef: Wörter und ihre Schicksale. Zürich: Atlantis Verlag, 1981: 118-119)

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Waterloo Teeth

Nach der Schlacht von Waterloo wurde das Schlachtfeld von Zahnärzten heimgesucht. Sie brachen den Toten die Zähne aus. Prothesen wurden damals aus Elfenbein gemacht. Das hatte viele Nachteile: Sie waren glänzend weiß, zerbrechlich und knirschten. Menschliche Zähne waren also gesucht. Und so viele wie auf dem Schlachtfeld von Waterloo gab es sonst nicht. Aus den Zähnen der gefallenen Soldaten entstanden also Prothesen. Ein Paar davon gibt es so gebracuthe machte man aus den Zähnen der gefallenen Soldaten Aus ihnen stellte man Es gab keine künstlichen Zähne, und so stellte man aus den Zähnen der toten Soldaten Prothesen her. Im Deutschen Historischen Museum gibt es ein Exemplar dieser Zähne zu sehen. Sie heißen Waterloo Teeth. (“Vom Siegeszug einer Niederlage”, in: SWR 2 Forum 11/06/2015)

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Königin Olga

Im Osten Thessalonikis befindet sich das Hotel Queen Olga. Auch die Straße ist nach ihr benannt. Was hat eine Olga in Griechenland zu suchen? Sie war eine Romanowa, eine Nichte Alexanders II. Sie kam nach Griechenland, nachdem ihr späterer Ehemann, Georg, zweimal in einem Abstand von Jahren nach Petersburg gereist war, einmal, um sich bei Alexander für Wahlkampfhilfe zu bedanken, einmal, um seine Schwester, die inzwischen hier verheiratet war, zu besuchen. Er nahm sie mit als seine Ehefrau, als Königin. Sie war für ihr karitatives Engagement bekannt und geschätzt. Sie machte dann einmal bei einem Besuch von verwundeten Soldaten die Entdeckung, dass die die Bibel nicht lesen konnten, weil die in Koiné verfasst war. Sie setzte sich daraufhin für Übersetzungen in Katharevousa ein und veröffentlichte ohne Genehmigung eine eigene Übersetzung des Neuen Testaments! Das führte zu Unruhen, zu Aufständen, zum Sturz der Regierung, zur Abdankung des Bischofs und zur Forderung, sie müsse exkommuniziert werden! Am Ende wurden sämtliche Übersetzungen aus dem Verkehr gezogen und weitere Veröffentlichungen verboten!

 

 

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Zwangsverheiratung

In Rom musste man sich, wenn man noch nicht alt war, nach einer Scheidung oder nach dem Tod des Ehegatten wiederverheiraten, per Gesetz (Lex Julia de maritandis ordinibus).  Das galt nur für die Angehörigen der höheren Stände. Man musste einen gesellschaftlich ebenbürtigen Ehepartner heiraten. Ehe- und Kinderlose waren bei Bewerbungen um öffentliche Ämter stark benachteiligt, und auch in vermögensrechtlichen Fragen. Der Staat reagierte damit auf die Ehemüdigkeit der höheren Stände und den damit verbundenen Bevölkerungsrückgang. Der Staat griff in die Intimsphäre der Bürger ein, er wurde zum “Übervater”. (Giebel, Marion: Ovid. Reinbek bei Hamburg, 52003: 31-32)

 

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Gender Studies vor Paläontologie

2011 gab es 173 Genderprofessuren an deutschen Universitäten und Fachhochschulen.  Sie sind fast ausschließlich von Frauen besetzt. Die Slawistik mit 100 Professuren ist längst überholt worden. Seit 1997 hat die Paläontologie 21 Professuren verloren, die Genderforschung 30 hinzugewonnen.  (Martenstein, Harald: „Schlecht, Schlechter, Geschlecht“, in: Zeitmagazin 24/2013: 12-19)

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Trauriger Ritter?

Cervantes’ größtes Werk: Persiles. So fand es jedenfalls – Cervantes. Und seine Mitwelt teilte diese Meinung! Auch die Romantiker waren begeistert. Die meisten anderen finden das Buch schwer erträglich, und Menéndez Pelayo schrieb das Buch der “senilen Schwäche” von Cervantes zu. In der allgemeinen Wahrnehmung aber ist Don Quijote sein größtes Werk. Dessen Rezeption begann in Frankreich. Dort wurde es in erster Linie als Satire gesehen, als Satire auf Spanien, das damals noch eine Weltmacht war, aber gerade von Frankreich überholt wurde. Da “passte” es gut, ein Buch zu haben, das den Konkurrenten schlecht aussehen ließ. Von Cervantes’ Kunst hielt man nicht so viel. Das war in England anders. Dort begegnete man dem Quijote ohne kulturpolitische Scheuklappen. Man schätzte den vielschichtigen Humor Cervantes’, aber gerade in England wurde auch die humorvolle Schale des Quijote geknackt. In Russland verschob sich dann die Bewertung vom Ästhetischen zum Psychologischen und zum Religiösen. Don Quijote verkörperte den Glauben, den Glauben an etwas Ewiges, Unerschütterliches, Wahres. Don Quijote wurde zum “Gottesnarren”.  (Dietrich, Anton: Cervantes. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1984: 110-123)

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