Die Welt ist kompliziert. Zu kompliziert, als dass man sie als Laie verstehen könnte. Über die Welt zu berichten, bedeutet daher immer Vereinfachen. Die Herausforderung besteht darin, komplizierte Zusammenhänge für Nicht-Spezialisten verständlich zu machen. Und zugleich so genau wie möglich zu sein. Schwer genug. Doch selbst wenn dieser Spagat gelingt, ergibt sich daraus ein Dilemma: die Selbstüberschätzung. Wenn wir etwas verstehen, bilden wir uns ein, mehr davon zu verstehen, als wir es tatsächlich tun. Das belegten Psychologen um Lisa Scharrer von der Universität Münster in einem Experiment. Sie legten ihren Probanden Texte zu medizinischen Themen wie dem Salzkonsum vor, zu dem Zusammenhang von Chili im Essen und Blutdruck, zu dem Zusammenhang von veganer Ernährung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu allen Themen gab es verschiedene Textversionen, populärwissenschaftliche und wissenschaftliche. Die Probanden bewerteten alle Texte als glaubwürdig. Aber die populär aufbereiteten Texten erzeugten bei den Lesern die Illusion, dass sie die Themen besser durchdrungen hatten als die wissenschaftlichen Texte. Der technische Jargon und die Detailgenauigkeit der wissenschaftlichen Texte förderten eine größere Anstrengung und waren ein Indiz für das eigene begrenzte Verständnis des Themas. Amerikanische Kognitionsforscher um Philip Fernbach beobachteten, dass das Gefühl von großem Durchblick sich gerade dann einstellt, wenn wenig vom Thema bekannt ist. Sie befragten Probanden zum amerikanischen Renten- und Gesundheitssystem, zum Emissionshandel, zur Steuergesetzgebung, zum Handel der USA mit dem Nahen Osten usw., Themen von frustrierender Komplexität. Viele Teilnehmer glaubten ein tiefes Verständnis der Themen zu haben. Erst als die Forscher nach Details zu den einzelnen Politikfeldern fragten, kippte das Bild. Die Illusion des Durchblicks zerplatzte. Erst jetzt wurde den Teilnehmern klar, wie wenig sie eigentlich wussten. Kein schönes Gefühl, und so reagierten viele Probanden ausgesprochen verstimmt, als sich herausstellte, dass sie keine Ahnung hatten! (Herrmann, Sebastian: “Die Wissens-Illusion”, in Süddeutsche Zeitung 284/2017: 18)
Zitate
La vie est trop courte, et Proust est trop long. – Das Leben ist zu kurz und Proust zu lang.
— Anatole France-
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