Contingencies

Ein Vortrag eines Anthropologen in der Uni fing mit verschiedenen Zitaten an, darunter einem von Aristoteles und einem von Nancy Sinatra! Aristoteles wurde zitiert mit seiner Aussage, die 2 sei die kleinste Zahl. Etwas für sich alleine gebe es nicht. Alles habe nur eine Identität in Relation zu etwas anderem. Hitze gebe es nicht ohne Kälte, Gesundheit ohne Krankheit, Tag ohne Nacht. Nancy Sinatra wird mit einer Zeile aus einem Lied zitiert: “You only live twice or so it seems. One life for yourself and one for your dreams”. Die Zitate waren die Einleitung für einen Vortrag über die vielen möglichen Leben, die wir alle führen könnten. Die meisten Fälle kamen aus der Arbeit des Vortragenden in Afrika. Darunter war der eines Mannes, der erfuhr, dass er AIDS hatte und beschloss, angesichts der Ausweglosigkeit der Situation – die Medikamente, die es gegen AIDS gibt, sind so teuer, dass kaum jemand sie sich leisten kann – sich das Leben zu nehmen. Er wollte sich erhängen, aber die Krawatte, mit der er das tun wollte, riss. Dann stieg er auf die Dachterrasse des damals höchsten Hauses in Kampala, um sich hinunter zu stürzen, aber die Dachterrasse war an dem Tag voller Menschen, und er zog sich wieder zurück. Dann besorgte er sich einen Kanister mit Benzin und insgesamt drei Streichhölzer. Er zündete das erste Streichholz, aber das Benzin fing nicht Feuer. Dann dasselbe mit dem zweiten, dann dasselbe mit dem dritten Streichholz. Dann stellte sich heraus, dass man ihm kein Benzin, sondern Diesel verkauft hatte. Der brennt nicht so ohne Weiteres, sondern nur, wenn er erhitzt wird. (Andrew Irwing, “The Art of Turning Right and Left: Everyday (Ad)ventures in Contingency and Necessity”)

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Serendipity

Das Reizvolle am Radio ist, dass man mit Dingen konfrontiert wird, denen man sonst nicht begegnen würde – und die man auch nicht suchen könnte. Das ist, so Norbert Bolz in einer Radiosendung (!), eine Bereicherung und verhindert das, was man heute cocooning nennt, das Zurückziehen in die eigene Welt, die ausschließliche Begegnung mit dem, was man schon immer kennt und mag. (“90 Jahre Rundfunk. Welche Zukunft hat das Radio?”, in: Forum, SWR 2, 28/10/2013)

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Englisch? Nein, danke

Hitler hatte keinen Schul- und erst recht keinen Hochschulabschluss. Er kompensierte den Mangel durch eifrige Lektüre und ein fabelhaftes Gedächtnis. Er eignete sich ein gewaltiges Wissen auf allen Gebieten an. Aber Hitlers Wissen war auch lückenhaft und selektiv. Das Minderwertigkeitsgefühl des früh Gescheiterten saß tief. Er verachtete Intellektuelle, Professoren, Lehrer. Stets gab er vor, mehr zu wissen als er tatsächlich wusste. Ungern ließ er sich auf Bildungslücken aufmerksam machen. Hanfstaengl, Unterstützer und Freund Hitlers, versuchte Hitler nach dessen Entlassung aus der Haft dafür zu erwärmen, Englisch zu lernen und bot sich selbst an, ihn zweimal pro Woche zu unterrichten, aber Hitler lehnte ab: “Meine Sprache ist Deutsch, und die genügt mir.” Selbst der Versuch, ihn zu Reisen ins Ausland zu bewegen und damit die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu erleben, schlug fehl. Von Parteigenossen erhielt er eine Einladung nach Argentinien. Heß war begeistert und ermutigte ihn, anzunehmen, aber Hitler fand immer neue Ausreden. So kam 1933 ein Politiker an die Macht, der – wenn man von den vier Kriegsjahren in Frankreich absieht – nichts von der Welt gesehen hatte. (Ullrich, Volker: „Als Hitler sich selbst erfand“, in: Die Zeit 40/2013: 17- 20)

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Land der Freiheit

Die Kontrollen bei der Einreise in die USA über sich ergehen zu lassen, erfordert viel Geduld. Das habe ich immer wieder von Freunden und Kollegen gehört, die sie über sich ergehen lassen mussten. Das bestätigt jetzt eine Autorin, die in beiden Ländern heimisch ist: Zum ersten Mal Einreisende, sagt sie, seien von dem harschen Reglement überrascht. Es gibt eine eigene Schlange für Ausländer, und man bekommt einen Rüffel, wenn man die weiße Linie überschreitet. Hinter dem freundlichen Lächeln der Beamten verbirgt sich ein strenger Blick; man ist hilfsbereit, aber wachsam: Vigilance – Service – Integrity.  So präsentiert man sich der Welt: We are the face of our nation. Mit diesem wir wird corporate identity geschaffen. (Runge, Irene:Wie ich im jüdischen Manhattan zu meinem Berlin fand. Berlin: Kulturmaschine, 2012: 10-11)

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Schleimer

Beim Aufräumen in der Küche einen thailändischen Kräutertee gefunden, der das Abnehmen fördern soll. Auf dem Teebeutel steht: Sliming.

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Wundersames Wirtschaftswunder

Das Land liegt im Trümmern. Dann kommt die D-Mark, von Ludwig Erhard eingeführt. Dann der Marshall-Plan. Kombiniert mit dem Fleiß der Deutschen bringen sie Wirtschaftswachstum: das Wirtschaftswunder. So weit die Legende. Die Wirklichkeit sah anders aus. Tatsächlich lag Deutschland nicht in Trümmern. Aber es gibt doch die Photos und Berichte von den zerstörten Städten? Ja, viele Innenstädte waren zerstört, man hat die Bilder vor Augen. Kein Stein steht mehr auf dem anderen. Aber: Das waren nur die Innenstädte. Hätte der Photograph, hätte der Kameramann sich umgedreht, hätte er lauter gut erhaltene Vorstädte vor Augen gehabt. Aber die zogen kaum die Aufmerksamkeit auf sich. Die Vorstädte, die kleineren Städte, die Dörfer waren meist völlig intakt. (Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang an eine Passage bei Ian McCourt, der als GI nach Deutschland kam, aufs Land in Bayern und sich verwundert die Augen rieb angesichts der adretten Dörfer, bei denen von Krieg nichts zu sehen war). Die D-Mark wurde zwar eingeführt, nach einer streng geheim gehaltenen Klausurtagung deutscher Wissenschaftler, dem sog. Konklave, aber Ludwig Erhard war auf dem Konklave gar nicht anwesend! Und die Einführung der D-Mark war längst vor dem Konklave beschlossen worden, und zwar von den Amerikanern. Sie richteten es so ein, dass die Mitglieder des Konklave den Eindruck hatten, sie hätten die Entscheidung gefällt. Den Marshall-Plan gab es nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere Länder. Und mit dem Marshall-Plan kamen hauptsächlich Waren nach Deutschland, die die USA sonst nicht absetzen konnten, vor allem Baumwolle. Davon hatten sie einfach zu viel. Und Wirtschaftswachstum gab es auch in anderen Ländern, vor allem in Italien und Frankreich. In Deutschland war es aber tatsächlich etwas – aber nicht bedeutend – höher als dort. Das hatte aber nichts mit D-Mark und Marshall-Plan und Fleiß zu tun – auch woanders war man fleißig – sondern mit zwei spezifischen Faktoren: dem Korea-Krieg und den Flüchtlingen. Wirtschaftswachstum und Korea-Krieg? Die Alliierten brauchten Rüstungsnachschub, und nirgends gab es so viele freie Kapazitäten wie in Deutschland. Die Industrieanlagen waren nicht ausgelastet, und Deutschland bekam die Aufträge. Die Flüchtlinge, die meistens als eine Belastung wahrgenommen werden, gaben der deutschen Wirtschaft im Gegenteil einen Schub, durch ihre Arbeit und ihren Konsum. Besonders profitierte Deutschland von den gut ausgebildeten Arbeitskräften, vor allem den Ingenieuren, die aus den ehemaligen deutschen Gebieten, aber auch aus der SBZ in den Westen kam. Die wurden, wie ein Augenzeuge, selbst ein Schleuser, in der Fernsehsendung, der ich diese Informationen verdanke (Weber, Christoph: “Unser Wirtschaftswunder. Die wahre Geschichte”, in: Phoenix: 18/09/2013), berichtet, systematisch abgeworben und in nächtlichen Aktionen über die Grenze geschleust.

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Lucky Heinz

One of the slogans of the Heinz company, which for many is synoymous with ketchup, is 57 varieties. The company has used this slogan since 1896. Many think that this is the number of products the company offered when it developed the slogan, but they are wrong. The company’s founder, Henry J. Heinz, once saw an advertisement for a shop which offered twenty-one varieties of shoes. He wanted an even more impressive number but did not bother to count the products the company offered. He simply combined his own lucky number, five, with that of his wife, seven. (Hayes, Justin Cord: The Unexpected Evolution of Language. Avon: Adams Media, 2012)

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Mauer-Kick

Was machen Kinder, wenn sie eine niedrige Mauer sehen? Sie klettern rauf und laufen an der Hand eines Erwachsenen die Mauer entlang. Das machen alle Kinder bei allen Mauern, so wie alle Kinder in alle Pfützen springen. Es ist geradezu zwanghaft. Warum machen sie das? Dazu habe ich dieser Tage irgendwo eine Erklärung gelesen: Das Laufen auf der Mauer gewährt eine Erfahrung der kontrollierten Angst, eine höchst befriedigende menschliche Erfahrung. Die Mauer ist im Verhältnis zu der Größe der Kinder hoch, es ist also mit Erregung verbunden. Gleichzeitig gibt die Hand des Erwachsenen Sicherheit. Eine perfekte Verbindung. Die technisch kompliziertere Entsprechung dazu ist der Flugsimulator. Kann ja nix passieren. Aber wir erfahren, wie es wäre, wenn wir im Flugzeug säßen. Und so ist es auch mit der Literatur, von der hohen bis zur populären. Wir durchleben Erfahrungen, die wir sonst nicht durchleben würden, stellvertretend für die Protagonisten, und mit der Sicherheit, dass wir am Ende mit dem Leben davonkommen. Auch wenn der Held stirbt.

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Violence in modern media?

Take this plot: Two men kill another man, rape his bride, cut out her tongue and amputate her hands; her father kills the rapists, cooks them in a pie, and feeds them to their mother, whom he then kills before killing his own daughter for having been raped. Then he is killed and his killer is killed. A Hollywood horror movie? A modern video game? The invention of a depraved brain? No. This is the plot of Shakespeare’s Titus Andronicus. Violence as a motif in fiction has always been around. In Shakespeare as well as in Nursery Rhymes: babies fall out of trees, a little boy mutilates a dog, an old woman who lives in a shoe cruelly whips her starving children, blind mice are hacked up with carving knives, Cock Robin is murdered, and Jack smashes his skull. (Gottschall, Jonathan: The Storytelling Animal. Boston and New York: Mariner Books, 2013: 43-4 + 129-30)

 

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Male and female

Female fruit flies are larger than male (p. 69), and so are the females of the cochineal, but these have no wings, whereas the males do (p. 66); both male and female goats have beards (p. 52); male drones die of starvation because they cannot feed, and once they have done their job of mating with the queen, the female bees are happy to see them die (p. 15); only female mosquitoes suck blood, and they only do it after they have mated, for the sake of their eggs (p. 10); Asian female elephants have no tusks, though African female elephants and all male elephants do (p. 120); both leeches (p. 105) and earthworms (p. 126) are hermaphrodites but whereas with the leeches one plays the female and one the male, earthworms fertilize each other. (Chaline, Eric: Fifty Animals that Changed the Course of History. Buffalo, New York: Firefly Books, 2011)

 

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Miraculous

In Misha: A Mémoire of the Holocaust Years (1997) Misha tells the story of a little Jewish girl’s miraculous survival in Nazi Germany. Her adventures include being trapped in the Warsaw ghetto, stabbing a Nazi rapist, trekking across Europe on foot and being adopted by a pack of wolves. The problem was: none of this was true, not even the one about Misha being Jewish. Her real name was Monique de Vael. (Gottschall, Jonathan: The Storytelling Animal. Boston and New York: Mariner Books, 2013: 159)

 

 

 

 

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Life? How boring!

In George Gissing’s New Grub Street, a character named Harold Biffen writes a novel which describes the life of an ordinary grocer in absolutely realistic detail and with zero dramatic shaping. The novel is unutterably boring by design. It is about the monotony of life. The novel is a work of art but sheer drudgery to read. Disappointed in love and art, Biffen ends up poisoning himself. (Gottschall, Jonathan: The Storytelling Animal. Boston and New York: Mariner Books, 2013: 51)

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Amazing memory

The day after the space shuttle Challenger exploded in 1986, researchers asked people how they had heard about the disaster, how they felt and what they had been doing. The same people were asked the same questions two and a half years later. It turned out that, for a quarter of the people, not one detail was consistent between the two reports. On average, fewer than half of the details reported in the follow-up interview matched those reported in the original questionnaire. Not one person was completely consistent. At the same time, most people were highly confident about the accuracy of their memory. (Gottschall, Jonathan: The Storytelling Animal. Boston and New York: Mariner Books, 2013: 163-4)

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International bird

The eagle features on all US documents. It was chosen by Congress as the national bird in 1782. This is a reference to Ancient Rome, with whose virtues the founding fathers sought to associate. The eagle in Rome was, however, not a symbol of the State but an emblem of the legions. Anyway, it spawned many symbolic descendants. The eagle was the emblem of the Byzantine Empire, of the empire of Charlesmagne, of Imperial Russia, of the Austro-Hungarian Empire and the kingdoms of Poland and Prussia. (Chaline, Eric: Fifty Animals that Changed the Course of History. Buffalo, New York: Firefly Books, 2011: 103)

 

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Senior modesty

Of one million high school seniors surveyed in the US, 70% thought they were above average in leadership ability. In terms of ability to get along with others, nearly all students thought they were above average, 60% thought they were in the top 10%, and 25% thought they were in the top 1%! (Gottschall, Jonathan: The Storytelling Animal. Boston and New York: Mariner Books, 2013: 172)

 

 

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